Seit 99 Jahren wird im Steinbruch auf dem Thüngener Forstberg Muschelkalk gewonnen. Der Abbau war nicht konstant, wurde von den jeweiligen Betreibern der Nachfrage angepasst. In manchen Jahren fand auch kein Abbau statt. Die Geschichte des Thüngener Steinbruchs beginnt am 15. Februar 1913.
An diesem Tag beschließt der Thüngener Marktgemeinderat, dass auf dem Forstberg mehrere Grundstücke an den Maurer Georg Benkert und seinen damals noch minderjährigen Sohn Josef Benkert II zum Zwecke des Steinbruchs verkauft werden sollen. Es handelte sich um die Grundstücke 4473 1/2 (Ödung) und 4479A (Ackerland) mit insgesamt 4240 Quadratmetern, Plan-Nr. 4479B (Ödung) mit 990 Quadratmetern und Plan-Nr. 4186 1/2 (Ackerland) mit 1530 Quadratmetern. Dazu gehört ein Wassergraben, der westlich vom Steinbruch verläuft. Nach der Flurbereinigung wurden die Grundstücke zur Plan-Nr. 4487 zusammengefasst.
Der Königliche Notar Christian Maltz vom Notariat Karlstadt bestätigt in der in deutscher Sprache handschriftlich abgefassten Urkunde Nr. 553 vom 18. April 1913 das Geschäft, das für den Markt Thüngen der damalige Bürgermeister Karl Müller unterzeichnet. Kaufpreis für das gesamte Gelände waren 150 Mark. Das entspräche heute in etwa 525 Euro.
Abbruch beginnt
In den Folgejahren nach 1913 begannen Georg und Josef Benkert II mit dem Brechen der Steine. Das Steinmaterial wurde auf Rollwagen mit schmaler Spurweite auf Gleisen an den Weg gefahren. Dort wurden die Steine von den Güterloren auf Fuhrwerke verladen. Auch der Abraum wurde mit den Loren bei Seite geschafft und zu Dämmen aufgeschüttet.
Der Steinbruch wurde vom Thüngener Bauunternehmer Christian Benkert (sein Vater war Josef Benkert II) bis nach dem zweiten Weltkrieg betrieben. Aus der Mode kam der Steinbruch, als dessen Sohn Kurt Benkert das Bauunternehmen übernahm. Zu viel Handarbeit und ein günstiges Angebot an industriell gefertigten Mauersteinen aus Beton, Kalksandstein, Bims und Ton waren die Gründe. Während dieser Zeit wurde der Steinbruch auch teilweise wieder mit Abraum verfüllt.
Auch zur Flurbereinigung im Jahre 1973 war der mittlerweile verstorbene Josef Benkert II noch als Eigentümer des inzwischen nahezu brach liegenden Steinbruchs im Grundbuch eingetragen. Da es im Laufe der Jahre mehrere Bürger mit dem Namen Josef Benkert in Thüngen gab, mussten die Rechte, Ansprüche und das Erbe des Steinbruchs geklärt werden. Der Steinbruch war auf Emilie Stamm, geb. Benkert, übergegangen, deren Vater auch Josef Benkert II hieß.
Edi Schwab und Jörg Ackermann erwarben den Steinbruch samt Wassergraben am 5. Januar 1975 von Emilie Stamm. Weitere angrenzende Grundstücke erwarben Schwab und Ackermann während der Flurbereinigung im Tauschverfahren mit dem Markt Thüngen. Am 10. Februar 2000 wurde Edi Schwab alleiniger Besitzer des Steinbruchs.
Bereits am 6. September 1973 hatte Edi Schwab von dem Stettener Maurermeister Rudolf Schmitt, der auf dem Forstberg einen weiteren Steinbruch betrieb, das angrenzende Grundstück „Ober der alten Kirche“ erworben. Auch diese Fläche mit 8010 Quadratmetern wurde mit dem Grund des anderen Steinbruchs vereinigt.
