zurück
Kitzingen
Wenn die Liebe nur Betrug ist: Wie eine Frau zur Geldwäscherin wurde
Aus dem Gericht: Am Anfang ist eine Dating-App. Eine 62-Jährige glaubt an den Traummann. Doch der entpuppt sich als gewiefter Betrüger und kassiert 38.000 Euro ab.
Über eine Dating-App lernet eine Frau aus dem Landkreis ihren vermeintlichen Traumprinzen kennen – doch der erwies sich als Abzocker. 
Foto: Sven Hoppe, dpa | Über eine Dating-App lernet eine Frau aus dem Landkreis ihren vermeintlichen Traumprinzen kennen – doch der erwies sich als Abzocker. 
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:11 Uhr

Blind vor Liebe - in diesem Fall muss man sich das wohl genau so vorstellen. Die Frau wollte der Einsamkeit entfliehen und an die große Liebe glauben, unbedingt. Koste es, was es wolle. Am Ende lautete die Kostenrechnung so: Das eigene Ersparte war weg. Zudem geriet die Frau in den Verdacht, bewusst bei einer Geldwäsche die Hauptrolle zu spielen. Genau das führte schließlich auch zu einer Anklage und einem Prozess am Kitzinger Amtsgericht.

Die Geschichte ist einerseits fast schon ein Abzock-Klassiker. Andererseits ist sie so hanebüchen, dass es den Prozessbeteiligten zwischenzeitlich schwer fällt, nicht ständig den Kopf zu schütteln. Am Anfang steht die Anmeldung auf einer Dating-App. Die 62-Jährige ist schon länger krank und deshalb berufsunfähig. Sie ist seit 20 Jahren verwitwet, wobei ihr Mann sie schon zuvor sitzen ließ. Um vielleicht doch noch einmal ein Stück vom Glück abzubekommen, kam die App der einsamen Herzen ins Spiel.

Traummann als Fake

Und wie das oft so ist: Da war plötzlich jemand. Nennen wir den Mann einfach Peter. Wobei der Name ebenso falsch ist wie die dazugehörige Geschichte: Peter ist Amerikaner, arbeitet als Wasserbauingenieur und befindet sich beruflich für ein Jahr in Ghana. Zwischen Peter und der 62-Jährigen entsteht schnell eine Vertrautheit. Man schreibt sich, ungewöhnlich lange werden Mails ausgetauscht, schließlich telefoniert man regelmäßig. Dass der Traummann ein Fake sein könnte – diesen Gedanken gibt es nicht.

Weit über ein Jahr geht das so. Irgendwann entsteht ein Plan: Wenn Peter mit seinem Projekt in Afrika fertig ist, wird er den Heimflug für einen Abstecher nach Deutschland nutzen. Zu ihr. Die Frau klammert sich an diese Vorstellung. Ein Traum, von dem sie nichts mehr abbringen kann. Und die Alarmglocken, falls es sie je gab, sind längst verstummt.

Vermeintlicher Hilferuf aus Ghana

Dann der Moment, der die 62-Jährige vom Opfer ein Stück weit zur Täterin werden lässt. Alles beginnt mit einem Hilferuf: Peter funkt SOS, er sei böse zusammengeschlagen worden. Das habe einen teuren Krankenhausaufenthalt nach sich gezogen. Er werde sich deshalb, so schreibt Peter, Geld von Freunden leihen müssen. Und weil das mit finanziellen Transaktionen in Ghana alles andere als einfach sei, gab es da diese Bitte: Ob es möglich sei, in Deutschland eine Pre-Paid-Kreditkarte auf ihren Namen zu besorgen. Diese Karte sollte die Frau dann zu Paul nach Ghana schicken, damit es jederzeit problemlos möglich sei, Geld herunterzuladen.

Genau das tat die 62-Jährige auch, ohne mit der Wimper zu zucken. Und sie machte noch mehr: Sie löste ihren Bausparvertrag auf, reizte bei ihrem Girokonto den Überziehungskredit aus. Bis auf den letzten Cent schickte sie dem Angebeteten alles, was die hatte: 25.000 Euro. Derweil floss auf dem eingerichtete Konto viel Geld hin und her. Mehrfach gingen zwischen Juli und September 2020 genau 1000 Euro ein, die umgehend in Ghana abgehoben wurden. Alles in allem kamen so 13.000 Euro zusammen.

Falschaussage bei der Polizei

Als die seltsamen Finanztransaktionen auffielen und die Polizei einen genaueren Blick darauf warf, brachte selbst das Peter nicht aus der Ruhe. Als eine Zeugenbefragung bei der Polizei anstand, gab es eine klare Ansage von dem Mann an die 62-Jährige: Sie solle alles abstreiten und möglichst nichts sagen. Auch darauf ließ sich die Frau ein und wartete gegenüber der Polizei mit einer Märchenstunde auf – für ihren Liebsten war sie zu allem bereit.

