"Die Leute, die hier Eigentum haben, haben uns voll gut angenommen." Der Mann, der diesen Satz sagt, hat jahrzehntelang in der Egerländer Straße gewohnt. Im sogenannten Notwohngebiet in Kitzingen mit seiner Gewalt- und Drogenproblematik. Wolfgang Schermer, vielen als "Sheriff" bekannt, ist vor drei Jahren umgezogen: in eine der städtischen Wohnungen am vorderen Galgenwasen, nahe der B8. Wie geht es ihm und anderen ehemaligen "Notwohnern" in ihrer neuen Umgebung? Ob sie sich integriert haben? Und wie läuft es mit den alteingesessenen Nachbarn? Ein Gespräch vor Ort.
"Der Umzug war das Beste, was uns passieren konnte"
Während der "Sheriff" mit seinen 71 Jahren schon im Rentenalter ist, kommt Hannelore Brandt gerade von der Arbeit. Die 58-Jährige arbeitet in der Pflege. Ihr Sohn Tobias, 28, ist in einer Großküche der Mainfränkischen Werkstätten beschäftigt. Hanne Brandt macht erst einmal Kaffee für alle. Sie wohnt im Block neben Schermer in einer der städtischen Wohnungen und sagt: "Der Umzug von der Egerländer Straße an den Galgenwasen war das Beste, was uns passieren konnte." Ihr Sohn nickt heftig und meint jubelnd: "Endlich habe ich mein eigenes Reich, wo ich Musik hören kann, wann ich will."
Hildegard Sauer lacht. Der junge Mann mit seinen Eigenheiten, aber auch seiner Begeisterungsfähigkeit ist ihr ans Herz gewachsen. Die 84-Jährige lebt seit über 50 Jahren am Galgenwasen. Das gebürtige Stadtkind kam mit Mann und drei Kindern Anfang der 1970er-Jahre in die Siedlung, ihr viertes Kind wurde hier geboren.
Mittlerweile ist Hildegard Sauer Witwe und ihre Kinder leben anderswo. Umso mehr freut sie sich darüber, dass sie zum Beispiel mit Tobias' Mutter inzwischen eine richtige Freundschaft verbindet. "Die Hanne und ich haben uns vorher nicht gekannt, aber schon bei der ersten Unterhaltung vor drei Jahren gut verstanden", berichtet Hildegard Sauer: "Ich bin froh darüber, dass sie hier ist."
"Ich freue mich immer noch jeden Tag über meine warme Dusche"
Hanne Brandt sieht das ähnlich. "Wir sind hier angekommen und fühlen uns wohl", sagt sie. Auch entlang der B8 ist die Welt natürlich nicht immer rosig. Die Wohnungen sind auch hier vergleichsweise hellhörig – und auch hier passiert nicht immer nur Positives. Aber in ihrer unmittelbaren Umgebung, sagt Hanne Brandt, helfe man sich gegenseitig, gieße die Blumen, füttere die Tiere und leere die Briefkästen der Nachbarn aus, wenn jemand verreist ist.
"Und wenn jemand krank wird, dann schauen wir nach der- oder demjenigen." Wolfgang Schermer ergänzt: "Ich freue mich immer noch jeden Tag über meine warme Dusche. Und über den freundlichen Empfang hier." Gern stelle er immer für alle Nachbarn die Abfalltonnen raus.
Solches Engagement freut Claudia Ringhoff. Die Pädagogin, seit knapp einem Jahr Quartiersmanagerin in der Siedlung, sagt: "Dass Menschen sich gegenseitig unterstützen, wird in unserer Gesellschaft immer wesentlicher. Gute Nachbarschaft ist unglaublich wichtig." Sie hätte nichts dagegen, wenn Gemeinschafts- und Nachbarschaftsprojekte aller Art sich wie ein roter Faden durch die ganze Siedlung zögen.
"Im Voraus kein Urteil über Menschen bilden"
Ein paar Regeln sind den Nachbarn am vorderen Galgenwasen wichtig. "Man sollte dem anderen immer ehrlich sagen, was man denkt und was man von einer Sache hält", findet Hanne Brandt. "Sonst entstehen nur unnötig Konflikte." Hildegard Sauer fügt hinzu: "Und man sollte sich im Voraus kein Urteil über Menschen bilden. Wer sich anständig aufführt, hat eine Chance verdient."
Sie freue sich immer, sagt Hildegard Sauer, wenn sich die Nachbarn rund um die große Fichte neben den Wohnblocks treffen. Sie deutet auf den stattlichen Nadelbaum: "Den haben mein Mann und ich vor 50 Jahren gepflanzt."