Eigentlich haben alle Krankenhäuser ständig Blut vorrätig. Nach einem OP-Plan wird der Blutverbrauch errechnet und dann kommt täglich ein spezieller Kühl-Laster, der die Vorräte ergänzt. Unterfrankenweit und darüber hinaus versorgt so zum Beispiel der Blutspendedienst in Wiesentheid alle Kliniken.
Doch was ist, wenn es plötzlich zu Engpässen kommt? Wenn kleine Operationen in einen größeren Eingriff ausarten, wenn unvorhersehbare Ereignisse, wie zum Beispiel Verkehrsunfälle, die Blutkapazitäten an ihre Grenzen bringen? Sven Appold, Leiter der Abteilung Einsatzdienste beim BRK Kitzingen hat die Antwort: "Vor fünf Jahren hat der Blutspendedienst die Blutausgabestelle von Würzburg nach Wiesentheid verlegt." Dort werden zentral Blutprodukte wie Konzentrate und Plasma bereitgehalten. Um eine flächendeckende Notfallvesorgung von Blutprodukten gewährleisten zu können, hat sich der Kreisverband extra ein Einsatzfahrzeug zugelegt. Ausgestattet mit einer Sondersignalanlage und einer grellen, auffälligen Farbe: das Blutauto."
Ehrenamtliche fahren die Einsätze
Das Besondere dabei: Dieses Fahrzeug wird größtenteils von ehrenamtlichen Sanitätern des Landkreises Kitzingen besetzt. Sieben Tage die Woche. Der diensthabende Fahrer hat das Fahrzeug bei sich zu Hause stehen. "Die Kernzeiten der Bereitschaft sind von 7 bis 18 Uhr. Doch für dringende Notfälle ist das Auto auch nachts einsatzklar", erzählt der Kitzinger Sanitäter Markus Klaßen. Diese Woche hat er vier Tage hintereinander "Blutdienst". Obwohl die Bereitschaft in seiner privaten häuslichen Umgebung geleistet wird, "ist trotzdem eine gewisse Anspannung immer vorhanden", meint er.
Kurz nach Dienstbeginn kommt ein Alarm vom Klinikum Aschaffenburg. Klaßen wirft sich seine rote Einsatzjacke über und schon geht’s los. Erstes Ziel: der Blutspendedienst in Wiesentheid, in dem gerade eine Fachangestellte die Kühltasche mit dem wertvollen Blut packt. "Alle Kliniken haben eine Notrufnummer, unter der sie uns immer erreichen können", erklärt die diensthabende Assistentin Angelika Brehm. "Jetzt hat die Aschaffenburger Klinik angerufen und eine umfangreiche Blutbestellung für eine unvorhergesehene größere Operation abgegeben. Der dortige Arzt bat um einen Transport mit höchster Dringlichkeitsstufe."
Der "Blutfahrer" ist zwischenzeitlich eingetroffen. Er übernimmt die gepackte Kühltasche zusammen mit einem schriftlichen Auftrag von Angelika Brehm und weiter geht es in Richtung Autobahn nach Aschaffenburg. "Wenn du so unter Zeitstress stehst und dann nach einer oft nervenaufreibenden Sonderrechtsfahrt in Aschaffenburg ankommst, bist du erst mal fertig", erzählt er.
Klaßen berichtet auch von unvernünftigen Autofahrern, die erst spät Platz machen und Brummi-Piloten, die rücksichtslos auf der Überholspur unterwegs sind und keine Rettungsgasse bilden. Eben der "alltägliche Wahnsinn auf den Autobahnen!" Trotzdem: Nach knapp einer Stunde kommt er an.
Im Laufschritt geht es erst in das dortige Labor, wo der Labormitarbeiter über eine Gegensprechanlage dem OP die erlösende Nachricht meldet: "Das Blut ist da!" Ob er nach Einsatzende fragt, für wen und warum er das Blut so dringlich hat liefern müssen, beantwortet Klaßen mit einem klaren "Nein" . Er gibt zu, dass er sich damit nicht zusätzlich belasten will. Ihm genügt, dass er helfen konnte. Das war sein Auftrag und seine Intuition für das Rote Kreuz, nämlich "Leben retten", wie es im Slogan heißt.
Freud und Leid liegen eng beisammen
Niederschmetternd ist es für ihn allerdings, wenn ein Labormitarbeiter mit leiser Stimme sagt: "Ihr Auftrag hat sich soeben erledigt." Dann kommt jede Hilfe zu spät. Auf der Rückfahrt erhält der Sanitäter den nächsten Einsatz: Das Krankenhaus Kitzingen würde Blut benötigen. Doch diesmal ist es nicht so dringend. Die Fahrt kann normal durchgeführt werden.
Beim Blutspendienst ist noch kurze Zeit für ein Schwätzchen. "Das ist das Schöne an unserem Ehrenamt", sagt Klaßen. "Ob in den Laboren oder beim Blutspendedienst: Du triffst überall nur nette, kommunikative Menschen."
Wie wichtig das Projekt "Blutauto" ist, erläutert Einsatzdienst-Leiter Sven Appold: Im vergangenen Jahr wurden mit dem Auto 430 Bluttransporte durchgeführt. Mit einer Gesamtfahrleistung von 50 000 Kilometern. Und hinter jedem Fall steht ein Menschenleben.