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URSPRINGEN
1000 Jahre Urspringen: Die Liebe zur Heimat zelebriert
Das Dorf auf der Fränkischen Platte präsentiert sich beim Jubiläumsfest im besten Licht. Viele historische Vorführungen zeugen vom Leben auf dem Lande anno dazumal. Fast jeder packt mit an.
Offene Wanne, loses Mundwerk: Am Sattlersbach sind die Waschweiber in ihrem Element.
Foto: Andreas Brachs | Offene Wanne, loses Mundwerk: Am Sattlersbach sind die Waschweiber in ihrem Element.
Andreas Brachs
 |  aktualisiert: 26.04.2023 23:54 Uhr

Für Anneliese Hester ist es an diesem Sonntag Ehrensache, dabei zu sein. Die 79-Jährige ist aus Miami in Florida angereist, um in ihrem Heimatdorf Urspringen das Fest zum 1000-jährigen Bestehen mitzufeiern.

Die geborene Hart ist sich nicht zu schade, mit anderen Frauen aus dem Dorf ein Waschweib zu mimen. Zur Freude der Gäste klopfen die Frauenzimmer nicht nur Wäschestücke auf den Steinen am Sattlersbach, sondern jede Menge Sprüche.

Hester kommt einmal jährlich in ihre Heimat, zu der sie nie die Liebe verloren hat. 1960 zog sie der Liebe zu einem Amerikaner wegen in die USA. Das Jubiläumsfest findet sie „sehr schön“. Sie habe „wahnsinnig viel entdeckt“, was sie aus ihrer Jugend kennt.

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Der erste Fernseher im Dorf

Zum Beispiel die alte Barbara-Apotheke: Die Ausstattung erinnert ältere Urspringer sofort an ein Detail im Hause des Apotheker-Ehepaars Anni und Franz Prinz: „Sie hatten den ersten Fernseher im Dorf, Baujahr 1947 oder 1948“, hat Sabine Eckert herausgefunden. „Zur Freude ihrer Mitbürger ließen sie oft das Wohnzimmerfenster offen, so dass man von der Straße aus mitschauen konnte.“

Am Sonntag treten sich die Besucher auf die Füße, als der Partensteiner Hufschmied Rüdiger Staab in der Dorfschmiede ein Pferd beschlägt. „Das Pferd bekommt neue Schuhe an den Beinen“, übersetzen die Erwachsenen das Geschehen für die Kinder.

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Die mobile Säge kommt

Kurz darauf schellt ein Ausrufer: „Die Säge kommt.“ Die mobile Holzsäge aus Steinfeld ist standesgemäß auf einem Nachkriegsfahrzeug mit Holzkarosserie montiert. Die Säge auf der Ladefläche kommt allerorten zum Einsatz. Ihre Einsatzbereitschaft demonstriert die Feuerwehr bei einer historischen Löschübung am Pumphaus. Drei Minuten dauert es, bis die Handpumpe das Wasser aufs Dach befördert. Zum Glück helfen Umstehende, den Druck mit Muskelkraft aufrecht zu erhalten. „Kompanie abtreten zum Durstlöschen!“ – Diesen Befehl quittiert die Truppe mit Juchzern und Freudenschreien, während die Helme in die Luft fliegen. Ganz ruhig geht es dagegen bei Erich Wiesner zu, denn bei seiner Tankstelle ist der Ofen längst aus. Nach 24 Jahren hat er den Betrieb 1993 eingestellt. Seine Benzin- und Super-Zapfsäulen hat er mit Oldtimern umstellt, die Nachbarn zur Verfügung gestellt haben. Außer ihm habe es noch beim Busunternehmen eine zweite Tankstelle gegeben, erinnert sich der Kfz-Elektriker.

Handwerkskunst: Polsterer bei der Arbeit. Von links: Lothar Schnarr und Stefan Schiegl.
Foto: Andreas Brachs | Handwerkskunst: Polsterer bei der Arbeit. Von links: Lothar Schnarr und Stefan Schiegl.

Noch weiter in die Zeit zurück führen die Ausstellungen, die die Einrichtungen früherer Tage präsentieren: Eine typische Bauernstube, ein Wohnzimmer, eine Küche – viele Gegenstände des Alltags von anno dazumal sind erhalten und für Ausstellungen zusammengetragen worden. „Weißt du noch. . ?“, lautet eine Frage, die man beim Gang durch das Dorf immer wieder hört.

Solche Aha-Erlebnisse hat auch Karl Heinz Rindfleisch. Der heute 66-Jährige zog in den 1960er Jahren nach Rumänien, wo er verheiratet ist und lebt. In der Ferne gründete er einen Männerchor und eine Volkstanzgruppe. Diese „Sathmar Schwaben“ waren schon 2010 bei den Freunden fränkischen Brauchtums in Urspringen zu Gast. Und zum Jubiläum kam Rindfleisch mit seinen beiden Gruppen wieder in die alte Heimat, um Tänze seiner neuen Heimat zu präsentieren. Spätestens, als der Chor „alle Brünnlein fließen“ lässt, und die Volkstanzgruppe sich zu „Rosamunde“ im Takte wiegt, ist ihnen der Applaus der Unterfranken sicher.

