
Liebe Leserinnen und Leser,
die EM in Deutschland, Olympia in Paris, die Salzburger Hochschulwochen, der Katholikentag von Erfurt, das Fest Maria Himmelfahrt und sogar die Weinfeste bis auf Volkach an diesem Wochenende sind vorbei. Dieses Vorbeisein erfüllt uns mit Schmerzen und eine gewisse Leere überkommt uns. Das Faschingslied aus Köln bringt es auf den Punkt: "Am Aschermittwoch ist alles vorbei..." Die angedeuteten Ereignisse gehören wie zum Beispiel der Staat, die Parteien, die Europäische Union oder die NATO, die UNO und die Kirchen zu den Strukturen, in denen wir leben. Strukturen bedeuten den Rahmen so wie die Sieben-Tage-Woche oder die sieben Schöpfungstage. Sie sind grundsätzlich gut und dienen dem Wohl der Menschen.
Beobachter sehen auch die kritischen Strukturen, strukturelle Ungereimtheiten oder sogar eine "strukturelle Sünde". Bereits Karl Rahner hat den "Strukturwandel der Kirche als Aufgabe und Chance" gesehen. So lautet der Titel einer Vorlage für die Würzburger Synode 1972. Er möchte den Blick der Kirche in die Weite lenken und nicht auf die Beschränktheit von klerikalem Amtsdenken. Wir dürfen uns auf den Katholikentag von Würzburg 2026 freuen, um diesem Blick ins Weite wie zum Beispiel bei den frohen Spielen in Paris oder den vertrauensvollen Gesprächen in Salzburg nachzuspüren.
Der große Gelehrte Karl Rahner sieht den Menschen im Mittelpunkt: "Ich bin kein 'Wissenschafter'. Ich möchte auch in dieser Arbeit ein Mensch, ein Christ und, so gut es geht, ein Priester der Kirche sein... Ich möchte hoffen dürfen, dass jene unsagbare Finsternis und Helle zugleich, die wir Gott nennen, und in die man sich glaubend, hoffend und liebend fallen lassen muss, dasjenige ist, auf das hin ich denke und wovon ich zu reden versuche." Der große Theologe ganz menschlich.
Der Würzburger Theologe und "Friedensstifter" Burkhard Hose stellt sein neuestes Buch zusammen mit der Ordensschwester Philippa Rath unter dem Titel: "Meine Hoffnung übersteigt alle Grenzen. Ein Gespräch über Leben und Glauben." Diese Weite im Denken und Tun lässt Freude in der Frohen Botschaft aufkommen.
Im neuesten Buch des Bestsellerautors und Theologen ("Traum vom neuen Menschen", 2024) Thomas Halík bedeutet der Struktuwandel: "Oft wird mehr über die Struktur der Kirche gestritten als über Glaubensinhalte". Er ermutigt, sich den großen Fragen (Weite!) zu stellen und (dem Hl. Geist) zuzuhören. "Jede Krise öffnet neue Möglichkeiten. Die Krise der kirchlichen Strukturen kann zur Möglichkeit werden, tiefere und innerlichere Dimensionen zu zeigen... Viele von denen, die behaupten, Gott sei stumm, sind nie aus dem Lärm herausgetreten, in dem seine Stimme nicht gehört werden kann. Gott spricht und erwartet von uns Hörbereitschaft."
Wir dienen nicht den Strukturen, sondern die Strukturen dienen uns, dem Volk und jedem Einzelnen. Hören wir zu, schauen wir ins Weite, trennen wir uns einmal vom Lärm der Strukturen und Events.
Der Autor: Dr. Michael Persie (Buchbrunn), geboren 1950 in Bad Neuenahr, war bis September 2016 Lehrer am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum Kitzingen-Ochsenfurt und unterrichtete in den Fächern Religion, Deutsch und Sozialkunde.