Bei dem Öko-Pionier Veit Plietz in Schwarzach geht es im Gewächshaus international zu: Die „Russische Fleischtomate“ steht neben dem „Rumänischen Uwe“, gefolgt von der „Schlesischen Himbeere“. Eine Reihe weiter muss die „Süße von Ungarn“ aufpassen, dass ihr der „Kavalier“ nicht zu nahe kommt. Es ist also jede Menge los, auf den 500 Quadratmetern unter Glas, wo über 100 verschiedene Tomatensorten für eine außergewöhnliche und in dieser Form auch einmalige Vielfalt sorgen.
Verbindendes Element zwischen den Tomaten-Nationen ist ein kleiner Kasten, der in der Mitte des Gewächshauses hängt. In dem Kasten wohnt ein Hummelvolk. Genauer: Erdhummeln. Seit gut 15 Jahren arbeitet Veit Plietz in seiner Öko-Gärtnerei mit den fliegenden Bestäubern. Zwar sind Tomaten zwittrig und somit in der Lage, sich selbst zu bestäuben, aber der Pollensack muss dennoch auf die Narbe. Nachdem in Gewächshäusern selten der Wind weht, sorgt das Hummelvolk für den entsprechenden Austausch. Und: Nur Blüten, die ausreichend bestäubt sind, bringen letztlich schmackhafte Tomaten hervor.
Bestellt werden die Tiere im Großhandel oder im Internet. Ein komplettes Volk enthält neben der Königin um die 50 Arbeiterinnen sowie die Brut. Im Mai hängt sich Veit Plietz ein neues Volk zwischen die Tomatenpflanzen – dann heißt es schnell sein: Ausflugloch aufmachen und flüchten. Wegen des Transports und ihres Einsperrens haben die Tiere schlechte Laune. Wobei sie nicht stechen, sondern beißen – was aber vom Schmerz her ähnlich ist.
Ohne Rückstände
Die Aufregung legt sich aber schnell, danach versehen die Hummeln unaufgeregt ihren Dienst zwischen den gut 900 Pflanzen. „Wie im Paradies“ sei das für die Tiere, betont Plietz. Nach dem Ende der Blühzeit – etwa Anfang Oktober – löst sich der Staat auf. Die Arbeiterinnen sterben, die Königin sucht sich ein Erdloch, überwintert und gründet im nächsten Jahr irgendwo einen neuen Staat. Warum die Wahl auf Hummeln und nicht etwa auf Bienen gefallen ist, erklärt der Gärtnermeister so: Durch die Größe der Hummeln und durch ihren haarigen Körper werden große Mengen von Pollen transportiert. Außerdem sind Hummeln ortstreu und tummeln sich tatsächlich fast ausschließlich in der Gewächshaus-Kultur. Vor allem aber: Bei Bienen bleiben oft Wachsrückstände, während die Hummel keine Spuren hinterlässt.
Auch das diesjährige Hummelvolk in der Gärtnerei Plietz hat wieder gut zu tun: Wie schon die Jahre zuvor hat der Hausherr über 100 Tomatensorten angebaut. So richtig gedankt wird es ihm nicht immer: Die Nachfrage nach „konventionellen“ Tomaten ist ungebrochen, die Raritäten kommen über den Liebhaberei-Status kaum hinaus.
Kein Nachfolger in Sicht
Weshalb Veit Plietz derzeit darüber nachdenkt, die Menge zu reduzieren. Zumal auch die schon vor Jahren eingeläutete Suche nach einem Nachfolger für seine Raritäten-Gärtnerei ausgerechnet an diesem Punkt keine Früchte trägt: Es scheint wie verhext, die angestrebte Betriebsübergabe ist weiter weg als zuvor. Nachdem sein Sohn sich entschieden hat, die angegliederte Ökokiste und damit den reinen Vertrieb zu übernehmen, brennt die Weiterführung der ersten Raritäten-Gärtnerei im Landkreis doch sehr unter den Nägeln.
Hinzu kommen die kleineren und größeren Alltagssorgen: Die Kaninchenplage ist auf den Feldern neben dem Münsterschwarzacher Kloster so groß wie noch nie. „Etwa ein Fünftel der Ernte wurde von Kaninchen gefressen“, schätzt Veit Plietz. Außerdem hat er seit Monaten eine Baustelle fast vor der Haustür.
Noch etwas ist anders: Der Hofladen musste aus verschiedensten Gründen verkleinert werden, Fremdprodukte wurden schweren Herzens ganz aufgegeben. Verkauft wird also nur noch, was der eigene Hof hergibt. Und da stehen im Moment die 100 Tomatensorten natürlich ganz vorne – auch dank der Hummeln.