Eine ganz normale Anfrage ans Roxy-Team: Ein Herr möchte am 13. Juni für eine private Veranstaltung einen Kinosaal mieten. Das ist üblich. Geburtstagsfeiern, kleine Jubiläen, Vorträge – all das findet regelmäßig im Kitzinger Roxy statt. Diesmal steckt jedoch etwas anderes dahinter. Selbst Christine Jenike und Michael Schmitt vom Roxy sind überrascht, als sich nach und nach herauskristallisiert, was Robert Horter eigentlich plant: nämlich die „Welturaufführung“ eines 100 Jahre alten Christusfilms, zu dem er die Musik von einst musikalisch aufbereitet hat.
Frage: Sie sind Filmliebhaber mit einem besonders ungewöhnlichen Hobby. Verraten Sie uns dazu Näheres?
Robert Horter: Ich bin 1971 in Nürnberg geboren und wohne in Würzburg. Ich arbeite bei der Post, aber mein großes Interesse gilt schon seit langem dem Film. Mein älterer Bruder war Filmvorführer, und so habe ich das Metier von klein auf mit all seinen Facetten kennenlernen dürfen. Mein Bruder hat mich überall hineinschnuppern lassen, und demnach bin ich heute in allen Bereichen rund um Film sehr gut informiert. Meine große Leidenschaft ist das Auffinden verschollener Musiknoten.
Und wo suchen Sie nach diesen Noten?
Robert Horter: In erster Linie im Internet. Auf die Noten zum Stummfilm „Jesus the Christ“ bin ich in Florenz gestoßen. Ich habe die handschriftlichen Aufzeichnungen dann ersteigert. Als ich erkannt habe, dass es sich dabei um die Musik zu einem 100 Jahre alten Christusfilm handelt, habe ich mich auch auf die Suche danach gemacht. Bei meiner Recherche zum Verbleib des Films bin ich auf einen Sammler in Arizona gestoßen. Er besaß die einzige erhaltene Kopie des Films, der nun als „Welturaufführung der restaurierten Fassung“ im Roxy laufen soll.
Warum haben Sie sich ausgerechnet das Roxy für die Premiere des Films ausgesucht?
Robert Horter: Ich kenne das Kino von meinen zahlreichen Besuchen in Kitzingen. Der Kinosaal im Roxy ist genauso alt wie das Werk. Meiner Meinung nach gibt es außerdem in ganz Deutschland kaum ein vergleichbar schönes Kino. Früher bin ich oft traurig am geschlossenen Roxy vorbeigelaufen. Jetzt, wo es wieder geöffnet ist, gibt es für mich keinen geeigneteren Ort für die Premiere. Hier soll das Leben Jesu auf ganz besondere Art und Weise noch einmal lebendig werden.
Zurück in die Vergangenheit. Wie kamen Film und Musik früher zusammen?
Robert Horter: Das Ganze war einst eine Art Gesamtkunstwerk. Es war bei einem Stummfilm üblich, dass die tonlosen Filmsequenzen auf der Leinwand gezeigt wurden – und dann wurde das Ganze mit Live-Musik untermalt. Teils wurden auch extra Gemälde angefertigt und parallel ausgestellt. Die gefundenen Noten zum Film „Jesus the Christ“ sind für Klavier und teils auch Violine. Es sind aber auch Einsätze für Orchester, Orgel und Chöre angegeben. Es ist also davon auszugehen, dass früher bei der Vorstellung dieses Films richtig was geboten war.
Und Sie haben den Film nun neu vertont?
Robert Horter: Ich habe die Originalmusik anhand von Computersimulationen neu für den Film arrangiert. Die Rekonstruktion stammt von Sofia Khorobrykh und Janosch Korell. So wie die Musik jetzt erklingt, könnte es früher auch gewesen sein.
Stimmt es, dass der Film schon Jahre nicht mehr gezeigt wurde?
Robert Horter: Zumindest nicht mit der dazu passenden Musik. Einst war er nicht nur in Italien, sondern auch in Spanien oder der USA zu sehen. In Arizona wurde er kinotauglich restauriert. Teils sind im Film nun auch kurze Texte in englischer Sprache zu sehen.
Gibt es etwas, was Sie an dem Film ganz besonders fasziniert hat?
Robert Horter: Man erkennt, dass anscheinend geplant war, den Film in einem neuen extremen Breitwandformat zu drehen. Das gleiche System hat Quentin Tarantino fast 100 Jahre später in seinem letzten Film als „Nonplusultra“ dargestellt.
Wann genau ist die Filmvorführung geplant?
Robert Horter: Ich kann jedem empfehlen, sich am Montag, 13. Juni, um 16 Uhr im Roxy auf eine Zeitreise zu begeben. Der Film dauert ungefähr eine Stunde. Der Eintritt wird frei sein, Spenden sind aber gerne gesehen.
Wie muss man sich die Vorstellung vorstellen?
Robert Horter: Der Film zeigt verschiedene Szenen aus dem Leben Jesu. Er soll so vorgeführt werden wie damals. Das bedeutet: Nach jeder „Filmrolle“ gibt es eine kleine Pause, in der die Musik dann teils noch einmal zu hören sein wird – teils nur mit Klavier wie in kleineren Kinos damals, teils aber auch orchestriert. Ich selbst werde natürlich vor Ort sein und vor dem Film und während den Pausen noch einiges erklären.
Wird der Film auch danach noch einmal zu sehen sein?
Robert Horter: Leider lässt sich das aktuell noch nicht sagen. Aber ich hoffe inständig, dass der Film „Jesus“ irgendwann noch einmal mit echtem Orchester, Orgel und Chören wiederaufgeführt wird.