Auto-Diebstähle gehören zum Alltag der Strafjustiz. Beim Jugendschöffengericht in Würzburg ging es in dieser Woche allerdings um nächtliche Spritzfahrten mit einem 70 000 Euro teuren Traktor aus der Abtei Münsterschwarzach und mit einen Omnibus, der in Würzburg nach Mitternacht von einem Parkplatz unter der Friedensbrücke gestohlen und nach einer über 100 Kilometer langen Fahrt dort wieder abgestellt worden war. In diesen beiden Fällen und einigen weiteren saßen junge Männer ohne Führerschein am Steuer. Der eine war zur Tatzeit 17, der andere 19 Jahre alt.
Beim Traktor der Benediktiner war der Begriff Spritzfahrt auch deshalb angebracht, weil das Gefährt eine Feldspritze samt Anhänger hinter sich herzog. Anfangs sollen die jungen Leute sogar überlegt haben, den Traktor zu verkaufen; letztlich wurde er aber zu Fahrten über Feld- und Waldwege benutzt, tagsüber im Wald abgestellt und am nächsten Abend wieder gestartet.
Urteil: Freizeitarrest und drei Jahre Jugendstrafe
Die beiden einst befreundeten jungen Männer mit höchst unterschiedlicher Biografie und krimineller Neigung sind unterschiedlich verurteilt worden. Der eine erhielt einen Freizeitarrest und 100 Stunden gemeinnützige Arbeit aufgebrummt, wenn möglich im Kloster Münsterschwarzach abzuleisten. Der andere, mit prallem Vorstrafenregister und derzeit in anderer Sache in Hessen in Untersuchungshaft, wurde zu drei Jahren Jugendstrafe verurteilt. Damit genügend "Spielraum" für eine erforderliche "Nachreife" und die Chance auf eine Berufsausbildung bleibe, sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Reiher. Der Angeklagte war zur Tatzeit obdachlos; seine Anschrift war ein Streetworker-Projekt am Würzburger Hauptbahnhof. Zu den bisher erfolglosen Betreuungsmaßnahmen gehörte, dass man ihn für neun Monate zusammen mit einem Betreuer in ein soziales Reha-Projekt nach Finnland geschickt hatte.
Staatsanwältin: Mir-scheißegal-Einstellung des Angeklagten
Beide Angeklagte gestanden alle zur Last gelegten Vorwürfe. Auf Zeugen konnte daher verzichtet werden. Beim einen ging das Gericht von "glaubwürdiger Einsicht und Reue" aus, nannte als Beispiele dafür einen Entschuldigungsbrief an das Kloster mit dem Angebot, dort zu arbeiten und dass der Angeklagte in einem anderen Fall mit der Schadenswiedergutmachung begonnen und vom für einen Führerschein ersparten Geld 1000 Euro überwiesen hatte. Dem anderen Angeklagten hatte die Staatsanwältin eine "Mir-scheißegal-Einstellung" attestiert. Er habe die Anklage für die eine Verhandlung bekommen und vorher schon das nächste Ding gedreht.
Angeklagter: Party-Bus auf dem Weg nach Corona
Beim Omnibus-Diebstahl unter der Würzburger Friedensbrücke war der ältere Angeklagte allein: Es habe sich dabei, sagte er vor Gericht, um eine "Mutprobe" im Bekanntenkreis gehandelt. Nachdem er den Bus geöffnet hatte, waren über Handy junge Leute aus der Obdachlosen- und Bahnhofsszene verständigt und zum Mitfahren eingeladen worden. Der Bus fuhr dann kreuz und quer durch den Landkreis Würzburg.
In Böttigheim blieb er an einer Hausfassade hängen, morgens kurz nach 3 Uhr. Einem Zeugen, der vom Fahrer wissen wollte, warum um die Zeit überhaupt ein Bus durch den Ort fährt, sagte der Angeklagte, dass es sich um einen "Party-Bus auf der Fahrt nach Corona" handle. Der Zeuge hielt den Bus-Fahrer für echt und half ihm mit weiteren Anwohnern, aus der Unfallstelle herauszurangieren. Der Schaden an der Hausfassade betrug um die 4000 Euro, der am Bus etwa 12 000 Euro.
Im Prozess in Würzburg ging es noch um weitere Taten: um einen Auto-Diebstahl im hessischen Tann, um einen Diebstahl auf dem Firmengelände einer Spedition in Kleinlangheim und um den Diebstahl von Kennzeichen an einem in Schwarzach (beide Landkreis Kitzingen) auf der Straße geparkten Wagen. Die wurden mit einem Edding-Stift leicht verändert, um bei der Fahrt mit einem gestohlenen Fahrzeug nicht gleich bei der ersten Polizeikontrolle aufzufallen. Eines der gestohlenen Fahrzeuge wurde besprüht und bemalt.
Beide Angeklagte haben ihr Urteil sofort angenommen. Die Staatsanwaltschaft verzichtete ebenfalls auf Rechtsmittel.
Für weniger Steuergelder wären sicher auch 9 Monate Knast möglich gewesen... der Erfolg wäre aber vielleicht größer gewesen!
So ein Sozialprojekt kann natürlich scheitern. Aber es bietet immerhin eine kleine Chance, dass der junge Mann doch noch aufwacht und einen anderen Weg einschlägt.