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Rödelsee
Wort zum Wochenende: Loslassen, um Größeres zu empfangen
Schwester Ruth Meili.
Foto: Waltraud Ludwig | Schwester Ruth Meili.
Ruth Meil
 |  aktualisiert: 13.08.2023 03:17 Uhr

Das ist nicht nur eine Erfahrung bei der Aufgabe von belastenden Immobilien innerhalb unserer Kirchen oder auch ganzer Klöster, sondern auch im Älterwerden. Wir betonen gerne das "Loslassen" und beschreiben den Schmerz beim Abschied von lieb gewordenen und persönlich geprägten Aufgaben, in die wir so viel Herzblut investiert haben in unserem Beruf durch all die Jahre hindurch.

Oder unsere Irritation, wenn Mitarbeitende beispielsweise alles mühsam Gesammelte und Wohlgeordnete im Archiv einfach digitalisieren – was immer das dann heißt. Oder die Gesundheit: Ja, es tut oft weh, Abschied zu nehmen von den scheinbar unbegrenzten Kräften, Schwäche zuzulassen und umarmen zu dürfen. Gemeint ist: Loslassen nicht als Fallenlassen im Sinn von Entsorgen, sondern als ein Überlassen zum Beispiel an eine Nachfolgerin oder an Jüngere.

Ich nehme die Aufgabe noch einmal sorgsam in meine inneren Hände, halte sie an mein Herz, spüre meinen investierten Herzschlag und lege dann alles dankbar Gott hin, dass ich das alles so werden und gestalten durfte, oft über Jahre hinweg, getragen von viel Herzblut und Verantwortung, mit Blick auf das Ganze einer Gemeinschaft, einer Firma, einer Gemeinde. Alles Unvollkommene und Misslungene darf auch noch einmal wertschätzend angeschaut werden mit den Augen meines Herzens. Und alles, wirklich alles, lege ich Gott auf den Schreibtisch, loslassend, ihm überlassend zur weiteren Bearbeitung. Was für eine Wohltat, was für eine Befreiung, nun Vergangenes in so zuverlässig segnende und kreative Hände legen zu können.

Und jetzt bin ich frei, noch einmal erfrischt hinzuhören, zu lauschen auf den Ruf Jesu "Folge mir nach!", der neu konkret werden will, mir ganz neue, ungeahnte Freiheit eröffnend und aufatmende Weite in sich birgt. Denn Krank- oder Altwerden ist keine Nachspielzeit mit ständigem Blick auf Vergangenes, nicht zu Ende Gebrachtes. Altwerden ist eine ganz eigene Berufung, eine neue Kostbarkeit, die Schritt für Schritt entdeckt und gestaltet werden will – in neuer großer Freiheit.

In diesem Prozess geht es um "Loslassen, um Größeres zu empfangen". Es ist eine innere Bewegung, die in sich, im Kern, eine neue Zukunft in sich birgt. Das ist das Geheimnis der Zukunft, die Gott beschreibt, Reich Gottes gestern, heute und in alle Ewigkeit. "Denn wer hingibt, der empfängt, und wer da stirbt, der erwacht zum ewigen Leben" (aus dem Friedensgebet von Franz von Assisi).

Das ist dann möglich, wenn der für mich immer Größere und Attraktivere aus der Zukunft ruft – Christus: "Komm! Brich neu auf, steh auf, wag den ersten Schritt, wenn auch evtl. mit Krücken. Ich bin mit dir und werde immer mit dir sein." Es ist seine Liebe, die mich lockt und zieht und begeistert. Da wird neu deutlich, dass es auch im Loslassen um Lebenserfahrungen geht, Vor-Stellungen, Wünsche, Wissen und Können, Überzeugungen, alles, was meine Nachfolge verbürgerlichte. Und nun erlebe ich meine leeren Hände: "Selig sind, die bedürftig und arm sind vor Gott, denn ihnen ist das Reich Gottes, die Zukunft" (nach Mt 5,3). Und was hat jede Kirche, Gemeinde, Firma nötiger als Mitarbeitende, die Abschied nehmen und loslassen, um das je Größere zu empfangen, um in Liebe neu austeilen zu können.

Die Autorin: Schwester Ruth Meili, Ordensgemeinschaft Communität Casteller Ring auf dem Schwanberg

 
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