Familie und Beruf – Was für viele Menschen unvereinbar ist, funktioniert im Foto-Studio Müller seit 75 Jahren ganz wunderbar. In der Karlstadter Innenstadt arbeiten täglich drei Generationen einer Familie zusammen. Nun ist auch Tochter Tina Müller seit kurzem Fotografenmeisterin und hat zusammen mit ihrem Vater Jürgen Müller neue Pläne für das Fotostudio.
Bereits seit 75 Jahren existiert das Foto-Studio Müller, nicht immer trug es diesen Namen. 1973 übernahm Opa Erwin Müller das Studio von dem ehemaligen Inhaber Paul Meder. Seitdem ist es fest in der Hand der Familie Müller. Seit der Jahrtausendwende führt Vater Jürgen Müller als Fotografenmeister das Studio in der Innenstadt. Mitgearbeitet habe er aber schon, seit er 16 Jahre alt war, so Müller. Mit seiner Tochter Tina Müller steht nun eine dritte Generation der Familie in den Startlöchern, den Familienbetrieb in der Zukunft weiterzuführen.
In dieser Zeit hat sich einiges verändert: Nicht nur der Standort des Fotostudios wurde von der Schulgasse in die Hauptstraße verlegt, auch das Haus wurde vor fast 25 Jahren neu errichtet. Und auch das Handwerk hat sich verändert – wo Vater Müller noch in der Dunkelkammer mit Negativen hantieren musste, lernte die 26-jährige Tochter bereits, Künstliche Intelligenz sinnvoll in den Beruf zu integrieren. "Das Handwerk ist heute anspruchsvoller als damals", so Jürgen Müller. Man müsse inzwischen das ganze Konzept hinter einer Fotoserie mitdenken und umfangreicher arbeiten als früher, so der 57-jährige Fotografenmeister.
Begeisterung für das Handwerk
Tochter und Vater absolvierten ihre Ausbildung im gleichen Unternehmen – einer Fotoagentur spezialisiert auf Architektur- und Industriefotografie. Schließlich, da müssen beide schmunzeln, sind sie aber dann doch bei der Portraitfotografie gelandet: "Die Arbeit mit Menschen gefällt mir einfach mehr. Egal ob mit groß oder klein – es ist immer sehr spannend", so Tina Müller. Vater Jürgen Müller kann sich dem nur anschließen und betont, wie wichtig es ist, die Menschen so abzubilden, wie sie tatsächlich sind. "Bei einem Familienportrait sehe ich oft, dass Familienmitglieder sich ganz anders verhalten oder anders hinstellen als sie es eigentlich tun würden". Das zu erkennen und authentische Portraits abzubilden, bringe ihm einen großen Teil der Freude an seiner Arbeit, so Müller. Die Begeisterung für sein Handwerk steht ihm ins Gesicht geschrieben – und dennoch betont er: "Für unseren Beruf muss man wirklich brennen – denn reich wird man damit nicht".
Gelegentliche Abstriche im Privatleben
Keine festen Arbeitszeiten, flexible Einsatzbereitschaft an Wochenenden, Abenden, gelegentlich auch mal zu Sonnenaufgang oder –untergang seien Teil des Berufsbildes, so Tina und Jürgen Müller. Das führe gelegentlich auch zu Abstrichen im Privatleben. Aber das alles, das sieht man den beiden an, ist es ihnen Wert. Und dennoch – das Kunsthandwerk leidet schon seit einigen Jahren und Jahrzehnten. Der Wert einer Fotografie sinke stetig, so Jürgen Müller. Er erinnert sich an eine Aktion vor über 20 Jahren, die unter dem Motto "Zahle, was du willst" die Käuferinnen und Käufer dazu einlud, selbst zu entscheiden, welchen Geldwert sie einer Fotografie beimessen. "Bereits damals wäre der Preis eigentlich doppelt so teuer gewesen wie das, was bezahlt wurde", so der 57-Jährige.
Familie versucht, mit der Zeit zu gehen
Auch deshalb versucht die Familie, stetig mit der Zeit zu gehen und auch das Konzept ihres Ladens dementsprechend anzupassen. Wo früher noch Kameras, Bilderrahmen und allerlei Ausstattung verkauft wurden, werden heute Passbilder produziert und Portraits geschossen. Doch nun steht eine weitere Veränderung an. Die Ladenfläche im Erdgeschoss wird zum Ausstellungsraum umfunktioniert, wobei die Räume im Obergeschoss als Fotostudio und Büroräume genutzt werden sollen. Das spare in erster Linie Energiekosten, so Müller. Auch die Öffnungszeiten des Fotostudios in der Karlstadter Innenstadt werden sich ändern, denn künftig wird das Studio ausschließlich für Termine öffnen.
Die Dunkelkammer ist zurück
Lediglich am Donnerstag und Freitag hatte das Studio in der Innenstadt in Karlstadt noch für Laufkundschaft geöffnet. Nun sollen auch diese beiden Tage wegfallen, denn auch die Familie Müller spürt die langsam aussterbende Innenstadt in Karlstadt: "Es ist schade, dass in der Innenstadt so wenig los ist", so Jürgen Müller. Er selbst habe diese Veränderung bereits vor der Corona-Pandemie gespürt. Doch seit Maskenpflicht und Abstandsgeboten habe sich die Situation immer weiter verschlechtert. Ebenso empfindet Müller die Parkplatzsituation in der Innenstadt als Belastung. Durch die entfernten Parkplätze am Main schaue fast keine Kundin oder Kunde mal ebenso spontan im Studio vorbei, da der Weg oft zu lange ist, so der 57-Jährige.
Doch trotz dieser Veränderungen soll sich nichts am grundlegenden Betrieb des Fotostudios ändern. Da ohnehin die meisten Besucherinnen und Besucher seit der Corona-Pandemie mit Terminvereinbarung im Fotostudio vorbeischauten, sei dies keine große Veränderung, so Jürgen Müller. Für die Zukunft hat Tina Müller zusammen mit ihrem Vater außerdem noch viele Ideen. Ein kleiner Traum sei das Wiederaufleben der Dunkelkammer und eine Rückkehr zur analogen Fotografie, so die Fotografenmeisterin in dritter Generation.