
Wenn von einem Tag auf den anderen die eigene Vergangenheit in Trümmern liegt und die Zukunft ungewiss ist, braucht es mehr als Mut und Kraft. Es braucht vor allem Hoffnung – und Menschen, die diese Hoffnung verkörpern. Menschen, die handeln, ohne lange zu zögern. Menschen, wie die Helfer der "Initiative Helmstadt für das Ahrtal".
Die Flutkatastrophe im Juli 2021 hat das Ahrtal unwiderruflich verändert. Häuser, Existenzen und Lebenswerke wurden von den Wassermassen zerstört. Noch heute kämpfen viele Betroffene mit den Folgen der Katastrophe, und obwohl vieles wieder aufgebaut wurde, bleiben die seelischen Wunden.

Im November 2024 endete nach über drei Jahren der letzte reguläre Einsatz der Initiative Helmstadt für das Ahrtal. Mit Tränen in den Augen verabschiedeten sich die Helfer von der Familie Gies in Dernau, ihrem letzten Einsatzort. Die Verbindung zu den Menschen im Ahrtal bleibt, aber die intensive Arbeit vor Ort ist beendet.
Die Helfer aus Helmstadt: Ein Beispiel für Solidarität
Seit den ersten Tagen nach der Flut waren die Frauen und Männer aus Helmstadt unermüdlich im Einsatz. Sie beseitigten Schlamm, rissen Wände ein, bauten Häuser wieder auf – Zimmer für Zimmer. Insgesamt leisteten die Helfer mehr als 3500 Arbeitsstunden vor Ort und weitere 3400 Stunden für die Organisation von Hilfsgütern, Spenden und verschiedenen Veranstaltungen wie die vielen Ahrtal-Kaffees oder Basare zu Gunsten des Ahrtals in Helmstadt. Es wurden Lebensmittel gesammelt und Geschenke gebastelt für die ersten Weihnachtspäckchen, verpackt und verteilt.
"Die Helmstädter waren für uns wie Engel", sagt Marion Gies aus Dernau. Ihre Familie verlor nicht nur ihr Zuhause, sondern auch den Zimmerei- und Schreinereibetrieb, den sie gemeinsam mit ihren drei Söhnen führten. "Wir standen vor den Trümmern unseres Lebenswerks", erinnert sich Marion Gies. Doch aufgeben war keine Option. Heute stehen die Werkhallen wieder, und die Renovierung der Wohnhäuser schreitet voran – ein mühsamer, aber hoffnungsvoller Weg zurück zur Normalität. "Wir haben so vieles unwiederbringlich verloren, dass es noch heute schmerzt", berichtet Marion Gies

Um schneller und effizienter helfen zu können, kaufte die Initiative mit einem Sponsoring einen Transporter. Der Bus diente dazu, Helferinnen, Helfer und Hilfsgüter direkt ins Katastrophengebiet zu bringen. Er war in den letzten zwei Jahren unverzichtbar für die Einsätze und wird nun, mit dem Ende der regelmäßigen Arbeitseinsätze, verkauft. Der Erlös fließt in soziale Projekte im Ahrtal und setzt die Kette der Unterstützung fort.
Hoffnung im Angesicht der Zerstörung
Die ersten Monate nach der Flut waren geprägt von Chaos und Hilflosigkeit. "Ohne die ehrenamtlichen Helfer wären wir im Schlamm erstickt", sagt Michael Thiel aus Dernau, der selbst Betroffener war und dennoch die Koordination der Hilfsaktion übernahm. Die Initiative aus Helmstadt brachte nicht nur Hilfsgüter, sondern auch Zuversicht ins Ahrtal.

Zu den "Männern der ersten Stunde" gehörten Gerald Wiegand und Elmar Bauer, die die Arbeitseinsätze planten und organisierten. Mehr als 50 Mal fuhren sie mit Helferinnen und Helfern ins Katastrophengebiet, am Anfang mit privaten Fahrzeugen oder geliehenen Transporter von Firmen aus der Region. Dabei konnten sie auf ein Handwerker-Team von gut 20 Personen zurückgreifen. Elektriker, Maurer, Fliesenleger, Verputzer und Monteure, die je nach Projekt über die vielen Monate immer wieder mit ins Ahrtal gefahren sind. Neben der körperlichen Arbeit wurden über 70.000 Euro gesammelt und zu 100 Prozent an die Betroffenen weitergegeben.
"Wir haben geholfen, wo Hilfe gebraucht wurde – mehr nicht", sagt Elmar Bauer bescheiden. Doch die Zahlen und Geschichten zeigen: Es war viel mehr. Es war Hoffnung, die in Taten sichtbar wurde. "Wir sind stolz auf unsere Initiative! Stolz, dass wir über drei Jahre da geholfen haben, wo nur noch wenige die Notwendigkeit dafür gesehen haben", ergänzen Carmen Lieblein und Julia Wiegand. Kerstin Bauer hat zusammen mit Tanja Lober und vielen anderen Helferinnen und Helfern die Organisation in Helmstadt übernommen. Ideen umgesetzt und unermüdlich Sach- und Geldspenden gesammelt.

Es sind Männer wie Reinhard Gabel, Felix Dinkel, Martin Bauer und Philip Bauer, die anpackten, wenn Hilfe nötig war. Bei allen Hilfseinsätzen wurden die Fahrtkosten selbst übernommen, darüber reden, wollen die Verantwortlichen nicht. Denn Nächstenliebe und Solidarität leben, braucht nur ein Dankeschön und nicht viele Worte.
Eine Mahnung für die Zukunft
Die Flut hat nicht nur die Landschaft des Ahrtals verändert, sondern auch das Vertrauen in die versprochene "unbürokratische" Hilfe erschüttert. "Die Regierung hat uns im Stich gelassen", kritisiert Michael Thiel. Die Versäumnisse der Politik machen die Solidarität von Freiwilligen wie denen aus Helmstadt umso bedeutsamer. Thiel berichtet auch von ominösen Firmen, die ihre Hilfe den Betroffenen angeboten hätten, Anzahlungen kassiert und nie auf den Baustellen erschienen seien. Er berichtet von Firmen, die schlechte Arbeit für teures Geld geleistet hätten und dann von der Bildfläche verschwunden seien. Die Menschen hatten schon viel verloren und wurden dann auch noch Opfer von Betrügern. "Geht es noch schlimmer?", fragt der Dernauer.
Bei einem Abschiedsspaziergang entlang der Ahr besuchten die Mitglieder der Initiative die neu errichtete Flutkapelle (Hl. Donatus Kapelle) und das Flutmuseum von Michael Lang – stille Mahnmale, die an die Zerstörung und die Kraft der Gemeinschaft erinnern.

Die Menschen im Ahrtal werden noch Jahre brauchen, um ihr Leben wieder aufzubauen. Aber eines bleibt: die Dankbarkeit für diejenigen, die Hoffnung möglich gemacht haben. Die Helmstadter Initiative Helmstadt für das Ahrtal wird sich nach dem Verkauf des Transporters auflösen, was bleibt ist die Freundschaft zu den Menschen im Ahrtal.