In den Jahren zwischen 1975 und 2004 wurden nur wenige Steine gebrochen. Nachdem Edi Schwab aber im Jahre 2004 vom Notariatsdienst in den Ruhestand gewechselt war, kam Bewegung in den Steinbruch. Muschelkalk war wieder in Mode gekommen. „Mit gebrauchten Maschinen habe ich den Steinbruch wieder freigebuddelt“, berichtet er. Die Thüngener Steine wurden für Mauerwerke, Trockenmauern, Teichbegrenzungen, Randbefestigungen, Steingärten und vieles mehr verwendet. Aus gesundheitlichen Gründen stellte er den Betrieb Ende 2008 größtenteils ein. Das Interesse an seinen Steinen ist jedoch geblieben. Deshalb möchte er demnächst wieder vermehrt Steine brechen.
Idee eines Badesees
Interessant ist auch die Geschichte um ein Grundstück, das sich am Fuße des Forstberges oberhalb der Wassertreppen befindet. Im Bereich der Wassertreppen verläuft auch eine gemeindeeigene Wasserleitung vom Poppenhäuser Brunnen zur Thüngener Wasserversorgung. Mitte der 70er Jahre hatte der damalige Bürgermeister Hanns Stilp die Idee, dort einen kleinen Badesee zu schaffen.
Stilp tauschte das Grundstück mit Schwab und Ackermann für den Markt Thüngen ein. Da jedoch zeitgleich auch Wohngebiete und die Schule gebaut wurden, scheiterte das Vorhaben aus finanziellen Gründen. Schwab und Ackermann erhielten das Nutzungsrecht für dieses Grundstück. Sie hatten sich im Gegenzug dafür verpflichtet, den sogenannten Skihang an der Geisleite nicht mit Waldbäumen zu bepflanzen, damit dort weiter Ski und Schlitten gefahren werden kann.
Am 28. Dezember 2004 pachtete Edi Schwab das Grundstück mit dem „geplanten Badesee“, um dort einen Lagerplatz für Steine, Sand und Schotter aus dem Steinbruch zu gründen. Der Badesee wurde nie geschaffen.
Die Wassertreppen wurden im Jahre 1893 von der Königlich Bayerischen Eisenbahn zum Schutz vor Unterspülung des Bahndammes errichtet und waren in den letzten Jahrzehnten unter Schlamm und Geröll vergraben. Edi Schwab legte die Wassertreppen vor wenigen Jahren aufwändig frei.
Bereits seit 1953 nutzen die Thüngener Jäger den Steinbruch teilweise als Schießstand zum jagdlichen Übungsschießen. Begonnen hatte dies mit einem einfachen Tontaubenstand, der in einem Bunker mit einer Handwurfmaschine betrieben wurde. Diese Einrichtung wurde durch einen Turbulenzautomaten ersetzt. Vor wenigen Jahren kam eine Anlage mit einem Kipphasen dazu. Der Metallhase saust auf einer Schiene durch den Steinbruch. Der Schießstand wird auch heute nur sporadisch genutzt. Trotzdem muss er alle drei Jahre einer sicherheitstechnischen Überprüfung stand halten. Die Überwachung nach dem Waffen- und Immissionsschutzrecht unterliegt dem Landratsamt.
Muschelkalk – ein 240 Millionen Jahre alter Stein
Muschelkalk ist eine Gesteinsart aus verschiedenen Schichten, die zu sehr großen Teilen aus Schalen und Muscheln besteht. Entstanden sind die Muschelkalkfelsen im mittleren Trias vor etwa 240 Millionen Jahren.
Es gibt fünf Muschelkalk-Varianten: Kernstein, Goldbank, Tengener, Rüdersdorfer und Blaubank. Im Thüngener Steinbruch kommt die Variante Blaubank vor. Muschelkalk gibt es in ganz Europa und ist in Deutschland sehr verbreitet. Weil er auch zerklüftet sein kann, wird er oft nur als Schotter oder Pflasterstein verwendet.
Anders der Muschelkalk, der rund um Würzburg gebrochen wird. Er kann als Werkstein und Mauerstein verwendet werden. Werksteine sind auf den sichtbaren Flächen bearbeitet, meist behauen. Muschelkalk kann unterschiedlichste Farben haben: Elfenbein, gelb, rosa, rötlich, grünlich, blau, braun, grau oder schwarz.
Der Blaubank-Muschelkalk (im Bild) vom Thüngener Forstberg ist überwiegend blau-grau und zählt zu den schönsten und härtesten Muschelkalkarten. Muschelkalk lässt sich gut bearbeiten, sägen und polieren, so dass er auch gerne für Steinbilder verwendet wird.