
Silvio Berlusconi hat es gesagt, Franz Josef Strauß auch und Jon Bon Jovi: „Ich bin kein Heiliger.“ Sie meinten damit außereheliche Affären oder ihren Umgang mit Macht und Einfluss. Und sie verteidigten sich gegen die Meinung, dass Prominente, insbesondere Politiker, in der Öffentlichkeit eine gewisse Vorbildfunktion hätten, auch wenn man Rockmusikern vielleicht noch gewisse Freiheiten zugestehen mag.
Aber was macht einen Heiligen oder eine Heilige in unseren Tagen aus? Muss man besonders fromm sein? Sich Tag und Nacht für die Kirche engagieren? Arme unterstützen? So wie der junge Italiener Carlo Acutis, der 2006 im Alter von erst 15 Jahren an Leukämie starb. Schon als Kind besuchte er häufig die Messe. Als Jugendlicher beteiligte er sich als Dozent am Unterricht in seiner Gemeinde und verfasste selbst digitale Lehrmaterialien, da er am Computer sehr begabt war. Mit elf Jahren erstellte er ein Online-Verzeichnis von eucharistischen Wundern in aller Welt. Zum Teil ohne Wissen seiner Eltern unterstützte er Obdachlose und Bedürftige aus seinem Vermögen. Vor wenigen Wochen gab Papst Franziskus bekannt, dass Carlo Acutis heiliggesprochen werden soll.
Ist das also Heiligkeit? Aber was ist dann mit uns anderen, „normalen“ Menschen, selbst wenn wir uns vielleicht als gläubig bezeichnen würden? Der Predigttext des vergangenen Sonntags führt uns auf eine Spur: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig“, sagt Gott da zum Volk Israel (3. Mose 19,2). Das ist doch eine gute Nachricht, dass wir zum heiligen Gott gehören. Wir leben in dieser Welt, aber auch in seinem Reich, im Kraftfeld des Heiligen. Wir müssen uns nicht allein der Herausforderung stellen, gegen böse Kräfte in uns und neben uns zu kämpfen. Der heilige Gott steht und kämpft an unserer Seite.
Er stärkt und leitet uns auf diesem Weg, gibt uns Hinweise. Im Predigtwort werden ganz konkrete Gebote genannt: Begegnet euren Eltern mit Respekt und nehmt euch auch Zeit für mich, Gott. Zahlt eure Rechnungen pünktlich und beutet niemanden aus. Es soll gerecht zugehen bei euch. Weder sollen Bedürftige bevorzugt, noch Reiche begünstigt werden. Keine Hassreden gegeneinander, sondern miteinander reden. Nicht nachtragend sein und den Mitmenschen lieben wie sich selbst. Und schließlich: „Wie einen Einheimischen sollt ihr den Fremden ansehen, der bei euch lebt. Du sollst ihn lieben wie dich selbst. Denn im Land Ägypten seid auch ihr Fremde gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.“
Von wegen, die Bibel ist alt und verstaubt. Die Worte könnten mitten hineingesprochen sein in unsere unruhige Zeit. Aber auch wieder nicht verwunderlich, denn Heilig-Sein in diesem Sinn kommt hoffentlich nie aus der Mode. Nicht damals beim Volk Israel, nicht in der Zwischenzeit und auch nicht bei uns heute, seien wir nun Juden oder Christen oder keines von beiden. Und wenn wir an der einen oder anderen Regel manchmal oder immer wieder scheitern, dann bleibt uns immer noch der Seufzer: „Ich bin eben kein Heiliger. Ich bin eben keine Heilige.“ Aber wir wollen nicht aufhören, es zu versuchen.
Pfarrerin Beate Krämer, Jahrgang 1968, ist verheiratet und hat drei Kinder. Rund 20 Jahre war sie als Kirchenmusikerin und als Journalistin für Lokalzeitungen, Sonntagsblatt und den Evangelischen Pressedienst (epd) tätig. Nach Stationen in Uffenheim und Abtswind ist sie seit März 2024 Pfarrerin in Obernbreit und zuständig für Erwachsenenbildung im Dekanat Kitzingen.