100 Prozent sind es zwar nicht geworden, aber die Zahl lässt auch so aufhorchen: Gegen die 122 Bescheide über Straßenausbaubeiträge, die die Verwaltungsgemeinschaft kurz vor Jahreswechsel an die Haushalte in den drei Ortsteilen der Gemeinde Biebelried versandt hatte, liegen inzwischen 92 Widersprüche vor. Das berichtete Bürgermeisterin Renate Zirndt in der Bürgerversammlung am Donnerstagabend in Kaltensondheim.
Widerspruchsfrist abgelaufen
Inzwischen ist die Widerspruchsfrist abgelaufen, was aber nicht bedeutet, dass nicht doch noch Einwände von Haus- und Grundstücksbesitzern in der Verwaltungsgemeinschaft (VG) eingehen. „Wenn es nachvollziehbare Gründe gibt, werden auch Einsprüche nach Ablauf der Frist bearbeitet“, so VG-Leiterin Heike Thoma am Freitag gegenüber der Main-Post.
Wer am Donnerstag in der Kaltensondheimer Bürgerversammlung einen Sturm der Entrüstung erwartet hatte, hatte sich jedoch getäuscht. Zwar hatten die ausgerechnet in der „staden Zeit“ zwischen Weihnachten und Silvester versandten Bescheide in der Gemeinde für Wallung gesorgt, doch hatte der Gemeinderat schon in der vergangenen Woche etwas Druck aus dem Kessel genommen.
Bei nur einer Gegenstimme beschloss das Gremium am 22. Januar, bei entsprechendem Antrag auf den so genannten Sofortvollzug der Bescheide zu verzichten und auch keine Aussetzungszinsen und Säumniszuschläge zu verlangen. Andernfalls wären die Beiträge bis zum 14. Februar fällig gewesen – auch im Falle des Widerspruchs.
Wie bereits berichtet, waren für Biebelried, Westheim und Kaltensondheim Bescheide für Straßenausbauten versandt worden, deren Abschluss zum Teil bis in die erste Hälfte der 1990er Jahre zurückreicht. Grundlage ist eine 2008 beschlossene Beitragssatzung, die rückwirkend bis 1993 gilt. Eine nachträgliche Beschränkung der Forderungen auf seit April 2008 abgeschlossene Arbeiten hatte der Gemeinderat im Oktober 2012 abgelehnt.
Wie es zu den reichlich späten Bescheiden kommen konnte, erläuterte Bürgermeisterin Renate Zirndt in der Bürgerversammlung. Die Gemeinde Biebelried habe eigentlich schon seit 1980 den Auftrag gehabt, eine Satzung über Straßenausbaubeiträge zu erlassen. Dass das nicht geschah, führte Zirndt darauf zurück, dass man in der 1978 im Zuge der Gebietsreform entstandenen Gemeinde möglicherweise „zunächst andere Sorgen“ gehabt habe und dass seinerzeit auch die Gemeindekasse gut gefüllt gewesen sei. Auch habe ihr Amtsvorgänger Wilhelm Kreuzer (1990 bis 2008) die Sache mit den Beiträgen offenbar anders gesehen: „Wie Bürger in ihren Widersprüchen mitteilten, habe ihnen der frühere Bürgermeister gesagt, dass es sich bei den Arbeiten um Reparaturen handle, für die keine Beiträge anfallen würden.“
Dem widerspricht Wilhelm Kreuzer auf Anfrage der Main-Post auch nicht: „Zum Beispiel die Pflasterarbeiten in Westheim: Die haben wir doch zum großen Teil in Eigenregie mit dem Bauhof gemacht, uns sogar gebrauchte Steine besorgt“, so Kreuzer. Er jedenfalls hätte dafür keine Beiträge verlangt. In den jetzt versandten Bescheiden seien zahlreiche Positionen aufgeführt, die wohl auch nicht haltbar seien, meint der frühere Bürgermeister.
Widersprüche nicht aussichtslos
Dass die 92 Widersprüche nicht ohne Aussicht auf Erfolg sind, ließ am Donnerstag auch Bürgermeisterin Zirndt durchblicken. Problem sei die Beweisführung durch die Verwaltung – vor allem in der Frage, ob es sich bei den Straßenausbauten nun tatsächlich um Verbesserungen und nicht nur um Reparaturen gehandelt habe. Auf jeden Fall werde die Prüfung der Widersprüche Verwaltung und Gemeinderat wohl über Monate hinweg beschäftigen.
Wer trotz Widerspruchs seine Beiträge zahle und hinterher Recht bekomme, der erhalte sein Geld „gut verzinst“ zurück, so Renate Zirndt. Auf unberechtigt erhobene Beiträge würden nämlich sechs Prozent gezahlt – was die Bürgermeisterin allerdings nicht als Anlagetipp verstanden wissen wollte.
Eine Informationsveranstaltung zum Beitragsstreit veranstaltet die Gemeinde am Donnerstag, 21. Februar, um 20 Uhr im Feuerwehrhaus Kaltensondheim.