Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: Im nächsten Jahr wird das Reinheitsgebot für Bier 500 Jahre alt. Dieses Gütesiegel gilt heute noch etwas bei Bier-Kennern und -Genießern, die auf Pils, Helles, Export oder Hefeweizen schwören und die um Billigbiere aus der Dose einen weiten Bogen machen.
„Das Reinheitsgebot ist in den Köpfen fest verankert“, frohlockt Dietrich Oechsner von der gleichnamigen Ochsenfurter Brauerei. Der alljährliche Redaktionsbesuch der Brauer aus dem Raum Kitzingen und Ochsenfurt ist zu einem lieb gewonnenen Ritual geworden: Nur Karl Wolf aus Rüdenhausen fehlt diesmal, neben Oechsner sind auch Karl-Heinz Pritzl (Kauzen Ochsenfurt), Friedrich Düll (Düll Krautheimer), Peter-Michael Himmel (Kesselring Marktsteft) und Sebastian Rank (Düll Gnodstadt) nach Kitzingen gekommen.
„Wenn alle Lebensmittel so rein wären wie unser Bier, hätten wir viel weniger Probleme“, sagt Friedrich Düll selbstbewusst. Seit vier Jahren ist der Krautheimer-Boss nun auch Präsident des Bayerischen Brauereibundes – und gießt ein wenig Wasser in die Euphorie über das stolze Jubiläum. „Ausländische Erzeuger müssen sich ums Reinheitsgebot schon länger nicht mehr scheren. Und im Sinne der Gleichbehandlung ist die Europäische Union eher geneigt, es ganz abzuschaffen, als es zur Verpflichtung für alle zu machen.“
Düll nennt das Reinheitsgebot „Alleinstellungsmerkmal“ der deutschen und insbesondere der bayerischen Brauwirtschaft. Um die Bedeutung der weltweit ältesten, bis heute gültigen Verbraucherschutzbestimmung zu unterstreichen, hat der Bayerische Brauerbund sogar die Aufnahme des „Reinheitsgebotes für Bier“ in die Liste des immateriellen UNESCO-Weltkulturerbes beantragt.
So oder so wird 2016 groß gefeiert: In Aldersbach bei Passau steigt die Landesausstellung „Bier in Bayern“ (29. April bis 30 Oktober), die alle Facetten der Biergeschichte beleuchtet. Hinzu kommt im April 2016 ein großer Festakt in Ingolstadt, wo das Reinheitsgebot einst verkündet wurde, sowie ein dreitägiges Bierfestival vom 22. bis 24. Juli in München mit über 100 Brauereien.
Dort sind auch die Mainfranken dabei, für die 2014 ein gutes Jahr war. Vor allem die Zuwächse beim Export und bei den alkoholfreien Bieren sind erfreulich: 20 Prozent des im Freistaat hergestellten Biers wird im Ausland verkauft, die Nachfrage lag noch vor 20 Jahren bei um die fünf Prozent. Und alkoholfreies Hefeweizen ist nicht nur bei Sportlern der Renner. „Das Schöne daran ist, dass die Umsätze obendrauf kommen, die in der Statistik nicht enthalten sind“ erläutert Karl-Heinz Pritzl. Als „marginales Zusatzgeschäft“ bezeichnet Peter-Michael Himmel den Effekt durch den Gewinn des WM-Titels im vergangenen Sommer. Im Juni und Juli sei das Geschäft dank des Wetters ohnehin gut gelaufen und somit der Aufwand relativ hoch für Zusatzumsätze beim Public Viewing. „Ordentlicher Sonnenschein ist mir lieber als eine WM“, pflichtet Kauzen-Chef Pritzl seinem Kollegen bei.
Die Marktkonsolidierung gehe weiter, es werde irgendwann nur noch ganz große und ganz kleine Brauereien geben. „Der Mittelstand verschwindet“, befürchten alle. Genauer gesagt, fast alle: Sebastian Rank hat seine Privatbrauerei gezielt verkleinert und fühlt sich in Gnodstadt mit seinem Gasthaus pudelwohl in der Nische. „Regionales ist im Trend. Ob uns das langfristig zum Überleben reicht, wissen wir leider nicht.“
Das gilt insbesondere für die Dorfgasthäuser. „Immer mehr machen zu, weil Stammtische und Schafkopfrunden weniger werden, die Biertrinker der Wirtschaftswunder-Zeit aussterben“, sagt Friedrich Düll. Doch ein Jahr vor dem 500. Geburtstag des Reinheitsgebots gibt es auch Zeichen der Hoffnung: Neben dem erstmals seit langem bundesweit gestiegenen Bierabsatz werden die Hausbrauereien immer beliebter. Und in Karlstadt gibt es derzeit 120 Brauerlehrlinge – so viele wie lange nicht mehr.
Söder in Seinsheim und Freibier in Würzburg
In Seinsheim gibt es an diesem Donnerstag eine Premiere: Die CSU lädt nach Seinsheim zum „Tag des Bieres“ ins Jugendheim (20 Uhr: Als Festredner kommt Heimatminister Markus Söder, es gibt Kellerbier und Blasmusik.
Ebenfalls an diesem Donnerstag entert die „Gemeinschaft Mainfranken-Bier“ erneut den Marktplatz in Würzburg: Ab 16 Uhr gibt es fünf Hektoliter Freibier mitten im Herzen des Frankenweins. Beteiligt sind neben Düll (Krautheim), Kauzen, Oechsner (beide Ochsenfurt) und Kesselring (Marktsteft) auch die Brauereien Göller (Zeil), Martinsbräu (Marktheidenfeld) und Rother Bräu (Hausen/Rhön). Noh