Amigo-Affäre, Siemens-Schmiergelder, VW-Abgasskandal, Panama-Papers: Klaus Ott gehört zum Rechercheteam „Investigativer Journalismus“ der „Süddeutschen Zeitung“. Was ihn bei monatelangen Recherchen antreibt, warum internationale Rechercheteams notwendig sind, hat Ott Gymnasiasten in Marktbreit (Lkr. Kitzingen) erläutert – und danach dieser Redaktion.
Klaus Ott: Nicht die Schlagzeilen sind wichtig, sondern dass durch unsere Recherchen Prozesse in Gang kommen, die Monate und Jahre dauern und nachhaltig wirken. Ein Staat wie Panama wird reagieren, wird sein Verhalten ändern müssen. Für VW und andere Autobauer gilt das ebenfalls. Zudem folgen ja oft aufsehenerregende Strafverfahren.
Ott: Die großen Themen sind für den Einzelnen schwer fassbar. Bei den Flüchtlingen gibt es einfache Parolen, beim Steuerthema nicht. Dafür braucht es Zeit und viel Sachverstand, da fühlen sich manche ohnmächtig und als Verlierer der Globalisierung. Dabei wird übersehen, dass einiges in Gang kommt, was zu mehr Gerechtigkeit führt. Aber es ist halt nicht so einfach und plakativ wie beim Thema Flüchtlinge.
Ott: Man darf von den Regionalzeitungen nicht zu viel verlangen. Fünf Mann über Tage und Wochen an einem Thema arbeiten zu lassen, wäre wirtschaftlich schwierig. Regionale Medien müssen wissen: Was läuft in der Region. Und wenn da zum Beispiel ein Abgeordneter etwas macht, was womöglich nicht in Ordnung ist, dann ist gut, wenn sich Journalisten vor Ort kümmern, dran bleiben, Fakten zusammentragen, mögliche Konsequenzen aufzeigen. Allerdings sehe ich Potenzial für Zusammenarbeit bei größeren Themen. Wenn es um Nordbayern geht, könnten „Main-Post“, „Nürnberger Nachrichten“ und meinetwegen „Fränkischer Tag“ je zwei Mann abstellen für gemeinsame Recherchen.
Am Ende hätten alle etwas davon. Man könnte gemeinsam zeigen, warum Regionalzeitungen unverzichtbar sind.
Ott: Ich habe bei den Panama-Papers nur zu einem Aspekt, der Rolle der deutschen Banken, recherchiert. Bedrohten Kollegen wird jede erdenkliche Hilfe angeboten. Aber für Mexiko und andere Länder gilt: Jede Zeitung muss entscheiden: Wie risikoreich ist das für uns? Wie weit können wir gehen? Zum Glück gibt es weltweit viele mutige Kollegen, die unbedingt Machenschaften und Missstände in ihrem Land aufdecken wollen, und keinesfalls zurückstecken.
Ott: Natürlich. Wenn man sich anschaut, wie Journalisten arbeiten und leben in Mexiko, manchen Ländern in Südamerika, auch Russland oder aktuell der Türkei, da kann man nur den Hut ziehen vor deren Mut. Schlimmere Umstände gibt es nicht, oft ist das eigene Leben in Gefahr, und trotzdem wird weiter Aufklärung betrieben.
Ott: Es klingt vielleicht überraschend: Aber es hat ,eins a‘ geklappt, zu den Panama-Papers ist keine wichtige Information vorher rausgegangen. Das hängt auch damit zusammen, dass dieses Projekt auf vorherigen aufgebaut hat. Die meisten kannten sich und wussten, mit wem man es zu tun hat. So eine Zusammenarbeit kann nur auf der Basis von Vertrauen funktionieren.
Ott: Man dürfte sich nicht kirre machen lassen, nicht hinter jedem Kollegen einen möglichen Verräter vermuten. Sonst kann man Zusammenarbeit vergessen. Außerdem sind Vorkehrungen nötig: Quellen müssen geschützt bleiben, man gibt bestimmte Informationen auch an engste Kollegen nicht weiter. Behält die Quelle bei sich im Kopf und sonst nirgendwo. Wenn jemand brisante Informationen beisteuert, will ich gar nicht wissen, woher er sie hat. Die Quelle ist umso besser geschützt, je weniger Leute Bescheid wissen. Neulich hatte ein Kollege zur VW-Geschichte ein internes Papier. Woher, geht mich nichts an. Wir haben die Echtheit überprüft und bestätigt, das ist entscheidend.
Ott: Bei VW oder der Banken-Geschichte, an der ich gerade arbeite, geht es um Grundsätzliches – was in der Wirtschaft oder unserer Gesellschaft nicht in Ordnung ist. Solche Themen reizen Medien ungemein, weil wir für Aufklärung und Transparenz sorgen können. Manchmal gelingt es sogar, Dinge, die grundsätzlich in die falsche Richtung laufen, umzukehren. Bei der Autoindustrie ist die Trickserei mit den Abgaswerten schon viele Jahre gelaufen, alle wussten es. Aber es ist erst zum großen Thema, zur Affäre geworden, als die US-Behörden erklärt haben: Wir sind von VW betrogen worden, die Strafen könnten einen zweistelligen Milliardenbetrag ausmachen. Dann den Finger in die Wunde zu legen und aufzupassen, dass Konsequenzen gezogen werden, der Schutz von Gesundheit und Umwelt ernst genommen wird, ist Ansporn, in solche Geschichten einzusteigen.
Ott: Fatal wäre, wenn alles bliebe, wie es ist. Wenn es keine Konsequenzen gäbe, könnte ein Ohnmachtsgefühl entstehen. Aber dadurch, dass sich beispielsweise die Autoindustrie jetzt bewegt, die Abgaswerte verbessern will, können wir Journalisten der Öffentlichkeit ja belegen: Liebe Leute, es tut sich was. Es wendet sich zum Besseren.