Nur drei Kilometer vom Casteller Schloss entfernt gibt es im Nachbarort Rüdenhausen ein weiteres Fürstenhaus: das der Linie Castell-Rüdenhausen. Dort ist Karl Graf zu Castell-Rüdenhausen aufgewachsen, der heute den "Weinkeller am Schloss" betreibt. Seine Weihnachtserlebnisse waren zum Teil sehr feurig.
"Schon ab Oktober war ein bestimmtes Zimmer im Schloss für uns tabu", erinnert sich der 66-Jährige an seine Kindheit. In dem Raum deponierte und verpackte seine Mutter Irene die Weihnachtspräsente für ihre große Familie und die Mitarbeiter. "Der Christbaum wurde schon am Tag vor Heiligabend im großen Salon, manchmal auch im Bildersaal, aufgestellt und von meinen Eltern geschmückt: mit goldenen, silbernen und roten Kugeln und Ketten. Auch kleine, silbern glänzende Vögel fanden im Geäst ihren Platz."
Für Karls Vater Siegfried seien zwei Kugeln sehr wichtig gewesen: eine mit dem Bildnis von Kaiser Wilhelm II. und eine mit dem Antlitz von Reichspräsident Paul von Hindenburg. "Die Kugel mit dem Kaiser ging eines Tages zu Bruch", erinnert sich Karl Graf zu Castell-Rüdenhausen. "Ab da hing nur noch Hindenburg am Baum."
An Heiligabend gab es Aal, Sprotten und roten Heringssalat
Am Heiligen Abend hieß es für den kleinen "Karli" und seine sieben Geschwister: baden und schön anziehen. "Für die Buben war Krawatte Pflicht." Nach gemeinsam gesungenen Weihnachtsliedern und der Weihnachtsgeschichte aus der Bibel, die stets ein Familienmitglied vorlas, führten die Eltern im festlich geschmückten Weihnachtszimmer jedes ihrer Kinder zu seinem Gabentischchen. Gegessen wurde erst nach dem Kirchgang: "Salate, Aal, Sprotten – und immer einen roten Heringssalat. Am ersten Weihnachtsfeiertag gab es meistens Gans."
Ein Erlebnis wird der 66-Jährige nie vergessen. "Als kleiner Bub musste ich an Heiligabend noch nicht mit zur Kirche, sondern durfte mit meinem Vater zu Hause bleiben. Während er in seinen neuen Büchern las, holte ich alle Kerzen von den Gabentischen der Geschwister." Plötzlich ging "Karlis" Ärmel in Flammen auf. "Mein Vater erdrückte das Feuer mit bloßen Händen. Er bekam davon Brandblasen. Ich hatte eine Brandwunde am Arm."
Schmerz und Entsetzen wuchsen noch, als der Vater seine Zigarre vermisste. Er hatte sie vor Schreck verloren. "Wir suchten wie wild – und fanden den Glimmstängel am Boden. Ein weiterer Brand konnte so vermieden werden."