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Kitzingen
Vor 75 Jahren fiel das letzte Todesurteil in Kitzingen
Auf dem Soldatenfriedhof in Bensheim-Auerbach wurde Richard Jarczyk beigesetzt.
Foto: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge | Auf dem Soldatenfriedhof in Bensheim-Auerbach wurde Richard Jarczyk beigesetzt.
Gerhard Bauer
 |  aktualisiert: 27.04.2020 02:10 Uhr

Vor 75 Jahren wurde in Kitzingen das letzte Todesurteil gesprochen und vollstreckt. Als die Stadt am 5. April 1945 von den Amerikanern besetzt wurde, kamen sich in Auflösung befindliche Wehrmachtseinheiten auf dem Rückzug in Richtung Süden durch die Stadt. Mit der Sprengung der Mainübergänge versuchten sie das Nachdrücken der amerikanischen Streitkräfte weitgehend erfolglos zu verhindern.

Der amerikanischen Taskforce Fields gehörten Einheiten der 4. US-Infanteriedivision und der 12. US-Panzerdivision an, die mit Teileinheiten für die Besetzung der Stadt Kitzingen sorgten. Welche zusammen gewürfelten und untereinander kaum bekannten Wehrmachtstruppenteile durch Kitzingen kamen, ist vollständig nicht feststellbar.

Gesichert ist nur, dass die Stadt kampflos geräumt und weitere Schäden durch Kampfhandlungen so vermieden wurden. Einen Tag nach der Besetzung griff die US-Army einen deutschen Soldaten in zivil auf, den sie unter Berufung auf das Kriegsvölkerrecht der Spionage und der Sabotage bezichtigte. Das Kriegsvölkerrecht regelt auch den Umgang mit Soldaten, die in zivil oder in fremder Uniform hinter den Kampflinien angetroffen werden.

Rasch als Spion entlarvt

Als solchen Fall stuften die Amerikaner den am 1908 geborenen Richard Jarczyk ein, als sie ihn hinter ihrer Frontlinie aufgriffen. Er beschrieb sich selbst zunächst als versprengten Angehörigen einer Volksgrenadierdivision und bot amerikanischen Offizieren an, beim Aufbau einer neuen zivilen Regierung in besetztem Reichsgebiet behilflich sein zu wollen.

Das Provost Marshall's Office, die oberste Militärpolizeibehörde einer amerikanischen Division, entlarvte Jarczyk jedoch rasch als Spion und Saboteur und brachte ihn vor ein Militärtribunal der 7. US-Army. Dort gestand Jarczyk bei der Wehrmacht eine besondere Ausbildung für Spionage- und Sabotagetätigkeiten absolviert zu haben, die die Zerstörung von Ausrüstung und das Töten amerikanischer Soldaten vor allem hinter den feindlichen Linien einschloss. Seine Einlassung, beim Aufbau einer Zivilregierung helfen zu wollen, beeindruckte das Militärgericht ebenso wenig wie das Geständnis. Es verurteilte Jarczyk zum Tod durch Erschießen.

An Pfahl gefesselt und erschossen

Wo und wann das Militärtribunal in Kitzingen tagte, ist nicht geklärt. Am 23. April 1945 jedoch wurde Jarczyk in einem Jeep der Militärpolizei auf den Florian-Geyer-Sportplatz gebracht, in dessen Nordwestecke er an einen eingelassen Pfahl gefesselt wurde. Es kam noch zu einem kurzen Wortwechsel mit dem für Kriegsgefangene und Bestattungen zuständigen US-Offizier sowie einem Militärgeistlichen, Kopfbedeckung und Brille wurden abgenommen, die Augen verbunden. Dann nahm das angetretene achtköpfige Erschießungskommando Aufstellung und feuerte eine Salve auf den Delinquenten ab, der sofort zusammenbrach. Ein Militärarzt stellte kurz darauf den Tod Jarczyks fest und ließ ihn in einem Leichensack abtransportieren.

Die US-Army sorgte für eine angemessene Bestattung auf dem Soldatenfriedhof Bensheim-Auerbach, wo Richard Jarczyk im Grab 822 seine letzte Ruhe fand. Das Einzelgrab wird vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge betreut. Geburts- und Todesort sind nicht verzeichnet, Jarczyk wird als Gefallener geführt.

Die Geschichte zu dieser Geschichte: Der Journalist Gerhard Bauer befasste sich für das "Landkreis-Jahrbuch 2020" mit dem Kriegsende vor 75 Jahren in Kitzingen. Bei den Recherchen stieß er auf das Schicksal von Richard Jarczyk. Auch wenn sich vieles nicht mehr aufklären lässt, wissen wir jetzt aber eines: Wie es dazu kam, dass am 23. April 1945 ein Mann am Florian-Geyer-Sportplatz in Kitzingen erschossen wurde.
 
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