Hätte die Frau an dieser Stelle Verdacht geschöpft und die Reisleine gezogen - wahrscheinlich wäre es gegen sie als durch und durch Betrogene nie zu einer Verhandlung gekommen. So aber musste die Polizei davon ausgehen, dass die Frau bewusst an der Geldwäsche beteiligt ist. Es sollte noch eine ganze Weile vergehen, bis die Frau realisierte, dass sie einer Betrügerbande auf den Leim gegangen war. Erst als Peter nicht mehr ans Telefon ging und wie vom Erdboden verschluckt schien, dämmerte es der Frau aus dem Landkreis, dass alles nur ein großer Bluff und Peter ein ausgebuffter Krimineller war. Zur Polizei ging die Frau aber auch jetzt nicht: Zu groß war die Scham, zu sehr wollte sie im Erdboden versinken.

Vor Gericht nun packt die Frau die ganze Geschichte auf den Tisch. Nennt sich "eine dumme Kuh" und weiß, dass sich kaum erklären lässt, was da zwei Jahre lang passiert ist. Und wenn sie es doch versucht, fallen Begriffe wie "treu-doof" und Sätze wie "Ich war verliebt". Wohlgemerkt in einen Mann, dem sie nie in ihrem Leben begegnet war.

"Ich war eine dumme Kuh!"
Die Angeklagte versucht den Liebes-Betrug an ihr zu erklären

Und als würde das alles nicht schon reichen, wartet der eigentliche Höhepunkt erst noch. In Form eines Zeugen. Es ist der Auftritt eines 57-Jährigen aus Niederbayern, der dafür sorgt, dass sich noch einmal Abgründe auftun. Er ist der Mann, der monatlich die 1000 Euro auf die Kreditkarte der Angeklagten überwies. Aus Liebe. Ein weiteres Opfer. Nur: Der Mann weiß das bis heute nicht. Will es nicht wahrhaben.

Seine Freundin, erzählt der ledige Mann dem Gericht, wohne in Ghana. Seit 2014 sei man ein Paar, einmal habe er sie in Ghana besucht. Und irgendwann, daran glaubt er ganz fest, werde die Frau auch ihn in Deutschland besuchen. Regelmäßig unterstützt er die Frau, überweist per Online-Banking Geld. Dass er zwischenzeitlich auf ihren Wunsch hin auf ein Kreditkartenkonto eingezahlt habe, wunderte den Mann nicht: Afrika eben, da sei alles etwas schwieriger.

Der zaghafte Versuch des Staatsanwaltes, dem Zeugen klar zu machen, dass da vielleicht etwas nicht stimmen könnte, endet mit dem Hinweis des 57-Jährigen, dass er ja genug Geld habe. Dass er hintergangen wird, will der Mann beim besten Willen nicht wahrhaben.

Die Angeklagte hatte diese bittere Erkenntnis bereits gehabt. Das bringt ihr Pluspunkte und auch Trost vom Staatsanwalt ein: "Sie sind keine Täterin, sie sind Opfer!" Damit steht auch fest, dass die vorstrafenfreie Frau nicht auf die Anklagebank gehört und mit einem blauen Auge davonkommen kann. Das Verfahren, so die schnelle Einigung, wird eingestellt. Das Ganze gegen eine Geldauflage: Auf dem Kartenkonto hatten sich aus einer anderen Transaktion noch 2600 Euro befunden. Über dieses Geld darf sich jetzt sinnigerweise das Würzburger Frauenhaus freuen. 

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Kitzingen
Frank Weichhan
Amtsgericht Kitzingen
Betrüger
Euro
Frauenhäuser
Geldwäsche
Polizei
Traummänner
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • E. W.
    Das ist eine ganz miese Masche, die die Verzweiflung und Naivität einsamer Menschen ausnützt.

    Liegt aber auch viel daran, dass heute immer noch das verlogene Idealbild einer heilen Rosamunde-Pilcher-Welt als alleinseligmachend beschworen wird und viele daher die Realität nicht sehen wollen.

    Wer emotionsgesteuert in der heutigen Welt unterwegs ist, der kommt nicht weit ohne böse Enttäuschungen zu erleben. Man muss schon selbst ein wenig abgehärtet und abgeklärt sein, wenn man nicht zum Opfer werden will.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. D.
    Unvorstellbar dass immer wieder Leute auf so etwas hereinfallen. Solche Fälle wurden schon tausendfach in allen Medien berichtet.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten