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KITZINGEN
„Wir finden hier unseren Frieden“
Angekommen und angenommen: Suzan, Minas, Murad und Esteven freuen sich über das Weihnachtsgeschenk von Maruschka Hofmann-Sircelj vom Arbeitskreis Asyl.
Foto: Gerhard Krämer | Angekommen und angenommen: Suzan, Minas, Murad und Esteven freuen sich über das Weihnachtsgeschenk von Maruschka Hofmann-Sircelj vom Arbeitskreis Asyl.
Gerhard Kupfer
 |  aktualisiert: 16.11.2015 15:55 Uhr

Die Augen von Murad (33) und Suzan (23) strahlen mit denen ihrer Kinder Esteven (22 Monate) und Minas (fünf Monate ) um die Wette: Die Familie ist glücklich, nicht nur, weil Weihnachten ist, sondern weil sie in Kitzingen in Frieden leben können.

Wegen ihres Glaubens verfolgt

In ihrer ursprünglichen Heimat, der Stadt Baschika im Nordirak, wurden sie verfolgt, denn sie sind Jesiden und gehören damit einer Glaubensgemeinschaft an, die aus Sicht der fundamentalistischen Moslems kein Recht hat, überhaupt zu existieren.

„Baschika ist kaputt“, sagt Murad leise mit traurigem Blick. Nun lebt die Familie seit dem 10. April 2013 in Kitzingen, Minas ist hier geboren. An Weihnachten besuchten sie, nicht zum ersten Mal, einen Gottesdienst in der katholischen Kirche. „Wir finden hier unseren Frieden und sind dort sehr gut angenommen“, freut sich Murad.

Ein Weihnachten im christlichen Sinn kennen die Jesiden nicht, gleichzusetzen mit der Bedeutung von Weihnachten ist für die Jesiden aber das Ida-Ezi-Fest zu Ehren Gottes, das um die Sonnenwende im Dezember gefeiert wird.

Doch an Weihnachten hat es in Murads Heimat auch immer einen Baum gegeben, der „mit allem, was glänzte“, geschmückt war. In der derzeitigen Einzimmerwohnung mit kleiner Küche und Bad würde zwar auch ein kleiner Baum passen, doch hat die junge Familie darauf verzichtet, weil die Kinder den Baum wohl schneller abräumen würden als er geschmückt worden war. Für weihnachtlichen Glanz sorgt dieses Weihnachten deshalb ein Lichter-Rentier, das Maruschka Hofmann-Sircelj vom Arbeitskreis Asyl der Familie mitgebracht hat.

„Wir sind von Weihnachten hier begeistert“, sagt Murad. Zusammen mit ehrenamtlichen Helfern des Arbeitskreises haben sie natürlich auch den Kitzinger Weihnachtsmarkt besucht und Kinderpunsch getrunken. Die Menschen hier seien sehr offen und: An Weihnachten gebe es viele Besuche, was für die Familie sehr wichtig ist. Zusammen mit Freunden feierten sie hier Weihnachten – mit Essen, Trinken, Tanzen und Spielen wie Domino oder Kartenspielen.

Murad und Suzan zeigen auf dem Handy einen Film, in dem Menschen ausgelassen auf der Straße tanzen. „So war es daheim“, sagt Murad, der sein „Daheim“ wohl nicht mehr sehen wird. Denn er glaubt nicht, dass er jemals wieder zurückkehren wird. Er hat dort keine Familie mehr, dafür hat er hier Maruschka, die er „Mama“ nennt. In Deutschland leben zwei Onkel und drei Tanten, Suzan hat einen Bruder in München und einen in Norwegen. Dorthin wollten sie eigentlich, als sie aus dem Irak flüchteten. Doch nun ist Kitzingen ihre neue Heimat, in der sie sich sehr wohl fühlen, haben sie doch hier viele deutsche Freunde gefunden. „Das ist für mich Weihnachten“, sagt Murad.

Wunsch: eine Wohnung

Gefragt nach den Weihnachtswünschen der Familie, steht der nach Frieden in ihrer Heimat ganz oben. Der zweite Wunsch könnte in Erfüllung gehen: Da sie als anerkannte Asylbewerber ihre erste zugewiesene Wohnung in der Gemeinschaftsunterkunft verlassen müssen, wünschen sie sich, dass sie eine neue Wohnung finden. Dann steht Deutsch lernen auf der Liste, gefolgt von einem Auto und natürlich Arbeit. Für alles ist er offen, denn sein Traumberuf Anwalt wird sehr schwierig, fehlt ihm doch das entsprechende Studium. Zusammen mit Maruschka hilft er jetzt schon neu angekommenen Irakern, damit diese sich hier zurecht finden.

Jesiden

Zugehörigkeit: Die Jesiden oder Yeziden sind von der Volkszugehörigkeit Kurden. Ihre Siedlungsgebiete befinden sich innerhalb der Verbreitungsgebiete der Kurden. Ihr Hauptsiedlungsgebiet ist der Nordirak. Die Religion: Nach Schätzungen gibt es weltweit etwa 800 000 bis eine Million Jesiden. Bei ihnen gilt das Gebot der Eheschließung innerhalb der eigenen Religionsgemeinde. Sie kennen keine verbindliche religiöse Schrift wie beispielsweise die Bibel. Die Jesiden geben ihren Glauben an die nachfolgenden Generationen in mündlicher Überlieferung weiter. Im Verlauf von vier Jahrtausenden haben immer wieder andere Religionen, darunter auch Judentum, Christentum und Islam den Glauben der Jesiden beeinflusst. So gibt es zum Beispiel ein an die christliche Taufe erinnerndes Ritual. Doch bis heute kann niemand von außen den jesidischen Glauben annehmen und der Religionsgemeinschaft beitreten. Der Glaube: Die Jesiden glauben an Seelenwanderungen und die Wiedergeburt als Jeside. Die jesidische Religion ist eine monotheistische Religion, die keinen Widersacher Gottes kennt. Gott ist bei den Jesiden einzig, allmächtig und allwissend. Dieser hat dem Menschen den Verstand gegeben und damit die Möglichkeit, für sich den richtigen Weg zu gehen. Eine zentrale Bedeutung hat der Engel Melek, der durch einen Pfau symbolisiert wird und für die Anerkennung der Allmacht Gottes steht. Für radikale Islamisten stellt die Verehrung dieses Engels eine Art „Teufelsanbeterei“ dar. Das Jesidentum respektiert andere Religionen und Völker.

 
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