Das also sind sie. Noch etwas verloren wirken sie in der Kulisse der prächtig sanierten Bürgerhäuser. Magie umweht sie wie Parfüm.
Allein dieser Name: Weinwürfel. Als hätten Weingott Dionysos oder der Winzerschutzherr Kilian ihre erhabenen Hände im Spiel gehabt und sie aus einer seligen Laune heraus über Iphofens Marktplatz verteilt.
Zur allgemeinen Ernüchterung sind es dann doch nur einige Herren im Blaumann oder im orangefarbenen Arbeitskittel, ausgestattet mit Akkuschrauber und Manneskraft, die an diesem Morgen Keile setzen und Bretter verschrauben, so dass der mit viel Magie aufgeladene Würfel rasch entzaubert ist: als hölzerner Quader, zusammengehalten von einem Skelett aus Stahlstreben.
Vom Schweiß der Aufbauarbeiten, vom schlichten Kern der Würfel soll nichts zu mehr zu spüren sein, wenn das viertägige Iphöfer Winzerfest an diesem Freitag (8. Juli) Fahrt aufnimmt. Viele Neugierige werden schon deshalb in die Altstadt strömen, um zu besichtigen, was aus einer Veranstaltung geworden ist, die zuletzt in die Jahre gekommen schien. Eine ellenlange Reihe verschrobener Bretterbuden überzog den Marktplatz, andere Weinorte hatten da längst reagiert. Doch in Iphofen brauchte es zu diesem Schritt schon mehr als manch spritzige Idee.
Erst als sich im vergangenen Jahr die Winzerfestgesellschaft auflöste, eine Allianz aus fünf örtlichen Vereinen, die mehr als 30 Jahre die Fäden in der Hand gehalten hatte, kam Bewegung in die Sache.
Motivierte Weinfreunde
Vor sieben Monaten hat sich unter großem Interesse der Iphöfer Bevölkerung eine Genossenschaft gegründet, die „Weinfreunde Iphofen“. Sie kümmern sich nun um die viertägige Sause in der Altstadt. Mancher hegte Zweifel, ob sich das Konzept und der ehrgeizige Zeitplan schon dieses Mal umsetzen ließen. Für die Macher war das keine Frage. Sie stürzten sich vom ersten Tag an in die Arbeit, haben das Fest in die Moderne geführt und sich an mancher Stelle neu erfunden. Die Weinwürfel sind das Symbol des Aufbruchs.
Evelyn Wilhelm hat im Dezember den Posten als Vorstandsvorsitzende der „Weinfreunde“ bezogen. An diesem Morgen steht sie am Marktplatz und schaut auf das geschäftige Treiben. Kleintransporter und Gabelstapler fahren an ihr vorbei, bringen Lichterketten und Werkzeug an den Ort, an dem jedes Jahr Tausende Gäste ausgesuchten Wein genießen. Evelyn Wilhelm ist ein bisschen aufgeregt – wie man das eben ist vor Premieren.
Einiges hat sich geändert zwischen der 67. Auflage im vergangenen Jahr und der 68. in diesem. Vielleicht fällt das manchem erst auf, wenn er sich sein Essen holt und seinen Wein besorgt. Wenn er durch die Reihen geht und Platz nimmt auf einer der Bänke vor dem Rathaus.
Der Wein wird nun aus jenen fünf Würfeln verkauft, die dezentral über den Marktplatz verteilt sind und rein optisch die bedeutendste Änderung darstellen. 18 lokale Weingüter und ihre Weine werden in vier der Würfel zu finden sein, der fünfte ist der Sektstand. Nicht nur räumlich rücken die Iphöfer Winzer damit wieder enger zusammen. Sie wollen und sollen die Triebfedern des neuen Winzerfestes sein. Die zuletzt an sie herangetragene Kritik, sie engagierten sich zu wenig, ist offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen.
Auch die Wirte sollen stärker eingebunden werden und vielleicht das Fest irgendwann selbstständig stemmen. Vorerst wird es nur vereinzelte kulinarische Akzente aus den Reihen der Iphöfer Gastronomen geben, der Löwenanteil kommt wie bislang von einem auswärtigen Festwirt. Claudia Bellanti denkt aber nicht bloß an Essen und Wein, wenn sie von „superschönen Ideen“ spricht.
Die Leiterin des Iphöfer Tourismusbüros hat einige weitere „Geheimtipps“ auf Lager, zum Beispiel den Innenhof des neuen Dienstleistungszentrums, das musikresistenten Besuchern als Refugium dienen soll. Dort entsteht dieses Jahr eine Art Lounge. „Je nach Laune und Tageszeit kann ich nun entscheiden, wieviel Musik in welcher Lautstärke ich konsumieren will“, sagt Bellanti. „Wer tanzen möchte“, fügt Evelyn Wilhelm hinzu, „geht zur Bühne.“
100 000 Euro investiert
Fast 100 000 Euro hat der Stadtrat bewilligt, um die fünf Weinwürfel zu beschaffen. „Wir müssen sehen, dass wir in Iphofen nicht nur von der Vergangenheit leben, sondern auch mal einen neuen Akzent setzen“, hat der Vorsitzende des Weinbauvereins, der Winzer Hansi Ruck, neulich dazu gesagt. Und doch: Eine Stange Geld für ein wenig Budenzauber, der in dieser Art „einzigartig“ sei, wie Evelyn Wilhelm sagt. „Ich habe das bisher noch nirgends gesehen.“ Das aber ist noch keine Garantie, dass das Fest nach dem neuen Konzept funktionieren wird. „Wir sind selbst gespannt“, sagt Wilhelm. Auf einen wesentlichen Faktor haben sie und ihre Helfer ohnehin keinen Einfluss: das Wetter. Es soll schön werden. Der Zauber kann beginnen.