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Abtswind
Wort zum Wochenende: Es muss nicht alles perfekt sein
Beate Krämer.
Foto: Gerhard Krämer | Beate Krämer.
Beate Krämer
 |  aktualisiert: 24.12.2023 02:45 Uhr

Weihnachten ist für viele die Zeit im Jahr, in der alles perfekt sein soll. Auf dem Tisch soll ein makelloser Festtagsbraten stehen. Die Geschenke sollen liebevoll ausgewählt und passend sein. Der Gottesdienst und die Lieder feierlich, aber nicht zu anspruchsvoll. Und die Stimmung natürlich festlich und friedlich. Dass die Realität oft anders aussieht, wissen oder ahnen wir zumindest.

Aber warum sollte es uns besser gehen als den Menschen, von denen uns die Geschichten rund um Weihnachten erzählen? Eine junge unverheiratete Frau wird schwanger, ihr Verlobter ist verunsichert. Dann die weite Reise so kurz vor der Geburt, das ärmliche Quartier und schließlich die Flucht vor einem mörderischen Herrscher. Vom perfekten Leben oder Weihnachtsromantik sind die Ereignisse weit entfernt.

Doch gerade das macht mir Hoffnung für mein, unser unvollkommenes Leben. Ein großer Songpoet unserer Zeit, Leonard Cohen, hat diese Hoffnung in Worte gekleidet in seinem Song "Anthem":

"Ring the bells that still can ring. Forget your perfect offering. There is a crack, a crack in everything. That's how the light gets in". ("Läute die Glocken, die noch immer klingen. Vergiss deine perfekte Opfergabe. Da ist ein Riss, ein Riss in allen Dingen. Genauso kann das Licht eindringen.")

Cohen besingt Zeichen, die Menschen die Hoffnung rauben: Kriege, gesetzlose Massen, Mächtige, für die Menschenleben nur wenig zählen. Und doch hört er nicht auf zu hoffen, dass sich liebende Herzen finden, die sich sammeln, wenn auch nur wie Flüchtlinge.

Gerade das Unvollkommene, die Risse in der Welt, in unserem Leben – sie können zu Eintrittspforten werden für das Licht. So wie in dieser vollkommen unvollkommenen Geschichte von Weihnachten das ewige Licht seinen Weg in diese Welt gefunden hat. So wie die Plätzchen-Bruchstücke, die mir meine Kinder gerade hereinreichen, in denen ganz viel Licht und Liebe stecken; ich kann sie schmecken und spüren. Ich möchte mutiger werden, mich in meiner Unvollkommenheit zu zeigen. Und damit anderen Mut machen, dass nicht alles perfekt sein muss. Nicht an Weihnachten – und sonst auch nicht.

Die Autorin: Pfarrerin Beate Krämer, Jahrgang 1968, ist verheiratet und hat drei Kinder. Rund 20 Jahre war sie als Kirchenmusikerin und als Journalistin für Lokalzeitungen, Sonntagsblatt und den Evangelischen Pressedienst (epd) tätig. Ab 2011 war sie Vikarin in Uffenheim, seit 2013 ist sie Pfarrerin in Abtswind.

 
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