
Heimatpflege gehört von klein auf für sie zum Alltag, auch wenn sie dieses Wort als Kind und Jugendliche nie genutzt hätte für das, was sie tat. Doris Paul hat bei Veranstaltungen Mundartgedichte aufgesagt, hatte Trachten für jede Gelegenheit im Schrank, kennt die Texte vieler fränkischer Volkslieder und hat Volkstanzkurse besucht. Für alles das und noch mehr macht sie sich ab dem 1. September auch in einem offiziellen Amt stark: Doris Paul wird neue Kreisheimatpflegerin des Landkreises Kitzingen.
33 Jahre lang hat sich Karl-Heinz Wolbert als Kreisheimatpfleger für die Pflege von Brauchtum, Trachten, Volkslied, Volksmusik und Mundart sowie die Betreuung von Heimatmuseen und privaten Sammlungen im gesamten Landkreis Kitzingen eingesetzt. Ende vergangenen Jahres schied er auf eigenen Wunsch aus dem Amt. Bei der Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin fiel von verschiedenen Seiten der Name Doris Paul. Mehrfach wurde die frühere Wiesenbronner Bürgermeisterin und jetzige stellvertretende Landrätin angesprochen. „Anfangs konnte ich mir das gar nicht vorstellen“, sagt die 54-Jährige. Aber ihr fiel auch das auf, was die anderen schon erkannt hatten und weshalb sie gebeten worden war, das Amt zu übernehmen: Viele Bereiche, um die es beim Amt des Kreisheimatpflegers geht, spielen sowieso eine wichtige Rolle in ihrem Leben.
Gäste- und Kräuterführerin, Wirtin und Weinkönigin
Doris Paul wurde in einer Familie geboren, in der Heimatbewusstsein ganz normal ist, sie wuchs in das Thema hinein, ohne dass es ihr überhaupt bewusst war. Die Mutter und der Onkel haben Mundartgedichte und Theaterstücke geschrieben, „ich musste sie lernen und bei Veranstaltungen vortragen“. Wobei das „musste“ nicht ganz passt, denn Doris Paul empfand das nie als Pflicht. „Das hat mir nichts ausgemacht, das war normal.“ Volkstanzkurse hat sie besucht, weil die damals in Wiesenbronn abgehalten wurden, sie hat bei den Liedern mitgesungen, die auf Festen halt angestimmt wurden, Trachten getragen, weil die Tante sie ihr nähte.
Sie repräsentierte die Weine ihres Heimatortes als Weinprinzessin und 1988/98 den ganzen Frankenwein als Weinkönigin. Sie leitete unter anderem den Regionalservice, organisierte Bauern- und Handwerkermärkte und gemeinsam mit den damaligen Kreisheimatpflegern den allerersten Kreisheimattag 1999 in Castell. Als Wirtin im Schwanberg-Café & Wein waren ihr traditionelle Gerichte auf der Karte wichtig, wie Schäufele, Mehlklöße, Krautwurst und Erdkohlrabi... Sie ist Jägerin und gehört den Siebenern an, ist Gäste- und Kräuterführerin, bewirtschaftet Obst- und Weinbauflächen, verkauft regionale Produkte im eigenen Laden.
Sie hat sogar so etwas wie ein eigenes Museum: Die Dorfschmiede befindet sich schon seit über 200 Jahren in ihrem Haus. Die alten Geräte sind erhalten, Besucher können sie besichtigen, in der Schmiede selbst, aber auch bei Ausstellungen oder Festen. In ihrer Zeit als Bürgermeisterin wurden die Alte Eich und das Flachsbrechhaus renoviert und geben nun ebenfalls Einblick ins frühere handwerkliche Leben im Dorf.
Vor diesem Hintergrund und angesichts dieses Erfahrungschatzes passt Doris Paul also bestens zu Mundart und Volksmusik, Tracht und Brauchtum und auch zu privaten Sammlungen und Museen. Es wird daher niemanden verwundern, dass sie bei ihrer Vorstellung im Juli das Auswahlgremium überzeugte und einstimmig zur neuen Kreisheimatpflegerin bestimmt wurde. Die offizielle Berufung erfolgt zum 1. September.
Die Wiesenbronnerin tritt das Amt mit vielen Ideen an, auch wenn für sie zuerst einmal der Kontakt mit ihrem Vorgänger und den beiden anderen Kreisheimatpflegern Susanne Kornacker für den südlichen Landkreis und Heinrich Stier für den nördlichen Landkreis auf dem Programm steht. Kontakt zu halten, ist ihr wichtig, unter den Dreien, aber auch zu den Behörden, zur Bezirksheimatpflege, zu Fachstellen und zum Bezirk. Sie will schon bald die privaten Museen und Sammlungen besuchen, die sie noch nicht kennt. „Und ich würde gerne mal mit allen Leitern dieser Sammlungen und Museen zusammenkommen, damit wir gemeinsam besprechen können, wo der Schuh drückt.“
„Heimat ist nicht alt. Heimat ist aktuell“, findet Doris Paul – und will auch den jungen Leuten die Bedeutung von Heimat nahebringen. „Heimat heißt, sich erinnern und bewahren – vor allem aber leben!“, sagt sie. Mundart in die Schule zu bringen, ist eines ihrer Ziele. „Ich war mal in der Schule und habe Mundart gesprochen. Die Schüler wussten gar nicht, wovon ich rede, die haben mich nicht verstanden.“ Mundarträtsel schweben ihr für die Schüler vor, Ausdrücke, die man nicht mehr verwendet. „Wir kochen Heimat“ könnte eine gemeinsame Kochveranstaltung heißen, „Wer kennt das noch?“ alte Berufe oder Gegenstände vorstellen.
Dass Brauchtum auch bei den Jüngeren eine Rolle einnimmt, zeigen die Burschenvereine und die Tradtionen bei den Kirchweihen, wie der Wasentanz in Albertshofen, sagt Doris Paul. Doch was genau für junge Leute Heimat bedeutet, was sie für schützenswert halten, das würde sie gerne erkunden. Sie hofft, dass ihre Ideen auf fruchtbaren Boden fallen, dass beispielsweise die Schulen mitziehen oder andere Einrichtungen. Denn sie selbst geht ihre neue Aufgabe voller Elan an: „Heimatpfleger bin ich schon. Der Kreisheimatpfleger ist das Tüpfelchen auf dem i.“
Kontakt: Wer sich mit Kreisheimatpflegerin Doris Paul in Verbindung setzen möchte, erreicht sie unter Tel. 09325/99897 oder per E-Mail unter meiheemetkitzi@gmx.de