Der Tatort für einen scheinbar "besonders schweren Fall des Diebstahls" war im September 2019 eine Spielothek in Kitzingen: Ein Techniker hatte dort nach Wartungsarbeiten an den Glücksspiel-Automaten seinen Schlüsselbund liegen gelassen.
Weil sie die Gelegenheit genutzt und sich mit einem der Schlüssel knapp 1500 Euro Hartgeld und Scheine aus dem Geld-Wechselautomaten genommen haben soll, allein oder mit anderen, war eine Angestellte (34) der Spielothek im Juli vom Amtsgericht Kitzingen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden. Ihre Vorstrafen hätten sie nicht beeindruckt; sie stand damals noch unter Bewährung. Vor einer Strafkammer des Landgerichts Würzburg ging es jetzt in die zweite Prozessrunde.
Bei der Verhandlung in Kitzingen hatte die Angeklagte geschwiegen; jetzt machte sie Angaben, wenn auch schwer verständlich, zumindest für die Zuhörer. Aber das lag vor allem an den beiden großen Lüftungsgeräten, die im Sitzungssaal 17 des Strafjustizzentrums in Würzburg zum Schutz vor Corona-Viren lautstark im Einsatz sind. So konnte sich das Gericht dann aus den teilweise widersprüchlichen Vernehmungen bei der Polizei, im Strafprozess in Kitzingen, der Einlassung in Würzburg und von zwei Zeugen aus dem Umfeld der Spielothek heraussuchen, wie der Diebstahl von Wechselgeld aus dem Automaten abgelaufen sein könnte.
Überwachungskamera vorher ausgeschaltet
Eine Variante: Dass die Angeklagte den Plan, Geld aus dem Automaten zu nehmen, mit Blick auf ihre Vorstrafen abgebrochen haben könnte, aber dann Probleme gehabt haben könnte, die Geldkassetten wieder in den Automaten einzufügen. Die angebliche Bitte an eine Mitarbeiterin von der Aufsicht soll von dieser abgelehnt worden sein.
Ins Spiel kam zudem ein Kunde, der Freund dieser Mitarbeiterin, den die Angeklagte vom Spielgerät weg in ein Hinterzimmer gebeten hatte, damit er ihr "bei einem technischen Problem" helfe. Dazu habe er, so der Zeuge, Handschuhe anziehen müssen. Er habe gemacht, was ihm gesagt wurde, denn die Mitarbeiterin sei vor Ort die "Chefin" gewesen. Dabei sei davon die Rede gewesen, dass der Kunde die Kassetten wieder in den Wechselgeld-Automaten einsetzen solle, dass die Frau Schulden habe und Geld brauche, dass die Überwachungskamera im Raum vorher "zur Sicherheit" ausgeschaltet worden sei.
Schlüssel sollten im Main entsorgt werden
Eine zusätzliche Dramatik kam ins Geschehen, weil die Freundin und jetzige Lebensgefährtin des Spielothek-Kunden, meist Spätschicht-Aufsicht in dem Laden, ihn mit der "Chefin" im Personalraum antraf und zunächst nicht glauben wollte, dass es da nur um ein technisches Problem mit den Geldkassetten ging.
Später habe sie sich sogar davon überzeugt, dass ihr Freund keine Geldscheine in der Hosentasche hatte, um sicher zu sein, dass der nicht an einer strafbaren Sache beteiligt war. Die Angeklagte soll den Kunden noch aufgefordert haben, den Schlüsselbund des Automaten-Betreuers im Main zu entsorgen, was der allerdings ablehnte. So hatte es die Mitarbeiterin erfahren.
Zu Beginn der Verhandlung vor der Berufungsinstanz, der 7. Strafkammer des Landgerichts, hatte der Vorsitzende Richter noch darauf hingewiesen, dass es nicht bei der Strafe von zehn Monaten aus der Vorinstanz bleiben werde, falls sich das Ergebnis der umfangreichen Beweisaufnahme beim Amtsgericht als zutreffend erweisen sollte. Er signalisierte eine Gefängnisstrafe "nicht unter zwei Jahren" und legte eine Pause ein für ein Gespräch des Verteidigers mit der Angeklagten über deren Verteidigungskonzept.
Verfahren nach zwei Zeugen eingestellt
Danach schilderte die Angeklagte den Fall aus ihrer Sicht. Nach der Vernehmung von zwei Zeugen, weitere warteten im Flur auf ihren Einsatz, wurde das Verfahren vorläufig eingestellt mit der Auflage der Schadenswiedergutmachung. Das heißt, die junge Frau hat die knapp 1500 Euro, die im Wechselgeld-Automaten fehlten, an die Spielothek zu überweisen. Der Grund für diesen Ausgang des Verfahrens: Ein Tatnachweis, so ein Prozessbeteiligter, sei offensichtlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu führen gewesen.