Wie politisch darf, soll, muss Kirche sein? Diese Frage stellt sich in den vergangenen Wochen verstärkt, nachdem beide große Kirchen sich offen gegen Rechtsradikalismus und die AfD ausgesprochen haben. Auch an den Demonstrationen für Demokratie beteiligen sich kirchliche Vertreter und Organisationen. Geht ein solcher Einsatz zu weit? Oder gehört er zum Auftrag der Kirche?
Schon ein Blick in die Bibel zeigt, dass sie über weite Strecken politische Themen und Texte enthält. Nicht zuletzt wurde ja Jesus wegen eines politischen Vergehens zum Tode verurteilt. Es war vielleicht nicht seine Absicht, politisch zu sein. Aber weil Religion und Politik damals eng verzahnt waren, ließ es sich kaum vermeiden, mit religiösen zugleich politische Statements abzugeben. Mit der sogenannten Tempelreinigung hat Jesus am Ende die religiösen und zugleich politischen Führer seines Landes direkt angegriffen.
Breiten Raum nimmt auch soziale Gerechtigkeit in der Bibel ein – bis heute ein aktuelles politisches Thema. Die Propheten des Alten Testaments mahnen immer wieder. Und wiederum Jesus, wenn er sich den Menschen am Rand der Gesellschaft zuwendet – Kranken, Behinderten, Frauen, Kindern, Ausländern.
Die politische Dimension unseres Glaubens ist also kein Phänomen der Moderne, sondern sozusagen in der DNA des Christentums enthalten. Wir Protestanten haben in diesen Tagen auf die Ereignisse vor 90 Jahren zurückgeschaut. Am 31. Mai 1934 haben 138 Männer und eine Frau aus lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen die Barmer Theologische Erklärung verabschiedet. Ein kleines ökumenisches Wunder. Und eine klare Positionsbestimmung gegenüber der NS-Ideologie: Der Staat darf nicht zum Religionsersatz werden und die Kirche nicht zu einem Organ des Staates. Sie ist vielmehr ein Gegenüber und Korrektiv, das im politischen Geschehen die Maßstäbe Gottes ins Spiel bringt, sein Reich, seine Gebote, seine Gerechtigkeit.
Manche sagen, die Kirche solle sich auf ihr "Kerngeschäft" besinnen und das Evangelium verkündigen. Aber geschieht nicht genau das, wenn Christinnen und Christen sich einmischen in die politische Diskussion? Dann bringen sie die gute Botschaft Gottes zur Geltung, mahnen wie einst die Propheten und zeigen Wege auf, die dem Leben dienen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das zu tun. Man kann direkt politisch aktiv werden. Man kann in Diskussionen den christlichen Standpunkt vertreten. Oder ganz einfach sein Wahlrecht ausüben und demokratisch wählen, zum Beispiel an diesem Sonntag.
Die Autorin: Pfarrerin Beate Krämer ist Pfarrerin in Obernbreit und zuständig für Erwachsenenbildung im Dekanat Kitzingen.