
Die Gefühlslagen der beiden Männer hätten nicht unterschiedlicher sein können. Der eine war als Profi zu den Deutschen Meisterschaften im Darts Anfang November 2023 zum Eventcenter auf dem Autohof Strohofer nach Geiselwind gereist – und hatte sich durchaus was ausgerechnet. Es lief nicht gut, entsprechend übel war am Abend seine Laune.
Der andere war froh, als Hobbyspieler überhaupt mitmachen zu können, und freute sich seines Lebens. Die Männer wissen nichts voneinander, sind sich noch nie begegnet. Das soll sich an diesem Abend, kurz nach dem Ende des ersten Wettbewerbstages, auf unschöne Art ändern – und schließlich ein paar Monate später zu einem Wiedersehen am Kitzinger Amtsgericht führen.
Es ist gegen 22 Uhr an jenem Novemberabend. Der Hobbyspieler ist bereits zurück in seinem Hotelzimmer. Der 28-jährige Profi befindet sich zusammen mit seiner Frau gerade auf der Fahrt zum Hotel; chauffiert wird das Paar von einem Bekannten. Als es im Auto zwischen dem Paar zum Streit kommt und der Krach immer größer wird, hält der Chauffeur an und lässt die Streithähne aussteigen – wohl in der Hoffnung, dass frische Luft die Auseinandersetzung schneller beendet.
Diese Rechnung geht allerdings so gar nicht auf: Die Schreierei findet nunmehr in unmittelbarer Nähe des Hotels statt, in dem der Hobbyspieler abgestiegen ist. Der wird durch den Krach vor dem Haus hellhörig, schaut aus dem Fenster – und sieht, "wie ein Mann eine Frau angegriffen hat". So erzählt er es als Zeuge vor Gericht, wo der Fall sieben Monate später verhandelt wird. Weil der Angreifer "geschlagen und geschubst" habe, sah er sich in der Pflicht zu helfen. Schnell machte er sich auf den Weg, um dazwischenzugehen.
Der wütende Ehemann ist eine wuchtige Erscheinung
Dabei schreckt der 36-Jährige aus Sachsen auch nicht vor einem körperlichen Ungleichgewicht zurück – der wütende Ehemann ist eine wuchtige Erscheinung. Seine Furchtlosigkeit drückt der zu Hilfe Geeilte auch mit Worten aus: "Nur weil du dick bist, brauchst du nicht zu denken, dass du mehr Kraft hast!" Er bewegt sich auf den Ehemann zu, der schubst ihn von sich. Der Schubser bringt den 36-Jährigen aus dem Gleichgewicht, mit dem Rücken stürzt er auf den Bordstein. Am Boden liegend, habe der Profispieler ihm noch mehrfach "in den Bauch nachgetreten".
Das bestätigt auch eine Bekannte des 36-Jährigen, die im Nachbarzimmer wohnte. Auch sie hörte die Schreie, auch sie sah vom Fenster etwas, das "wie Raufen" aussah. Weil dann "eine Person auf dem Boden" gelegen habe, sei sie ebenfalls losgerannt, um zu helfen. Unten sei das passiert, was zuvor schon das Opfer ausgesagt habe: ein Schubser, der Sturz mit dem Rücken auf den Bordstein und schließlich das mehrfache Treten.
Die Frau rief deshalb die Polizei. Auch versuchte sie herauszubekommen, was da eigentlich vor sich ging. Der Chauffeur, der hilflos zugesehen habe, habe ihr damals diese Begründung geliefert: Der Profispieler sei "ein schlechter Verlierer" – und habe zudem viel getrunken. Ein entsprechender Test zeigte zum Tatzeitpunkt 1,5 Promille an.
Mehr als ein Ehestreit sei da nicht gewesen
Der Angeklagte, der sich wegen Körperverletzung verantworten muss, schildert Strafrichterin Ingrid Johann eine völlig andere Situation: Der Ehestreit ist unstrittig. Und mehr sei nicht gewesen: "Ich habe mit Sicherheit nicht meine Frau verprügelt!" Auch der Schubser "als Abwehr" ist unstrittig. Allerdings sei der 36-Jährige "in eine Wiese" gefallen und nicht auf den Bordstein. Und: Tritte seien definitiv nicht im Spiel gewesen, verteidigt sich der Angeklagte. Zudem habe er sich als "fetter Hurensohn" beleidigen lassen müssen.
Die Aussagen weichen zudem voneinander ab, was genau passierte, als man aufeinandertraf. Laut dem Angeklagten habe der 36-Jährige vor seinem Eingreifen erst einmal wissen wollen, ob er es auch wirklich mit dem Darts-Spieler zu tun habe, "den man aus dem Fernsehen kennt". Das wiederum bestreitet der Sachse. Er habe erst nach dem Vorfall erfahren, mit wem er da aneinander geraten war. Etwas mehr Licht ins Dunkel hätte vielleicht die Frau des Darts-Profis bringen können. Die war jedoch auf unerklärliche Weise nicht von der Polizei befragt und als Zeugin registriert worden. Inzwischen lebt das Paar laut dem Angeklagten in Scheidung.
Der Staatsanwalt spricht von "verwerflichen Tritten"
Während der befreundete Chauffeur die Aussage das Profispielers bestätigt und "auf keinen Fall Tritte" gesehen haben will, hält die Staatsanwaltschaft die Aussagen des 36-Jährigen und dessen Bekannter für glaubwürdiger. Gerade die Tritte seien "verwerflich", betont der Staatsanwalt und will die Tat mit 90 Tagessätzen und einem Gesamtbetrag von 3600 Euro geahndet wissen.
Das Gericht sieht das ähnlich. Man könne eine derartige "Tätlichkeit nicht durchgehen lassen", so die Urteilsbegründung. Was sich der wegen eines Betäubungsmittelvergehens im Jahr 2020 vorbestrafte und derzeit von Krankengeld lebende Angeklagte in jener Nacht geleistet habe, sei "nicht in Ordnung gewesen". Die Geldstrafe wird auf 50 Tagessätze zu je 35 Euro festgelegt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.