Wohl dem, der ein Vereinsheim hat: Chöre und Orchester sind auf der Suche nach großen Probenräumen, um die Corona-Auflagen zu erfüllen. 200 Euro hat die Stadt Lohr vom Chor Inspirations für einen Probenabend in der Alten Turnhalle verlangt. Für das Wombacher Ensemble ist das unerschwinglich, weil es zurzeit keine Auftritte und damit keine Einnahmen hat.
Der Chor Inspirations umfasst nach Angaben von Vorstandsmitglied Doris Illig fast 50 Personen. Unter Corona-Bedingungen sei die bislang zum Proben genutzte alte Schule in Wombach viel zu klein. Denn die Sängerinnen und Sänger müssten nach den geltenden Bedingungen zwei Meter Abstand zum nächsten Ensemblemitglied halten und versetzt stehen.
Die Plätze müssten markiert sein. Nach 20 Minuten Singen müsse zehn Minuten lang quergelüftet werden. Die großen Räume in Wombach, wie das Vereins- und das Jugendheim, seien von anderen Musik- und Sportvereinen belegt. Im Jugendheim bekomme man gerade noch den 15- bis 20-köpfigen Jugendchor unter.
Alle 14 Tage Probe
Weil Inspirations in den vergangenen Jahren in der Alten Turnhalle aufgetreten sei, sei man auf die Idee gekommen, auch wegen der Proben – alle 14 Tage eineinhalb Stunden – anzufragen, berichtet Illig. Sie sei vom Chor beauftragt worden, sich mit dem Kulturamt in Verbindung zu setzen. Zunächst sei sie vertröstet, dann zurückgerufen worden: Für 200 Euro am Abend könne der Chor in die Alte Turnhalle. "Das können wir uns nicht leisten, das geht massiv ins Geld", sagt Doris Illig. Der Chor wäre bereit gewesen, für die Strom- und Heizkosten aufzukommen, aber 200 Euro Miete seien zu viel. Das Ensemble müsse drei Chorleiter bezahlen. Eine Probenmöglichkeit bestünde noch in der Wombacher Kirche, aber die Akustik sei dort nicht optimal und das Gotteshaus ungeheizt.
Der Vorstand befürchtet laut Illig, dass der Chor auseinanderfällt. Denn viele Mitglieder wollten gerne wieder singen. Man verstehe nicht, dass die Stadt kein Entgegenkommen beim Preis zeige – schließlich herrschten wegen Corona besondere Umstände – und sich auf die Gebührensatzung zurückziehe.
Die Alte Turnhalle sei bis Jahresende komplett ausgebucht, informiert auf Anfrage Rathaussprecher Dieter Daus. Eine dauerhafte Belegung zur Probe, »auch wenn wir dies gerne unterstützen würden, können wir deshalb nicht leisten«. Natürlich müsse sich die Stadtverwaltung an die vom Stadtrat beschlossene bestehende Satzung halten: "Eine Ortsrechtssatzung ist ein Gesetz im materiellen Sinn."
Alles ausgelastet
Die größeren Räumlichkeiten seien begrenzt und entsprechend ausgelastet. Nicht zuletzt durch städtische Veranstaltungen, die zu normalen Zeiten in anderen Räumen stattfinden würden. Die vorhandenen Räume reichen nach Daus' Darstellung »derzeit für die Bedarfe der Stadtverwaltung kaum aus« – etwa für die Volkshochschule.
Die Stadt Lohr unterstütze ihre Kultur- und Sportvereine mit einem jährlichen Barzuschuss von rund 123000 Euro, rechnet der geschäftsleitende Beamte vor. Darüber hinaus übernehme sie für rund 102000 Euro anteilig Hallenkosten für Sportvereine. Diese 225000 Euro seien eine freiwillige Leistung für die Vereine. Auch das Rathaus bedauere es sehr, "dass einzelne Lohrer Vereine coronabedingt ihre Proben beziehungsweise Trainingsstunden nicht im gewohnten Maß durchführen können", betonte Daus.
Kostenlos in Partenstein
In Partenstein hat die Gemeinde die Gewerbehalle (ehemals Schuh-Schantz/Stilsicher) gekauft, dort proben Chor und Musikverein. Zahlen müssen sie dafür nichts. "Wir verlangen nichts, das ist unsere Corona-Hilfe für die Vereine", berichtet Bürgermeister Stephan Amend auf Anfrage.
Wie geht es anderen Ensembles? Der Chor Da Capo Lohr probte nach Angaben der Vorsitzenden Lydia Albert bislang montags im Sackenbacher Pfarrheim. Von den 25 Chormitgliedern dürfen maximal 20 hinein. Bald bekommt der Chor einen neuen Chorleiter, der am Montag keine Zeit hat, dann kann das ausgebuchte Pfarrheim nicht mehr genutzt werden. Auf der Wiese vor dem Pfarrheim wie im Sommer will der Chor im Herbst und Winter nicht proben. Der "Notnagel" wäre die Sackenbacher Kirche, die laut Albert allerdings für eine Probe nicht geheizt würde und damit kalt wäre. Der Chor hat noch einen Raum in Aussicht, über den die Vorsitzende aber nicht reden will, weil es noch keine feste Vereinbarung gibt.
Eintracht traut sich nicht
Der Gesangverein Eintracht Rodenbach probt nach den Worten seines Vorsitzenden Josef Emrich derzeit nicht. In den unteren Raum des örtlichen Vereinsheims passten unter Corona-Bedingungen zwölf bis 13 Menschen. Mehr Mitglieder hat der Männerchor sowieso nicht, beim gemischten Chor sind es 16 Leute. Aber der Dirigent sei skeptisch, "wir trauen uns noch nicht".
Abgehärteter Spielmannszug
Immer noch im Freien probt der Spielmannszug der Lohrer Kolpingsfamilie: auf dem städtischen Parkplatz unter der neuen Mainbrücke. "Dort haben wir einen Wetterschutz und ein bisschen Beleuchtung", berichtet Martin Müller, der organisatorische Leiter der Kapelle. Zudem habe der Spielmannszug fast nur Freiluftauftritte: "Wir sind mehr eine Outdoor- als eine Stubenmusik."
Eine Dauerlösung ist das aber nicht. Als Alternative steht das Pfarrheim St. Michael zur Verfügung, in dem jedoch nur maximal 15 Musiker (von rund 40) gleichzeitig proben dürfen. Dann sind laut Müller Registerproben angesagt, also Proben unterteilt nach Instrumentengruppen. Zahlen muss der Spielmannszug fürs Pfarrheim wegen des Entgegenkommens von Pfarrer Sven Johannsen nichts. Denn er spielt im Gegenzug bei Pfarreiveranstaltungen. Ohne den guten Willen des Pfarrers "würden wir völlig auf dem Schlauch stehen", so Müller.