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Rödelsee
Wort zum Wochenende: Die Schöpfung erzählt eine eigene Geschichte
Schwester Ruth Meili
Foto: Waltraud Ludwig | Schwester Ruth Meili
Bearbeitet von Corinna Petzold
 |  aktualisiert: 09.03.2024 02:42 Uhr

Seit längerer Zeit schon beginnen die Tage mit irgendeiner Katastrophenmeldung, sei es vom Klima, aus den Kriegsgebieten, von den Hungernden weltweit, aus den Spionagezentralen, mit Berichten zu Hasstiraden und Messerattacken, zu Extremismen und zu Missbrauch-Skandalen – sogar in der kirchlichen Arbeit. Und immer wieder im Kleinen und im Großen tödliches Gerangel um Macht auf allen Ebenen und das Auf-jeden-Fall schlechtmachen der anderen, egal was sie sagen oder tun, um damit den eigenen Selbstwert aus dem stinkenden Lebenskeller zu holen.

Verständlich, dass manche Paare ihren Kinderwunsch zurückstellen oder gar nicht mehr in Erwägung ziehen. Verständlich, dass viele keine Lust mehr haben zum Bauen, Kreativsein, Arbeiten, Sporteln und Gärtnern, zum Feiern und Genießen. Verständlich, dass sich manche nur noch „volllaufen lassen“. Verständlich, dass viele nach dem Sinn ihres Daseins fragen, nach der Zukunft, danach, dass alles doch anders werden möge. Verständlich, dass verunsicherte Menschen wieder nach einem starken Menschen (meistens Mann) fragen, der sagt, wo es langgeht und zwar mit allen Mitteln. Verständlich…

Und gleichzeitig blättert uns die Natur, die Schöpfung ganz andere Nachrichten vor unsere Augen und in unser Herz. Es knospt überall: Neues, noch nie Dagewesenes blüht auf, in den Gärten, an den Waldrändern, in den Weinbergen; es grünt geheimnisvoll auf den Äckern, auch auf dem mit Kind und Kegel besuchten Schwanberg. Im Friedwald, mit seinen vielen im Boden eingepflanzten Urnen als Zeichen des Todes, wachsen die Buschwindröschen auf und strecken ihre weißen, zarten, frisch gereinigten Blüten in die Höhe, in die Luft, in den Himmel – fast österlich.

Die Schöpfung erzählt uns, ja sie erinnert uns an eine ganz andere Geschichte als die weltweiten Nachrichten. Sie nimmt uns mit ihrer Lebendigkeit in eine verlässliche Wirklichkeit hinein, ja beheimatet uns in einer Wirklichkeit, die sich in der Vergangenheit bewährt hat, in der Gegenwart trägt und stärkt und uns eine Zukunft eröffnet, die unser angstbesetztes Herz weit macht, die uns hilft, die aktuelle Situation der Welt wahrzunehmen, ja ernst zu nehmen, auch miteinander auf die Straßen und Plätze zu gehen, um mutig Ausschau zu halten nach dem, der zutiefst demokratisch ist, Gott selber.

Er verwandelt Macht in kostbare Gestaltungskraft. Er unterstützt uns, einander wahrzunehmen als wertvolle Ergänzung. Er schafft Frieden, zuallererst in unseren Herzen. Er entfaltet mit uns eine neue, kraftvolle Wirklichkeit, die unser Dasein lebenswert macht, voll gegenseitiger Wertschätzung und Würde, voll von Glück über die Verschiedenartigkeit der Menschen, voll Vergebung für angerichtetes Leid, voll Mut für neue Friedenswege.

Diese Wirklichkeit allein hat Zukunft und wächst auf dem Boden aller zerstörerischen Wirklichkeiten. Wir müssen das Neue nicht schaffen, nicht erkämpfen. Wir dürfen vertrauen, es geschehen lassen durch einen, der alles und alle sorgsam und fürsorglich im Herzen trägt – unser Gott, der Neues liebend gern in unsere Welt hinein gebären möchte, der alle und alles umfängt. Sie können ihn nennen, wie sie wollen: Gott, Jesus, Ewige, Allerbarmender, Nichts, Feind... Das ist nicht entscheidend. Wichtig ist, dass Sie die Augen Ihres Herzens sehnsuchtsvoll öffnen, sich ausstrecken und entdecken, was wächst, was blüht, was knospt, was schon jetzt Zukünftiges im Heute sichtbar, riechbar, schmeckbar und hörbar macht.

Da steckt er drin, mein und Ihr und unser aller Gott. Und sich daran zu orientieren, diese Wirklichkeit umarmen – das öffnet sinnvolle Lebenswege. Wenn sie mehr davon wissen und ahnen wollen, kommen Sie einfach vorbei und fragen Sie nach.

Die Autorin: Schwester Ruth Meili, geboren 1941 am Zürichsee, und ausgebildete Gymnasiallehrerin, trat 1971 in die evangelisch-benediktinische Ordensgemeinschaft Communität Casteller Ring ein. Nach einem Engagement in Schule und Internat auf dem Schwanberg gründete sie mit weiteren Schwestern eine Teestubenarbeit in München-Schwabing. 13 Jahre war sie nach der politischen Wende mit Mitschwestern am Augustinerkloster zu Erfurt. Seit 2010 sind alle Schwestern zurück auf dem Schwanberg in verschiedenen Arbeitsgebieten.

 
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