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Abtswind
Wort zum Wochenende: Es geht um die Seelen von Menschen
Bearbeitet von Ralf Hein Beate Krämer
 |  aktualisiert: 04.02.2024 02:40 Uhr

Liebe Leserinnen und Leser. Heute war bei mir Staub wischen dran, meine ungeliebteste Hausarbeit, die ich gerne vor mir her schiebe. Die Versuchung ist groß, mit dem Staubwedel einfach nur kurz über die Oberflächen zu streifen. Das Gröbste wird schon hängen bleiben. Eigentlich habe ich viel wichtigere Punkte auf meiner To-do-Liste. Die Besucher heute Nachmittag werden hoffentlich nicht so genau hinschauen. Wenn erst mal die Sonne weg ist, sieht man auch nicht mehr jedes Stäubchen.

Irgendwie kommt mir meine Kirche in diesen Tagen nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie vor wie ich bei meiner mehr oder weniger freiwilligen Putzaktion, auch wenn dieser Vergleich wie alle Vergleiche nur hinken kann. Wirkung und Folgen sind ungleich gravierender, wenn hier nur an der Oberfläche gekratzt wird. Denn bei Missbrauch geht es nicht um ein paar Staubkörner mehr oder weniger, sondern um die Seelen von Menschen. Ich kenne einige wenige Frauen, die missbraucht wurden. Immer spüre ich, dass sie gezeichnet sind für ihr ganzes Leben, psychische Folgen auch durch noch so viele Therapien nie ganz verschwinden und manchmal noch an die nächsten Generationen weitergegeben werden.

Deswegen machen mich viele Reaktionen traurig und wütend, die ich jetzt von meiner Kirche erlebe. Weil es wieder vor allem um die Institution geht und nicht um die Betroffenen. Ja, auch ich habe den Reflex zu relativieren, dass es in unserer Kirche auch nicht schlimmer ist als anderswo; mir selbst zu bestätigen, dass doch schon ganz viel getan wurde, sowohl bezüglich Aufarbeitung als auch Prävention; und nach Entschuldigungen zu suchen, warum meine Kirche nicht mehr schaffen konnte.

Aber genau das ist doch der Knackpunkt: Offensichtlich stand das Thema nicht weit genug oben auf der Prioritätenliste, um ihm mehr Arbeit und Zeit zu widmen und dafür Anderes zurückzustellen. Ich wünsche mir, dass meine Kirche und wir in ihr es schaffen, uns selbst und unsere Befindlichkeiten in den Hintergrund zu rücken und uns abseits der Öffentlichkeit ganz und gar den Menschen zuzuwenden, die von Kirchenleuten durch die Hölle geschickt wurden.

Es wird auch damit nicht alles heil werden, aber manches vielleicht ein bisschen erträglicher. Meine Staubaktion hat ein paar unerwartete Fundstücke zutage gefördert, kleine Mosaikstücke von Schmuck-Kreuzen, die meine Kinder in der Grundschule angefertigt haben. Ganz werden die Teile die Lücken nicht schließen, aber doch ein paar. Und am Ende bleibt es bei aller Schönheit ein Kreuz, Symbol des Leidens und der Schuld.

Die Autorin: Pfarrerin Beate Krämer, Jahrgang 1968, ist verheiratet und hat drei Kinder. Rund 20 Jahre war sie als Kirchenmusikerin und als Journalistin für Lokalzeitungen, Sonntagsblatt und den Evangelischen Pressedienst (epd) tätig. Ab 2011 war sie Vikarin in Uffenheim, seit 2013 ist sie Pfarrerin in Abtswind.

 
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