Ohne Konflikte geht es nicht. Auch oder gerade nicht in einer Familie. Aber es ist die Frage, wie man sie angeht – ohne als „harter Hund“ oder „Weichei“ zu agieren. Wie das geht, können Männer im neuen „Führungstraining für Väter“ gemeinsam erarbeiten. Start ist am 10. Oktober in Kitzingen.
Im Zimmer des Zehnjährigen herrscht Chaos. Der Vater sagt, er soll aufräumen. „Mach ich“, sagt der Sohn. Mehrfach kommt der Vater ins Zimmer, appelliert immer wieder, doch der Junge räumt einfach nicht auf. Der Vater fängt an zu schreien. „Nie machst Du...“ „Wenn Du jetzt nicht sofort....“. Der Sohn wird bockig, schreit zurück – schon sind beide mitten in der Eskalationsspirale.
Eine alltägliche Situation. Aber keine schöne. Noch dazu eine vermeidbare. Wenn man weiß, wie es geht. Das kann man lernen, wissen Andreas Laurien und Hermann Nickel. Laurien ist Leiter der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Kitzingen, Nickel leitet die Außenstelle Kitzingen der Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen der Diözese Würzburg.
Strategien wie im Büro
„Führungstraining für Väter“. Das hört sich nicht ganz zufällig nach Firma und Büro an. Und das aus verschiedenen Gründen. Im Mittelpunkt stehen die Fähigkeiten des Erwachsenen, nicht die Defizite. Es geht um Leitung, um Führung im positiven Sinn, darum, als Autorität anerkannt zu sein, nicht als derjenige, der nur Druck ausübt. Ziele, die man im Beruf als richtig ansieht. Dort fühlen sich Männer kompetent. Im Familienleben oft nicht.
Anleihen aus dem Beruflichen aber helfen auch in der Familie weiter. Gibt es im Büro ein Problem, schreit man nicht herum, sondern versucht es sachlich zu klären. Rahmenbedingungen werden berücksichtigt. In der Familie dagegen, so meint mancher, soll immer alles „funktionieren“. Treten im Beruf vermehrt Schwierigkeiten auf, wird ein Termin vereinbart. Zuhause soll alles sofort erledigt werden. „Das ist in der Regel zum Scheitern verurteilt“, sagt Andreas Laurien. Vor allem führt es zu dem, was keiner will: Ein Streit spitzt sich immer weiter zu.
Das Training für Väter will Wege aufzeigen, hochstrittige Situationen zu verlassen, ohne das Problem aus den Augen zu verlieren. Wie das geht, soll gemeinsam besprochen und erarbeitet werden. Die Teilnehmer können Alternativen entwickeln und auch etwas über sich selbst lernen.
Wer einen Streit auflösen will, muss gut darüber nachdenken, was er tut. Geht es zu heiß her, sind zu viele Emotionen im Spiel, ist eine Lösung ausgeschlossen. Richtig ist es, „das Eisen zu schmieden, solange es kalt ist“, erklärt Nickel und zitiert damit den Psychologen Haim Omer.
Das Eisen schmieden, wenn es kalt ist, bedeutet, die Lösung nicht aus den Augen zu verlieren, sondern zu vertagen. Wer sich später mit den Kindern zusammensetzt und zum Beispiel darüber spricht, warum einem das saubere Haus wichtig ist und wie man es gemeinsam erreichen kann, wird auf viel mehr Verständnis treffen. Die Forderung ganz aufgeben – das darf man nicht. „Die Vermeidung führt zu nichts“, sagt Andreas Laurien. Es sei wichtig, Haltung zu zeigen, Grenzen zu setzen – auch für die Entwicklung der Kinder.
Die perfekte Lösung für alle Fälle gibt es nicht. Man muss differenziert hinschauen, wer was braucht, erklärt Laurien – bei den Kindern und bei den Eltern. Mit einem Zweijährigen gilt es anders umzugehen als mit einem 13-Jährigen.
Und es geht auch um den Energielevel: Wer alleine drei Kinder erzieht, hat andere Bedingungen als eine Familie mit einem Kind und Putzfrau. Wer ein behindertes Kind oder ein Kind mit ADHS hat, muss anders agieren als eine Familie mit einem gesunden Kind. Die Belastungen sind unterschiedlich – und damit oft auch die Streit-Häufigkeit. Autorität zeigen, ohne autoritär zu sein. Den Kampf, der Kraft und Energie kostet, bestehen, ohne zu kämpfen. Die Unterschiede sind buchstäblich gering, die Bedeutung ist gravierend anders. Und damit der Weg, der zum Ziel führt. Strukturen und Grenzen vorgeben, Verantwortung übernehmen, auf positive Art Einfluss nehmen. Das muss trainiert werden – wie im Sport, wie bei der beruflichen Fortbildung. Laurien und Nickel sehen sich deshalb auch nicht als Leiter der Abende, sondern als Trainingspartner. Trainingspartner übrigens, bei denen es zuhause auch nicht ohne Konflikte abgeht. Laurien ist Vater von Zwillingen, Nickel hat drei Kinder und auch schon Enkel. Beide wissen, wie schwierig es ist, Haltung und Ruhe zu bewahren. „Das ist nicht sofort von Erfolg gekrönt. Das ist ein Prozess.“
Gute Beziehung zur Partnerin
Ziel ist es, eine gute und dauerhafte Beziehung zu erreichen. Nicht nur zu den Kindern, auch zur Partnerin. Oft führen unterschiedliche Ansichten bei der Erziehung zum Streit zwischen den Eltern. Zum Beispiel, wenn eine Mutter dem Kind droht: „Warte nur, wenn der Papa heimkommt.“ Sie macht ihn zu ihrem Handlanger, ohne zu wissen, wie er die Situation sieht. „Das macht keinen Sinn“, erklärt Laurien. Nickel führt ein weiteres Beispiel an: Eine Zweijährige sitzt im Hochstuhl, stellt die Füße auf den Tisch. Die Mütter sagt, sie soll die Füße vom Tisch nehmen. Das Mädchen lächelt. Der Vater wiederholt den Satz der Mutter. Das Kind versteht die Worte, lässt die Füße aber oben. „Das macht sie nur, weil Du immer so lasch bist“, sagt der Vater zur Frau. Schon hat sich der Konflikt auf das Paar erweitert – und die Eskalationsspirale beginnt.