Reinhard Hüßner wäre nicht Reinhard Hüßner, wenn es da nicht immer wieder diese kleinen, netten Randgeschichten von ihm gäbe. Wobei es in diesem Fall nicht nur eine Anekdote ist, sondern eher eine Sensation. Oder sagen wir mal: ein Sensatiönchen. Zumindest ist es so, dass die örtlichen Geschichtsbücher ein wenig umgeschrieben werden müssen.
Dort steht nämlich bisher, dass die älteste Kirchenglocke von Mönchsondheim aus dem Jahre 1425 bei der Neuanschaffung eines komplett neuen Geläutes 1945 abgegeben und eingeschmolzen wurde. So sollten die neuen Glocken teilfinanziert werden. Dachte man. – Stimmt aber nicht. Den Verdacht hatte der Mönchsondheimer Museumsleiter schon länger. Er machte sich auf die Suche – und wurde jetzt belohnt: Dieser Tage konnte das tatsächliche Schicksal der historischen Glocke endgültig geklärt werde. Sie steht unversehrt in einer Scheune im oberbayrischen Hohenthann nahe Rosenheim.
Wie ist es dazu kam? Hüßner zeichnete den Weg nach: Als die Mönchsondheimer 1942 ihre Glocken abliefern mussten, verblieb von den insgesamt fünf Glocken nur die älteste im Dorf, die aus dem Jahre 1425. Nach dem Krieg kehrten zwei kleine Glocken, die der Friedhofskapelle und die des Mesnerhauses, unversehrt nach Mönchsondheim zurück. Für immer verloren waren hingegen die mittlere und die kleine Glocke, die auf dem Kirchturm hingen.
Neue Glocken begrüßt
Nach der Währungsreform 1948 beschlossen die Mönchsondheimer am 3. Oktober 1949 in einer Gemeindeversammlung, möglichst bald drei neue Bronzeglocken anzuschaffen. Der Chronist hält weiter fest: „Die alte gesprungene Bronzeglocke soll in eine Glocke umgeschmolzen werden.“ Am 19. Dezember 1949 begrüßte das ganze Dorf die neuen, in Heidingsfeld gegossenen Glocken. Sie wurden unter dem Geläute der alten Glocke von 1425 feierlich in das Dorf geleitet. Diese musste dann weichen und wurde vom Turm genommen. Ab diesem Moment verlor sich ihre Spur, und man ging davon aus, dass die Glocke tatsächlich eingeschmolzen worden war.
Keine Erlaubnis zum Einschmelzen
Zufrieden geben wollte sich Reinhard Hüßner damit aber nicht. Er besuchte Archive und Registraturen, führte Gespräche und kam dem Schicksal der 538 Kilogramm schweren Glocke aus dem Jahre 1425 immer näher. Demnach nahm die Glockengießerfirma das historische Objekt für die neuen Glocken tatsächlich mit einen Betrag von 1920,05 DM in Zahlung, erhielt aber vom Landesamt für Denkmalpflege aufgrund des hohen Alters keine Erlaubnis zum Einschmelzen. Vielmehr, so die Vermutung von Denkmalpflegern, sollte die zwar reparaturbedürftige, aber trotzdem funktionstüchtige Glocke an eine Pfarrgemeinde mit entsprechenden Bedarf vermittelt werden.
Es dauerte schließlich fast vier Jahre, bis mit der katholischen Pfarrgemeinde Hohenthann bei Rosenheim ein Käufer gefunden wurde. Nach einer Reparatur tat die Glocke zwischen 1953 und 2019 ihre Dienste auf dem dortigen Kirchturm. Aufgrund einer allgemeinen Materialermüdung wurde sie vor einem Jahr abgenommen und durch eine neue ersetzt.
Natürlich ließ es sich Hüßner nicht nehmen, der endlich wiederentdeckten Glocke einen Besuch abzustatten. Dabei fand er heraus: Die ausrangierte Glocke soll im direkten Umfeld des Gotteshauses im Freien unter einer Überdachung dauerhaft ausgestellt werden. Bis es soweit ist, werde sie beim örtlichen Kirchenpfleger Josef Bodmaier zwischengelagert.
Ob das tatsächlich das Schlusskapitel für die Glocke ist? Wer Reinhard Hüßner kennt, weiß: Er hat schon ganz andere Dinge an die große Glöcke gehängt – eine Rückkehr nach Mönchsondheim sollte man jedenfalls nicht zwingend ausschließen.