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Kitzingen
Wenn sich Nachbarn in die Haare bekommen: Die "Schmalzlocke" als Gerichtsfall
Den Vogel zeigen – ein Klassiker unter den Beleidigungen. Bei anderen Dingen ist der Grad der Beleidigung dagegen nicht immer klar. Ob 'Schmalzlocke' dazugehört, versuchte jetzt die Kitzinger Strafrichterin zu klären.
Foto: Jens Büttner, dpa | Den Vogel zeigen – ein Klassiker unter den Beleidigungen. Bei anderen Dingen ist der Grad der Beleidigung dagegen nicht immer klar. Ob "Schmalzlocke" dazugehört, versuchte jetzt die Kitzinger Strafrichterin zu klären.
Sigfried Sebelka
Siegfried Sebelka
 |  aktualisiert: 15.02.2025 02:33 Uhr

Es gibt Fragen, die werden auch vor Gericht nicht einfach mal so geklärt. Das trifft zum Beispiel auf die halbwegs interessante Frage zu, ob die spätestens seit Elvis Presley bekannte "Schmalzlocke" eine Beleidigung ist oder nicht. Der Duden zumindest wertet die in den 50er Jahren beliebte Frisur mit viel Pomade als "scherzhaft abwertend". Ob die "Schmalzlocke" den Tatbestand der Beleidigung erfüllt, wenn man einen ungeliebten Nachbarn damit betitelt, sagt der Duden nicht, ist also weitgehend ungeklärt – und bleibt es auch erstmal.

Im konkreten Fall soll ein 36-Jähriger die "Schmalzlocke" in einem Kitzinger Mehrfamilienhaus verwendet haben. Nach jahrelangen Streitigkeiten, tief sitzender Abneigung, kleineren und größeren Schikanen hatte der Mann an einem regnerischen Julitag ein Rad auf dem Grundstück abgestellt. Zumindest aus Sicht des Nachbarn war der überdachte Grillplatz als Fahrradstellplatz allerdings völlig daneben. Das hat er auf einem Zettel am Schwarzen Brett des Hauses klar gemacht. Dazu die Frage, ob der Radfahrer vielleicht "nur Singen und Klatschen in der Schule gehabt habe" und deshalb die Hausordnung nicht lesen könne.

Langes Vorstrafenregister

Der Radfahrer, dessen Eltern und Kinder in der Wohnanlage leben, wusste sofort, woher der Pinnzettel kam. Folge: Bei nächster Gelegenheit wurde der Nachbar zur "Schmalzlocke". Wobei unklar blieb, oder der 36-Jährige dem Mitmieter das "Kompliment" direkt gemacht hat, oder "die Schmalzlocke" nur seinem Vater gegenüber erwähnt hat, wie er es schilderte. Der Nachbar hat es jedenfalls gehört und das reichte für eine Anzeige.

Und die wiederum reichte für einen Strafbefehl samt Geldstrafe und Einspruch. Wie in der folgenden Verhandlung im Amtsgericht deutlich wurde, gab es den Strafbefehl wohl nur, weil der Radler ein langes Vorstrafenregister hat . Zudem stand er auch noch unter offener Bewährung und damit unter besonderer Beobachtung. Es wurde aber schnell klar: Die Vorstrafen scheinen Geschichte zu sein. Der Mann hat nach Ansicht seiner Bewährungshelferin in den vergangenen Jahren "eine 180-Grad-Wende" hingelegt und sei auf dem richtigen Weg.

Die Frage nach der Strafbarkeit bleibt ungeklärt

Den wollte ihm das Gericht nicht wegen einer "Schmalzlocke" verbauen. Ein kurzer Blick zur Staatsanwältin und Verteidigerin, hier ein Nicken, da noch ein Nicken und Richterin Ingrid Johann stellte das Verfahren ein. Die Kosten trägt die Staatskasse. Gut für den Radfahrer, schlecht für alle, die die halbwegs interessante Frage nach der Strafbarkeit der "Schmalzflocke" gerne geklärt gehabt hätte. Sie müssen bis zur nächsten Auftritt des Haarteils warten.

 
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  • Michael Gebert
    Die Verfahrenskosten hätten hier mal lieber dem Nachbarn in Rechnung gestellt werden sollen. Mir fällt da gerade leider wirklich kein lächerlicherer Grund ein, eine Anzeige zu stellen.
    Selbiges hat sich wohl auch der aufnehmende Beamte gedacht, war aber zur Aufnahme wohl auch gezwungen...
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