Thomas Gschwandtner kennt die Diskussion. Sie taucht jedes Jahr zu gleichen Zeit auf. Etwa jetzt, Mitte bis Ende August. Dann heißt es wieder, dass es besonders viele Wespen in diesem Jahr seien. Gschwandtner muss bei dieser Aussage lächeln. „Es gibt keine Wespenzählungen“, sagt der Vorsitzende des Imkerkreisverbandes Kitzingen. „Aber gefühlt werden es eher weniger.“
Zwetschgenzeit ist Wespenzeit. Also dürfte es niemanden verwundern, dass sich die gelb-schwarz-gestreiften Tiere in diesen Tagen recht häufig an den Essenstellern und Gläsern in Biergärten und auf Terrassen aufhalten. „Wenn das Brutgeschäft nachlässt, macht sich die Wespe auf die Suche nach Kohlenhydraten“, erklärt Gschwandtner. Neben Nektar ernähren sie sich – anders als Bienen – auch sehr gerne von anderen Tieren wie Fliegen, Spinnen oder Raupen.
Gschwandtner hat schon einmal eine Wespe gesehen, die den Kampf gegen eine Kakerlake aufgenommen hat. „Aber wir Menschen“, sagt er und muss lachen. „Wir Menschen gehören ganz sicher nicht zum Beuteschema.“
Die Begegnung mit Wespen sei kein Grund zur Panik, betont auch der Landesbund für Vogelschutz in einer Pressemitteilung. Nur zwei Arten seien besonders hartnäckig, wenn sie Kuchen, Fleisch oder Limonade anfliegen.
Die Gemeine und die Deutsche Wespe. Besonders bei Gewitter oder zum Ende der Flugzeit steige bei vielen Wespen die Aufdringlichkeit. „Dann geht man ihnen am besten aus dem Weg“, rät LBV-Pressereferentin Stefanie Bernhardt.
Thomas Gschwandtner lockt beim Pressetermin in seinem Sulzfelder Domizil ganz gezielt ein paar Wespen an – und demonstriert, wie sich der Mensch am besten verhält: möglichst ruhig! „Wespen sehen mit ihren Facettenaugen gerade die schnellen Bewegungen sehr gut“, erklärt er. Deshalb gibt es Blumenarten mit einem dünnen Stengel und relativ schwerem Kopf, die sich hin und her bewegen. „Die werden von den Wespen erkannt“, erklärt der Experte und streckt einem Exemplar ganz langsam seine Hand entgegen. Die dreht ab und macht sich auf die Suche nach einem interessanteren Objekt.
Immer wieder wird Gschwandtner mit Missverständnissen konfrontiert. Wegpusten sollte man die Tiere auf keinen Fall – das Kohlendioxid in der Atemluft ist für sie eher ein Alarmsignal, warnt der LBV. „Es versetzt sie in Angriffstimmung.“ Viel besser wirke das Besprühen mit einem Wasserzerstäuber. „Die Tiere denken, dass es regnet und fliegen zurück zu ihrem Nest“, erklärt Gschwandtner. Wer seine Lebensmittel und Getränke abdeckt und die Reste schnell entsorgt, der sollte keine Probleme bekommen. Kinder sollten ihre Limo vorsichtshalber aus Strohhalmen trinken.
„Nach dem Essen am besten das Gesicht und die Hände abwischen“, empfiehlt Stefanie Bernhardt vom LBV und warnt: Auch duftende Parfüms und Cremes können Wespen anlocken.
Etwa ein bis zwei Kilometer legen Wespen von ihrem Nest aus zurück, wenn sie auf Nahrungssuche sind. Und die wird immer schwerer. Ihr natürlicher Lebensraum werde immer kleiner, bedauert der Sulzfelder. Die zunehmende Flächenversiegelung stellt auch für Wespen ein Problem dar.
Immer wieder erhält der Imker die Nachricht von einem Wespennest in Häusern oder Garagen. In der Regel lässt er sie hängen. Nur an besonders sensiblen Stellen wie in Kindergärten oder im Freibad, greift er ein. „Grundsätzlich sind die Tiere harmlos“, betont er und ärgert sich über Falschmeldungen im Internet. Wespen, die Holzbalken aushöhlen oder zerstören und Ähnliches. „Da wird ein Haufen Mist verbreitet.“ Tatsächlich fangen Wespen diejenigen Tiere, die sich an den Balken zu schaffen machen könnten – Käfer und Würmer.
Auch für die Weinberge seien die Tiere durchaus nützlich, fressen sie doch Raupen oder versetzen sie zumindest in eine Schockstarre. „Und in der Zeit können sie auch keine Trauben fressen“, sagt Gschwandtner und lächelt. Sein Wunsch: Die Menschen müssten sich wieder mehr auf die Natur besinnen und sich im Klaren sein über die vielen kleinen Bausteine, ohne die das Miteinander in der Natur nicht funktioniert. „Dazu gehören eben auch Insekten und Wespen.“
Für diejenigen, die trotz allem Angst vor den Wespen haben, hat Thomas Gschwandtner eine gute Nachricht. Der Besuch an den gedeckten Tischen ist bald wieder vorbei. Im Herbst verlassen die Wespen ihr Nest. „Und sie kommen nicht wieder zurück“, versichert der Sulzfelder. Aus hygienischen Gründen bauen die Tiere im Folgejahr ihr Nest neu. In der Regel an einer anderen Stelle. Damit und mit der Aufzucht der Larven sind sie dann bis in den Spätsommer beschäftigt und lassen sich kaum blicken. Bis die nächste Zwetschgenzeit beginnt.