Für Rindfleisch selbst ist es schon allein Belohnung, durch sein Heimatdorf zu laufen: „Ich habe viele ehemalige Mitschüler und Bekanntschaften getroffen.“ Und er freut sich, dass viele ihn auf der Straße ansprechen. „Das ist der Wahnsinn. Das hätte ich nicht erwartet.“ Freundlich empfangen werden in Urspringen nicht nur Auswanderer und Heimkehrer auf Zeit, sondern auch Menschen aus anderen Ländern, die auf der Fränkischen Platte ihre neue Heimat gefunden haben.

Urspringer aus 18 Nationen

Im „Nationenhof“ finden sich 18 Flaggen an der Wand – von Eritrea bis Brasilien. Sie stehen für heutige Urspringer, die ihre Ursprünge oft Tausende Kilometer entfernt von hier haben. Frau Schmidt aus Eritrea ist eine von ihnen, die zum Fest eine afrikanische Kaffeezeremonie zelebriert – eine Darbietung für alle Sinne. Erst röstet sie den Kaffee, bevor sie ihn mahlt, mit Gewürzen und Kräutern kocht, den Gästen präsentiert und verkosten lässt. Zimt und Ingwer schmeckt man schnell heraus. Ansonsten fällt auf, dass der Kaffee zwar stark, aber deutlich milder ist als in unseren Breiten. Die Frau aus Eritrea, die seit 13 Jahren in Urspringen lebt, bekommt viel Zuspruch für ihr exotisches Getränk.

Nicht für die Einheimischen, aber für manche Gäste mag es exotisch klingen, was sie von den Grundschülern zu hören bekommen. Ihr Stück über „Urspringer Sagen“ führen sie in der Schule im Dialekt auf. Da muss man schon genau die Ohren spitzen, wenn von den Geistern der Umgebung die Rede ist, die den Dorfbewohnern mal mehr, mal weniger freundlich gesonnen sind. Aber die Kinder präsentieren die Geschichten souverän und mit großer Spielfreude, was ansteckend auf die vielen Zuschauer wirkt. Rührend.

Gerührter Bürgermeister

Gerührt ist am Wochenende auch Bürgermeister Volker Hemrich. „Mit Hingabe und Begeisterung“ hätten die Urspringer ihre Straßen und Höfe geschmückt, sagt er bei der Eröffnung am Samstag. Er sei überwältigt von diesem Zusammenhalt im Dorf. Werner Kunkel, der den Arbeitskreis „1000 Jahre Urspringen“ leitet, gibt zu, dass er vor zweieinhalb Jahren nicht gewusst habe, „was auf uns zukommt“. Das Ziel der Gruppe: „Die Gäste sollen sich bei uns wie zu Hause fühlen.“

MdB Bernd Rützel weiß aus der Erfahrung der Feiern in Schaippach, wie viel Arbeit in der Vorbereitung steckt und spricht seine Anerkennung aus. MdL Thorsten Schwab findet, dass es richtig sei, Geld des Freistaats in die ländliche Region zu investieren. Die Früchte könne man in der Urspringer Dorferneuerung erkennen. Nach den Worten von Landrat Thomas Schiebel seien „gefühlt alle Urspringer“ den „zwölf Aposteln“ des Arbeitskreises gefolgt und hätten für ein wunderbares Fest und eine super Stimmung gesorgt.

Dann, am Sonntagabend, sind auswärtige Besucher und Ehrengäste längst fort. Und jetzt haben die Urspringer endlich Zeit, sich selbst und ihre Leistung ausgiebig zu feiern. Ein verdienter Abschluss.

Wasser marsch: mit Muskelkraft gepumpt.
Foto: Andreas Brachs | Wasser marsch: mit Muskelkraft gepumpt.
Besucheransturm: Beim Fest „1000 Jahre Urspringen“ wollen viele dabei sein.
Foto: Andreas Brachs | Besucheransturm: Beim Fest „1000 Jahre Urspringen“ wollen viele dabei sein.
 

Urspringen, 1000-Jahr-Feier: Das Fest hat begonnen. Der Hufschmied hämmert schon.

Posted by Main-Post Main-Spessart on Sonntag, 2. August 2015
 

1000 Jahre Urspringen: Dreschvorführung der Dreschfreunde Halsbach.

Posted by Main-Post Main-Spessart on Sonntag, 2. August 2015
 

1000 Jahre Urspringen: Die Feuerwehr löscht wie anno dazumal.

Posted by Main-Post Main-Spessart on Sonntag, 2. August 2015
 

1000 Jahre Urspringen: Die alten Waschweiber waschen im Bach.

Posted by Main-Post Main-Spessart on Sonntag, 2. August 2015
 

1000 Jahre Urspringen: Der schwäbische Chor aus Sathmar (Rumänien) singt. Ein Sänger, Karl Heinz Rindfleisch, stammt aus Urspringen.

Posted by Main-Post Main-Spessart on Sonntag, 2. August 2015
 

1000 Jahre Urspringen: Schulstunde im Dialekt.

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