
Nach gut 16 Jahren ist die Ära von Pfarrer Sven Johannsen in St. Michael beendet. Er habe seine Aufgabe hier erfüllt, sagte der Geistliche am Sonntagnachmittag in einem Festgottesdienst. Trotz des Abschieds war die Grundstimmung der Messe und der anschließenden Feier im Pfarrhof eine fast fröhliche, denn Humor ist eine der wichtigsten Eigenschaften Johannsens, wie mehrere Redner betonten. Die Haltung der Gläubigen zu ihrem Pfarrer könnte nichts besser ausdrücken als der Umstand, dass die Stadtpfarrkirche bereits 20 Minuten vor Beginn bis auf den letzten Platz besetzt war.
"Es war nicht ein Pfarrer, der das Ruder herumriss, sondern ein Mühen von vielen Menschen, die an ihrer Gemeinde hingen und sich eingesetzt haben, sie als lebendige Gemeinde aufzubauen", betonte Johannsen in seiner Predigt.
Im Mai 2008 hatte Johannsen an Pfingsten seinen Dienst in Lohr angetreten. St. Michael war seinerzeit nach dem Freitod seines Vorgängers, ungeschicktem Krisenmanagement der Diözese und einer gescheiterten Wiederbesetzung der Stelle in einer schwierigen Lage. Heute könne er sagen, "dass es uns gelungen ist, die Angst zu überwinden und die Tore weit aufzumachen".
Man habe den Kontakt hinein in die Stadt und in die Dörfer gesucht. Viele Menschen seien gekommen, weil sie sich in den Gemeinden aufgehoben und willkommen fühlten. "Wir sind sicher nicht perfekt, aber oft habe ich von Gästen gehört, dass sie sich in der Gottesdienstgemeinde wohlgefühlt haben", so Johannsen. Einen großen Schritt habe man auf die Kitas und die Schulen getan "und sie auf uns hin".
Seit der großen Sanierung der Stadtpfarrkirche habe er viele Menschen am Eingang begrüßt und das zugrunde liegende Konzept erläutert. Den vielen Menschen und Vereinen, denen man die Kirchentüre geöffnet habe, "haben wir auch immer eine Botschaft der Hoffnung mitgegeben. Das war auch mein Auftrag gegenüber den Menschen in dieser Stadt und in unseren Dörfern."
Am Taufstein von St. Michael und in den Kirchen der Pfarreiengemeinschaft hat Johannsen nach eigenen Angaben rund 450 Kinder getauft. Jahr für Jahr seien circa 25 Kinder zum ersten Mal an den Tisch des Herrn geführt worden. Insgesamt habe er rund 130 Ehepaare getraut. Etwa 800 Todesfälle hätten in den vergangenen 16 Jahren Verwandte und Freunde zu Trauernden gemacht, die mitunter schwierige Fragen gestellt hätten.
Ihm sei es wichtig gewesen, "die Botschaft des Evangeliums an die Erfahrung des Lebens anzudocken", sodass die Gläubigen vielleicht manchmal etwas mitnehmen konnten für ihr Leben. "Wir brauchen keine Kirche, die sich in Strukturdebatten verliert, in Selbstmitleid suhlt und ständig darüber jammert, dass sie keiner mehr mag", unterstrich der Pfarrer.
Brillante und wortgewaltige Predigten
Ein Pfarrer müsse heute mehr sein als ein "Zeremonienmeister am Altar", stellte Kirchenpfleger Christian Maier fest. Johannsens brillante und wortgewaltige Predigten hätten ihn weit über Lohr hinaus bekannt gemacht. Auch als Baumeister habe er viele Projekte vorangetrieben. Maier erinnerte an St. Michael, den Wombacher Kirchturm, die Kirche in Sackenbach und kirchliche Kindergärten.
Johannsen habe viele Ideen für Lichtinstallationen und den Kirchenschmuck gehabt, ein großes Herz für die Kirchenmusik gezeigt und sei ein Steuermann gewesen. Zunächst habe er fünf Gemeinden übernommen, dann die Pfarreiengemeinschaft und schließlich den pastoralen Raum Lohr. Vor allem sei er aber Seelsorger und Priester gewesen, so Maier. Weil er aus kleinen Teilen gerne etwas Großes zusammensetze, überreichte Maier ihm ein eigens angefertigtes 2000-Teile-Puzzle von St. Michael.
Unterstützung in Krisen
Für die Grundschulen und Kindertagesstätten würdigte Wolfgang Schmitt, Rektor der Grundschule Lohr, Johannsens Einsatz im Unterricht, bei Schulgottesdiensten und vielen Extra-Aktionen. Im Gedächtnis haften geblieben seien auch individuelle Kommunionsfeiern. Schmitt selbst dankte dem Pfarrer für die große Unterstützung in Krisensituationen wie dem plötzlichen Tod eines Lehrers. Als Geschenk überreichte er einen Kalender, in dem die Klassen der Schule jeweils einen Monat gestaltet haben.
Johannsen habe sich als "versierter Bauherr einen Namen gemacht", erklärte Bürgermeister Mario Paul. Zudem sei er ein begnadeter Redner, der sich durch eine inhaltliche Dichtheit auszeichne. In den 16 Jahren habe er "Einzelnen, aber auch der Gemeinschaft Halt und Orientierung gegeben". Pauls Geschenk war zu großformatig, um es in die Kirche zu tragen: ein Bild des von Johannsen geschätzten Malers Roland Schaller.
Der evangelische Dekan Till Roth sprach von einer "persönlichen christlichen Weggemeinschaft". In vielen Dingen habe man sich gut und auf Anhieb verstanden. Johannsen habe mit großer Energie unterschiedliche und vielfältige Impulse gesetzt. Vom Pfarrgemeinderat bekam Johannsen ein Werk des Lohrer Fotografen Thomas Kohnle, auf dem das Gremium das "Letzte Abendmahl" von Leonardo da Vinci nachstellt – mit einem leeren Platz in der Mitte.
Für die musikalische Gestaltung des dreistündigen Festgottesdienstes sorgten Band, Chor, der neue Kantor Tyron Kretzschmar und sein Vorgänger Alfons Meusert. So ganz ist die Ära Johannsen doch noch nicht vorbei. Der Pfarrer kündigte an, vertretungsweise bis zum 8. September (seiner Amtseinführung in Würzburg-Ost) noch Gottesdienste in St. Michael und Sackenbach zu halten.
Beim anschließenden Fest im Pfarrhof verabschiedete den Pfarrer ein Chor aus aktuellen und ehemaligen Ministranten musikalisch, unterstützt von Kantor Tyron Kretzschmar, mit einigen Hits, die auf Johannsen umgedichtet worden waren.

Das Abschiedsgeschenk seines Teams war eine große Lego-Packung mit einem Modell der Pariser Kirche Notre Dame, die sich Johannsen nach eigenen Worten schon einige Male angesehen, aber dann doch nicht gekauft hat. Für die musikalische Unterhaltung im Pfarrhof sorgten die Potato Kings mit Eduard Stenger und Bernd Werkmeister.