Als Paulus lebte, waren Sklaven selbstverständliche Realität in der Gesellschaft. Sie waren in Abhängigkeit hineingeraten aufgrund von Kriegsgefangenschaft, andere wurden von Sklavenhändlern verschleppt. Manche verkauften Familienmitglieder oder sich selbst in die Sklaverei, um eine Geldschuld zu begleichen. Sklaven hatten keine persönlichen Rechte, ihre "Besitzer" konnten frei über sie verfügen. Sie waren abhängig mit Leib und Leben vom Wohlwollen der anderen.
Solche Art der "Knechtschaft" kennen wir nicht. Wir leben in einem freien Land, uns sind Grundrechte garantiert, wir können uns frei bewegen, unsere Meinung frei äußern, unser Leben frei gestalten. Wir gehören niemandem.
Und doch, denke ich manchmal, geraten wir auch ganz schön oft in Abhängigkeiten. Wir machen uns Gedanken, wie wir vor anderen gut dastehen können. Wir versuchen Ansprüchen gerecht zu werden. Wir schwimmen mit dem Strom, um nicht anzuecken. Wir vergleichen uns mit anderen und werden verglichen. Wir setzen uns unter Druck, um niemanden zu enttäuschen. Und manchmal knechten wir uns selbst. Holen noch mehr aus uns heraus. Sind für andere da bis zum Umfallen. Wollen Leistung optimieren, mithalten können, mehr haben, mehr gelten, mehr sein.
Ihr seid teuer erkauft; werdet nicht der Menschen Knechte, schreibt Paulus im 1. Korintherbrief.
Dieser Satz wirft dem Hamsterrad einen Stock in die Speichen und rückt die Perspektive zurecht. Schau dich mal mit den Augen Gottes an. Da geht es nicht um Optimierung, nicht um Marktwert und Perfektion. Du bist frei und einmalig und schön in seinen Augen. Jesus Christus hat dich "freigekauft". Er hat alles für dich gegeben, sein Leben, damit all diese Verstrickungen, die die Bibel "Sünde" nennt, nicht mehr das Sagen haben über dich. Es gibt Vergebung, Gnade, Neuanfang. Lass dir nicht von anderen sagen, was du wert bist.
In einem Gedicht von Tina Willms heißt es:
Ich muss nicht mehr
um die goldenen Kälber tanzen:
Leistung, Geld, Jugend,
Schönheit oder Macht.
Ich ziehe die Schuhe aus
und reibe die schmerzenden Füße.
Wie gut tut es, auszuruhen
und frei zu sein.
Dass wir solche österliche Freiheit spüren, das wünsche ich uns.
Die Autorin: Kerstin Baderschneider ist seit Dezember 2019 Dekanin für die rund 20.000 Gemeindemitglieder in den 21 Kirchengemeinden und 18 Pfarreien im Dekanat Kitzingen.