Wäre es eine Hochzeit, in der zwei Seiten eines Flusses eine Verbindung eingehen, dann wäre es die „Diamantene“: Die Mainbrücke in Lengfurt, so wie sie derzeit existiert, wurde vor 60 Jahren ihrer Bestimmung übergeben.
Es wäre aber eine Wiederverheiratung, denn es ist schon 110 Jahre her, dass in Lengfurt eine Straßen-Brücke über den Main gebaut wurde. Im Jahr 1901 hatte die Zementfabrik „Wetterau” in Lengfurt ihre Produktion aufgenommen, die Zementproduktion hatte unter anderem einen wachsenden Verkehr über den Main zum Bahnhof Trennfeld an der Bahnstrecke Lohr-Wertheim zur Folge, der durch die existierende Mainfähre in Lengfurt nicht zu bewältigen war.
Früher Brückenzoll erhoben
Die Brücke wurde ab dem Frühjahr 1903 errichtet und im Juni 1904 feierlich eingeweiht. Der Überbau, von der Maschinenbaugesellschaft Nürnberg errichtet, zählte in den ersten Jahren zu den am weitest gespannten Brücken in Bayern. Die Baukosten von rund 300 000 Mark musste größtenteils die Gemeinde Lengfurt tragen, weshalb bis zum 1. März 1942 für die Benutzung ein Brückenzoll zu entrichten war. Man hatte zu diesem Zweck auch ein Brückenhäuschen gebaut, das erst beim Bau der Ortsumgehungsstraße 1971 abgerissen wurde. Man hatte sich zu dieser Zeit um Denkmalschutz eher weniger Gedanken gemacht.
Das Ende der ersten Lengfurter Brücke kam im letzten Kriegsjahr des Zweiten Weltkriegs . Am Karsamstag, dem 31. März 1945, sprengten deutsche Truppen das Bauwerk und zerstörten es komplett. Die Sprengung war so gewaltig, dass mehrere Dutzend Häuser im Altort Lengfurt Schaden nahmen. Die Chronik von Lengfurt spricht von einem Gesamtschaden von damals 31 325 Mark.
Die Schifffahrt war bis Juni 1945 nicht möglich, da die Brücke in den Main gestürzt war. Wenigstens die Lausbuben im Dorf fanden in der Brücke ihren – natürlich verbotenen – Abenteuerspielplatz. An einen Wiederaufbau der Brücke war vorerst nicht zu denken, die Mainfähre nahm an alter Stelle wieder ihren Betrieb auf.
Die Notwendigkeit für den Neubau dieser Brücke führte aber dazu, dass schon ab 1947 ernsthafte Bemühungen der Gemeinde Lengfurt für den Neubau unternommen wurden: beim Landratsamt Marktheidenfeld, bei den Abgeordneten des Bayerischen Landtags und beim Staatsministerium in München.
Zuständigkeits- und Planungswirrwarr folgte. Im September 1952 erteilte der Kreistag einstimmig die Baugenehmigung, bei geschätzten Baukosten von 850 000 Mark. Lengfurt musste 75 000 Mark tragen, das Zementwerk übernahm 175 000 Mark. Im Sommer 1953 begannen die Bauarbeiten. Am 20. November 1954 erfolgte um 10 Uhr die feierliche Einweihung durch einen Festakt. Es war eine große und aufregende Feier, alle waren dazu auf den Beinen, und Bernhard Kohlhepp aus Lengfurt (damals acht Jahre alt) reimte jüngst im Rückblick: „Es gab Stolle vom Bäcker Sauer und Wurst vom Otto Fech, und wer zu spät kam, der hatte halt Pech.“ Otto Fech betrieb bis in die 60er Jahre das Gasthaus „Zum Goldenen Stern“ mit Metzgerei am Marktplatz Lengfurt.
Dankesschreiben an Brauerei
Horst Przyklenk (Lengfurt) erzählt, er war unter einer ganzen Schar Schulkinder, die artig von Homburg mainaufwärts zur Lengfurter Brücke gewandert war, und Wurst und „Stölleli“ hätten unglaublich gut geschmeckt. Flüssiges gab es auch, wie zwei „Freibier“-Dankesbriefe des damaligen Bürgermeisters an die Martinsbräu und die Brauerei Lutz in Kreuzwertheim bezeugen.
Die Segnung der Brücke nahmen Domkapitular Theodor Kramer und der Lengfurter Pfarrer Josef Kraft vor, und an die musikalische Gestaltung erinnert sich schmunzelnd Franz Seitz aus Lengfurt: „Wir vom Gesangverein Liedertafel sangen ,Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre‘ und dann spielte die Musikkapelle Hartmann aus Wertheim als nächstes das gleiche Lied noch einmal.“
Nach der Ansprache durch einen Vertreter der Staatsregierung hielten Regierungspräsident Josef Hölzl und der Lengfurter Bürgermeister Erich Schulze eine Ansprache. Und selbstredend wurde im Saalbau der Dr.-Kirchhoff-Stiftung mit einem Konzert und Tanzabend anschließend weitergefeiert.
Spannbeton-Hohlbrücke
Zwei Begründungen unterstrichen 1946 die Notwendigkeit des Brückenbaus: Bei der Sprengung war die Wasserleitung beschädigt worden und die Industrieansiedlungen (Zementwerk, Konservenfabrik) benötigten dringend die Verbindung zum Spessart, vor allem bei Hochwasser und Eisgang. Aber auch rechtsmainisch gab es zwei Sägewerke; diese benötigten Holz, das von Lengfurt aus transportiert werden musste, und den Wasseranschluss.
Ständige Planänderungen und Finanzierungs-Unklarheiten, vor allem die Kostenübernahme der Räumung der eingestürzten Brücke und des zu entfernenden Metallschrotts, verzögerten den schon im Februar 1948 in Auftrag gegebenen Bau. Anfangs hatte man sogar eine Abzweig-Bahntrasse zum Portland-Zement-Werk über die Brücke führen wollen. Homburg und Rettersheim lehnten wegen ihrer schlechten finanziellen Lage einen Zuschuss kategorisch ab, Trennfeld sagte 40 Kubikmeter Holz zu.
Die Brücke ist eine Spannbeton-Hohlbrücke. Die Pfeiler wurden neu errichtet, die alten Widerlager im Gründungsbereich wurden teilweise wieder verwendet. Die Konstruktion weist laut Wikipedia drei Felder mit einer Gesamtstützweite von 155 Metern auf. In den Außenfeldern beträgt die Stützweite 46,5 Meter und das Hauptfeld spannt 62 Meter weit. Gesamtbreite: 8,60 Meter, Tragfähigkeit 45 Tonnen. text: ay