
Im ersten Teil zum 30-jährigen Krieg im Landkreis standen weitgehend Karlstadt und die umliegenden Dörfer im Mittelpunkt. Schließlich war die genau dreijährige Besatzungszeit von 1631 bis 1634 durch die schwedischen Truppen ein massiver Einschnitt, der in der Geschichte der Stadt seine Spuren hinterlassen hat, auch wenn die Zahl der Kriegstoten hier recht überschaubar war. Womöglich war das auch das Ergebnis eines klugen Taktierens des Bürgermeisters und seines Stadtrats.
Zu den Ereignissen in Lohr schreibt der dortige Geschichtskenner Wolfgang Vorwerk: "Die Stadt war in den ersten zehn Jahren des Krieges kaum betroffen, es gab allenfalls ein paar Truppendurchzüge. Das änderte sich mit dem Eingreifen Gustav Adolfs. Ab 1631 wurde Lohr in kurzen Abständen immer wieder abwechselnd von schwedischen und kaiserlichen Truppen besetzt und ausgeplündert. So kampierten im Oktober 1631 etliche tausend Soldaten des kaiserlichen Feldmarschalls Gottfried Heinrich Graf von Pappenheim auf dem Valentinusberg. Sie blieben im weiteren Verlauf des Krieges nicht die Einzigen. Am 18. und 19. März 1632 logierte König Gustav Adolf im Lohrer Schloss in Begleitung des "Winterkönigs" Friedrich V. von der Pfalz. Sie brachten 20 000 Mann Fußvolk und 8000 Reiter mit, also das Vielfache der Lohrer Einwohnerzahl."
Zum Krieg kam in Lohr die Pest
Getreu dem damals geltenden Motto "Der Krieg ernährt den Krieg" mussten die Lohrer für deren Verpflegung aufkommen – und dabei war es völlig egal, ob es sich um kaiserliche oder schwedische Truppen handelte. Während in den Karlstadter Chroniken nur Diffuses über Krankheiten steht, kam in Lohr noch die furchtbare Begleitung des Kriegs dazu: die Pest. Von August bis Dezember 1632 wütete sie hier, vermutlich von den Soldaten eingeschleppt. An ihr, an den Kriegseinwirkungen und am Hunger starben bis 1639 rund zwei Drittel der Lohrer Einwohner.

Bis zum Ende des Krieges 1648 gab es trotzdem immer noch weitere Einquartierungen und Plünderungen; dazu musste die Stadt zeitweilig auch noch die Einwohner der Spessartgemeinde Frammersbach aufnehmen, die von einer schwedischen Garnison in Hanau aus immer wieder schwer bedrängt wurde, wie der Lohrer Geschichtsforscher Karl Anderlohr berichtet.
Ein weiteres Drangsal kam auch aus dem westlichen Nachbarland. Das katholische Frankreich unter Minister Kardinal Richelieu hatte Schweden bei seinem Krieg, der ja angeblich für die protestantische Sache geführt wurde, finanziell unterstützt und griff in der späteren Phase auch militärisch ein. So hatte der französische Marschall Turenne im Sommer 1647 zwölf Tage lang sein Hauptquartier in Lohr. Für die Einwohner war das erneut mit schweren Belastungen verbunden. Sie mussten "Franzosengeld" bezahlen.
Höchst interessant, aber wenig bekannt, ist die Sternschanze von Frammersbach. Auch das Spessartdorf musste wechselnde Besatzungen erleben. Die Schweden vertrieben die kaiserlichen Truppen unter General von Pappenheim. Und nach dem Tod von Gustav Adolf bei Lützen im November 1632 gewann wieder die katholische Seite die Oberhand. Bei einem Ausfall des Schwedengenerals Ramsay rückten seine Truppen bis Frammersbach vor, wobei bei einer Schlacht um die 600 Mann (sogenannte Kroaten) fielen und 300 Pferde sowie 400 Stück Vieh geraubt wurden. Noch heute gibt es hier die Flurnamen "Schwedles".

Bedeutsamstes Zeugnis in Frammersbach ist die "Sternschanze", die Christian Büdel im Herbst 2017 entdeckt hat. Der Geograf erkannte auf den aus dem sogenannten Airborne Laserscan gewonnenen Reliefdarstellungen die sternförmige Wehranlage aus dem Dreißigjährigen Krieg. Sie liegt am Frammersbacher Ortsausgang Richtung Flörsbachtal auf einem Geländesporn oberhalb der Waldschlossbrauerei. Sie hat einen Durchmesser von 45 Metern und eine Innenfläche von etwa 400 Quadratmetern. Sie bot Platz für rund 130 Soldaten und ihre Feuerlinien maßen achteinhalb Meter. Bislang ist allerdings nicht geklärt, ob die kaiserlichen oder schwedischen Truppen diese Schanze angelegt haben.

