
Ein trockener Wein passt zu trockenen Leut'“, sagte Ralf Schwarz, Pächter des Weinberges unterhalb der Scherenburg. Er sprach vom Gemündener Scherenbergwein, den er am Dienstagabend offiziell am Weinberg, zwischen Scherenburg und Kulturhaus, geladenen Gästen vorstellte.
Seit Mai 2015 gepachtet
Gepachtet hat der Winzer das Grundstück, 1650 Quadratmeter mit Silvanerreben bestockte Rebfläche, seit 2015. Gelesen wurde am 26. September und im Mai wurde der Wein zum ersten Mal verkostet. Der Ausbau des Weins erfolgte in drei Varianten, erklärte der Diplom-Ingenieur für Weinbau und Önologie. Eine Variante ist in einem Barriquefass gereift, eine andere in einem Edelstahlfass und die dritte auch in einem kleinen Holzfass. Zur Verkostung brachte der Winzer die vierte Variante mit, den Scherenbergwein – im Prinzip eine Komposition aus allen Ausbauvariationen, erklärte Ralf Schwarz die Kellerarbeit.
800 Liter Most war der Ernteertrag im September. Diese wurden ausgebaut und ergaben 1000 Bocksbeutelflaschen Scherenbergwein. Zwölf Volumenprozent Alkohol, 6,2 Gramm Säure pro Liter und 6,8 Gramm Restzucker pro Liter und 73 Grad Oechsle, das sind die Qualitätseckdaten.
Duft nach Apfel, Gras und Lakritze
Die Fachsprache der Winzer ist sehr blumig, erläuterte der Winzer. So beschreibt er den Geruch des Weines mit zarten Noten vom grünen Apfel, frisch geschnittenem grünen Gras, frischen Wiesenkräutern, fein holzig und ein wenig nach Lakritze duftend. Der lehmige Sandboden, die relativ kühle Süd-West-Lage, die optimale Sonnenausrichtung und vor allem die Wölbung des Hanges – ähnlich wie die eines Parabolspiegels, mit der Wärme optimal gespeichert werden kann – seien maßgeblich für die Qualität der Reben.
Schwarz weiß, wovon er redet, schließlich wurde ihm das Weinhandwerk quasi von den Eltern in die Wiege gelegt.
Kellermeister in der Pfalz
Nach seiner Ausbildung und dem Studium war er Kellermeister und stellvertretender Betriebsleiter eines Weingutes in der Pfalz und trug Verantwortung für den Inhalt von vier Millionen Weinflaschen pro Jahr, erzählt der Winzer. Nun arbeitet er in der staatlichen Weinüberwachung; die eigene Weinherstellung ist sein Nebenjob.
Weinanbau hat Tradition in Gemünden. Stadtkämmerer Robert Lampert recherchierte intensiv und fasste das Ergebnis in einem kleinen Vortrag zusammen. Demnach kann man den Weinanbau bis circa 1580 zurückverfolgen, damals stellte ein Kartenzeichner aus Frankfurt schon die Weinberge in Gemünden dar. Zum ersten Mal wurde das Gebiet um die Scherenburg 1845 kartografisch erfasst, auch ein Bild aus dem 19. Jahrhundert zeigt die Scherenburg umgeben von Weinreben.
Nach Angaben des Stadtkämmerers umfasste das Reben-Arial in Gemünden im 19. Jahrhundert circa 75 Hektar, um die Scherenburg herum bis hin zum Kloster. Damals hatte Gemünden circa 1500 Einwohner, das bedeutet, jeder Einwohner hatte in irgendeiner Art und Weise mit dem Weinanbau zu tun, so lautet Lamperts Schlussfolgerung. Wer mit offenen Augen durch die Stadt gehe, sehe noch viele Relikte, die von diesem Nebenerwerb der damaligen Einwohner zeugten.
Silvaner statt Müller-Thurgau
Im Laufe vieler Jahre und nicht zuletzt in der Zeit der zwei Weltkriege ist der Weinbau immer mehr in den Hintergrund getreten, führte Robert Lampert weiter aus. Erst 1984 wurden 0,215 Hektar Weinberg wiederbepflanzt und das mit 925 Pfropfreben der Sorte Müller-Thurgau. Die erste Weinlese am 8. Oktober 1986 ergab 600 Liter Mostausbeute. In den darauf folgenden Jahren wechselten die Pächter dieses Anbaugebietes, einer davon veranlasste 2006 die Rodung der Müller-Thurgau-Reben, stattdessen ließ er Silvaner-Reben pflanzen. Seit Mai 2015 hat Ralf Schwarz den Weinberg gepachtet, schloss der Kämmerer seine Ausführungen.
Auch Bürgermeister Jürgen Lippert ging auf die Bedeutung dieses Weines ein, denn er stellt nach seiner Meinung „einen kleinen Mosaikstein im Konzept des Stadtmarketings und der Stadtidentität“ dar. Er sei froh, nun bei Jubiläen ein Geschenk überreichen zu können, das den Namen der Stadt Gemünden trage und nicht etwa den Namen eines Weingutes aus den benachbarten Ortschaften, erklärte der Bürgermeister. Auf musikalische Art würdigten Edgar Weippert und Friedrich Dornauer den Wein mit Trinkliedern, die die Gäste zum Singen bewegten.
Der Wein ist in der Tourist-Info der Stadt Gemünden für 6,80 Euro zu erstehen oder direkt bei Winzer Ralf Schwarz in Gräfendorf.