
Erntedankfest – Weinlese-Gottesdienst – die letzte Fuhre – dies alles kommt mir in den Sinn, wenn ich mir die Tage der ersten Oktoberwoche vorstelle. In vielen Kirchen wird der Altar mit den "Gaben der Erde" geschmückt – so manches aus unseren Gärten, Feldern und Weinbergen ist da zu finden. Blumenteppiche werden gestaltet, Erntekronen gebunden. Brot und Weintrauben werden auf den Altar gelegt.
Wir danken für das, was gewachsen ist – das müssen nicht nur unsere Lebensmittel sein, dazu gehört auch vieles andere, und so könnte auch eine Maschine, ein elektronisches Gerät oder ein neues Buch dabeistehen. Oder wir denken an eine Freundschaft, die gewachsen ist, an eine Ausbildung, die glücklich abgeschlossen werden konnte. So manches ist gewachsen in diesem vergangenen Jahr – bei jedem, bei jeder etwas anderes!
Erntedank – Dank an Gott! Dank an den, der werden und reifen lässt, der Ideen schenkt und Gelingen – trotz und in allem, was hindert und was uns bedrückt. Trotz allem, was uns an Schrecklichem jeden Tag aus den Medien überschüttet.
Der Beginn eines Liedes fällt mir dazu ein: "Die Güte des Herrn hat kein Ende, kein Ende…" – passende Worte zum Erntedankfest! Ein großes Danklied auf Gottes Güte und Treue!
Erstaunlich ist, wo wir diese Worte in der Bibel finden: in der Mitte des dritten Gedichts im kleinen Buch der Klagelieder, das in fünf poetisch gestalteten Kompositionen die Zerstörung Jerusalems im Jahr 587 v. Chr. beweint und versucht, das Geschehene theologisch zu bewältigen.
Das ist doch oft auch – bei allem Dank für eine gute Ernte – unsere Situation. Not ist in uns und Not ist um uns, kleine Not, aber auch große Not – in der eigenen Familie und Gemeinde aber auch weltweit. Da ist es gut, sich daran zu erinnern, was ein unbekannter Autor geschrieben hat: "Unser tägliches Brot gib uns heute", das beten wir jeden Tag, und unser Tisch ist gedeckt.
Wir können dir danken, Gott. "Unser tägliches Brot gib uns heute", das beten viel Menschen auf der ganzen Welt, aber bei vielen ist der Tisch nicht gedeckt. Sie können nicht danken. "Unser tägliches Brot gib uns heute", das beten wir nicht nur für uns. Hilf uns, Gott, dass wir dein tägliches Brot verteilen helfen, wo es nötig ist, und alle dir danken können.
Die Autorin: Dorothea Krauß CCR (Communität Casteller Ring), Jahrgang 1947, ist seit 1969 Schwester auf dem Schwanberg. Sie ist Lehrerin, war Mitarbeiterin der Verwaltung und ist in dieser Funktion inzwischen im Ruhestand. Sie ist Tagungsleiterin im Bereich Musik, organisiert Konzerte und Führungen.