Auch in Arnstein hat der Dreißigjährige Krieg seine Spuren hinterlassen. Selbst im kleinen Stadteil Büchold hausten die Landsknechte im dortigen Schloss. Als der Schwedenkönig Gustav Adolf im Oktober 1631 Arnstein besetzte, überfiel und plünderte ein schwedisches Kommando den Ort. Unter anderem wurden dort 16 Kanonen geraubt. Nicht besser waren in der Folge die Belastungen durch die Kaiserlichen. Zwei kroatische Reiterregimenter des gefürchteten Reitergenerals Graf Isolani nahmen hier im September 1634 Quartier und stahlen die Vorräte einschließlich des Saatguts.
Über die Stadt Arnstein berichtete Eugen Schmitt 1981 im Katholischen Sonntagsblatt. Hier tauchten die ersten Soldaten schon im Januar 1620 auf, als sich 250 Reiter ("spanisches Volk") des Bayernherzogs in Binsfeld, Halsheim und weitere 200 in Müdesheim einquartierten. Ein ganzes Regiment "verdysch Kriegsvolk" besetzte im Mai 1627 Stadt und Umland. Die Chronik berichtet darüber: "Allhier haben sie die Armen unterthan übel mit schlagen und theilß traktiert und gelt rationirt und sonsten die leuth ziemlich betrengt."
Im Oktober 1631 wollten sich die Arnsteiner zunächst wehren und wiesen die erste schwedische Vorhut am Bettendorfer Tor ab. Aus Rache schlugen die Landsknechte die Türe der Sondheimer Wallfahrtskirche ein und plünderten das Gotteshaus. Als weitere 250 Reiter hinzukamen, mussten die Tore geöffnet werden. Trotz einer Ablöse von 1200 Reichstalern "terrorisierten die Angreifer die Einwohner durch Misshandlungen und Vergewaltigungen". Alle zehn Tage kamen andere Truppen durch und hausten entsprechend. So konnte unter anderem die gute Weinernte im Werntal nicht eingebracht werden.
Gustav Adolf war in Arnstein
Hoher Besuch, auf den die Arnsteiner wahrscheinlich gerne verzichtet hätten, kam am 19. März. Der Schwedenkönig Gustav Adolf kam mit Gemahlin im Gefolge von 1000 Personen, darunter dem König von Böhmen und viele Fürsten. In dieser Zeit war das Werntal ständig Durchmarschgebiet von Truppen und jede Einheit saugte die Dörfer aus. Am Ende lebten in Arnstein nur noch 40 Menschen.
Welche Folgen hatte nun der "Große Krieg" für das Land – im Anschluss und bis heute? In den Frammersbacher Annalen wird berichtet, dass ein Großteil der Bevölkerung für anderthalb Jahre wegen der ständigen Bedrohungen nach Lohr geflüchtet sei und die Menschen dann doch "wieder zurück seien und haben ihre Felder mit wenig Sommerfrucht bestellt, um nicht mit Weib und Kindern Hungers sterben zu müssen… Einige, welche Hungers halber nicht mehr arbeiten konnten, starben in der Tat an Hunger. Die Frammersbacher hatten vordem 300 Pferde ohne das Zugvieh, welches aber alles hingenommen wurde. Im Jahre 1637 mussten sie die schwere Feldarbeit selbst verrichten..." Viele Häuser standen im Anschluss lange leer und unbewohnt. Die Einwohnerzahl von Frammersbach lag zu Beginn des Krieges bei 1500, übrig blieben 500.
Im ganzen Land hatten, so schätzen Historiker, rund 40 Prozent der Gesamtbevölkerung das Leben verloren, in manchen Gebieten waren es bis zu 70 Prozent. Die Verluste in den Städten waren meist geringer als auf dem Land. Dazu kamen noch die zerstörten Häuser und Gehöfte, die brachliegenden Felder und die verloren gegangenen Erntevorräte. Allein Karlstadt hat rund 100 000 Reichstaler an Kosten errechnet. Insgesamt könnte man sagen, dass die deutschen Lande um mindestens 100 Jahre zurückgeworfen worden sind.
Rücksichtslose Aggression
Nicht vergessen darf man das seelische Trauma der Menschen im Reich. Was anfangs ein Religionskrieg schien, war letztendlich nichts als rücksichtslose Aggression, Macht und das Streben nach Hegemonie der Nachbarstaaten auf Kosten der Menschen im Zentrum Europas. Das hoffnungslos zersplitterte Deutschland war politisch bedeutungslos geworden und brauchte fast 200 Jahre, um zur staatlichen Einheit zu gelangen und auf Augenhöhe mit den inzwischen etablierten Nationalstaaten zu kommen. Dass sich dabei gravierende Fehlentwicklungen wie die unselige "Erbfeindschaft" mit Frankreich und der maßlos übersteigerte Nationalismus entwickelten, mag keine Entschuldigung sein, aber dennoch zu Erklärung gereichen.
Quellen: Karl Anderlohr und Wolfgang Vorwerk (Lohr), Eugen Schmitt und Günther Liepert (Arnstein), Burkard Büdel (Frammersbach).
Zum Autor: Günter Roth war langjähriger Lehrer im Werntal und ist mit der Heimatgeschichte vertraut. Er ist zudem stellvertretender Vorsitzender der Geschichtsfreunde Stetten.
Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter www.mainpost.de/geschichte_mspL.