Der moderne Mann hat es gar nicht so leicht. Individualität soll er ausstrahlen, Stärke und Entschlossenheit. Gut gepflegt muss er daher kommen. Und alles in allem darf er gern auch attraktiv wirken. Ein verwegener Drei-Tage-Bart oder ein wuscheliger Vollbart steht vielen, aber nicht allen Männern. Doch wie findet Mann heraus, ob er glatt rasiert oder schön haarig am besten ankommt?
In den Großstädten gibt es seit kurzem einen Trend: Barber-Shops mit historischer Herrenfriseur-Ausstattung bieten ein Rundum-Programm an. Mann nimmt auf einem Ledersessel Platz, schließt die Augen und lässt dem Experten mit seinem Seifenschaum, dem Borstenpinsel und der Messerklinge freie Hand. Das Ergebnis der Nassrasur wie anno dazumal kann sich zumeist sehen lassen – und entspannt ist der Herr der Schöpfung danach auch.
Auf dem Land ist der Barber-Trend noch nicht angekommen. Aber auch hier gibt es Friseurmeister, die das Metier bestens beherrschen. Ralf Dieter, Redaktionsleiter der KITZINGER, hat die Probe aufs Exempel gemacht und mit seinem Stoppelbart Silke Bimmerlein in ihrem Salon in der Kitzinger Siedlung besucht.
Ab und zu rasiert die Friseurmeisterin tatsächlich noch Männer nach alter Handwerks-Tradition. Sie hat das richtig gelernt, musste ihr Können sogar in der Abschlussprüfung zeigen. Heute gehört das Bartstutzen nicht mehr zum Lerninhalt der Friseur-Auszubildenden. „Die Nachfrage ist in Zeiten des Elektrorasierers einfach gering“, erklärt Silke Bimmerlein. Als in den 90er Jahren Krankheiten wie AIDS um sich griffen, die durch Blut übertragbar sind, war das Rasieren beim Friseur sogar für einige Zeit tabu.
Inzwischen denkt man im bayerischen Landesinnungsverband allerdings darüber nach, das fachmännische Rasieren eventuell wieder in die Prüfungen – und damit in den Salonalltag – aufzunehmen.
Mit Hilfe eines Luftballons kann man den richtigen Umgang mit dem Messer ganz gut lernen, weiß Silke Bimmerlein. Ballon aufblasen, einseifen – und los geht's. „Wenn das Gummi platzt, weiß man: Jetzt hätte es den Kunden erwischt“, erklärt sie und fasst sich dabei ganz plastisch an die Gurgel.
Bei dieser Erläuterung und angesichts des schweren, silberfarbenen Rasiermessers aus Eisen, das mit seinen zwei parallelen Klingen an einen Sparschäler erinnert, wird Ralf Dieter dann doch ein bisschen blass. Silke Bimmerlein gibt ihm aber keine Zeit, groß zu überlegen. Sie kippt seinen Sessel nach hinten und legt ihm ein schützendes Tuch über die Schultern. Dann nimmt sie einen Tiegel mit Rasierseife vom bereitstehenden Porzellanteller, schraubt die Dose auf, befeuchtet den dicken Pinsel: „Der besteht aus echten Wildschweinborsten!“ Sie rührt die Seife mit Wasser an. Und schon hat der Redaktionsleiter eine Portion cremig-weißen Schaum im Gesicht.
In eine weiße Wolke gehüllt
Silke Bimmerlein pinselt sorgfältig. Von den Ohren über den Hals bis hoch zur Nase ist der Mann nun in eine weiße Wolke gehüllt. Bevor die Friseurmeisterin das Messer ansetzt und es von der Wange bis hinunter zum Hals zieht, spannt sie Ralf Dieters Haut mit den Fingern ein bisschen nach. „Bei ihm würde es auch noch ohne gehen“, erklärt sie. „Aber bei älteren Männern, deren Haut schon ein bisschen runzliger ist, muss man sehr aufpassen, dass man nicht hineinschneidet.“
Der Redakteur hält die Augen geschlossen. Man sieht kaum, dass er atmet. Ist alles klar? Der 46-Jährige blinzelt kurz. „Alles super“, sagt er, ohne sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Silke Bimmerlein geht ihm jetzt ganz schön an den Kragen. „Man muss immer mit dem Strich rasieren“, stellt die Fachfrau fest, während sie ihre Bahnen durch die Borsten zieht. „Immer mit der Wuchsrichtung, nie dagegen!“
Rund um Lippen und Nase wird es richtig spannend. Doch auch diese Hürden umkreist die Fachfrau mit dem Messer elegant.
Nach etwa einer Viertelstunde ist Ralf Dieter sein Stoppelfeld los. Mit einem Handtuch wischt ihm Silke Bimmerlein die letzten abgeraspelten Barthärchen vom Gesicht. Sie nimmt ein Fläschchen original „Old Spice“-Rasierwasser, schüttet sich ein paar Tropfen davon in die Handflächen und verteilt das erfrischende Wässerchen in Ralf Dieters Gesicht, um den ph-Wert der Haut wieder ins Gleichgewicht zu bringen. „Den Duft kenn' ich“, ruft der Redaktionsleiter und schlägt die Augen auf. „Das hat mein Großvater schon benutzt!“
Ganz glatt rasiert wirkt Ralf Dieter gleich ein paar Jahre jünger. Prüfend fährt er mit der Hand über seine samtweichen Wangen und betrachtet sich dann im Spiegel. Er sieht sehr zufrieden aus. Richtig entspannt.
ONLINE-TIPP
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Ohne-Bart-Tag
Weg mit alten Zöpfen: Der heutige 18. Oktober ist der Ohne-Bart-Aktionstag (No Beard Day). Er soll dazu ermutigen, sich ruhig mal von „alten Zöpfen“ zu trennen.
Längster Bart: Bärte sind aktuell ziemlich in Mode – doch nur, wenn sie gut getrimmt sind! Das Wachstum der Barthaare wird vom Androgen Testosteron ausgelöst und kann beträchtlich sein. Den längsten bisher gemessenen Bart trug der 1927 in den USA verstorbene Norweger Hans Langseth. Er brachte es auf 5,33 Meter.
Irrglaube: Dass der Bartwuchs durch häufige Rasur stimuliert wird, ist ein weit verbreiteter Irrtum. ldk