
Nicht wenige Fußballvereine im Landkreis konnten 2019 und 2020 ihr 100-jähriges Bestehen feiern, etwa der FC Mainstockheim, der FC Iphofen oder der FC Eintracht Großlangheim. Auch in Wiesenbronn erfolgte 1920, also vor 100 Jahren, die Gründung eines heute kaum mehr bekannten Fußballklubs, berichtet Reinhard Hüßner, der Leiter des Kirchenburgmuseums Mönchsondheim, weiter.
Seine Spurensuche nach den ersten Wiesenbronner Fußballern gestaltete sich nicht ganz einfach, weil entsprechende Dokumente, wie Protokollbücher, fehlen oder nicht überliefert sind. "Trotzdem können einzelne Nachrichten das Vereinsgeschehen grob nachzeichnen", stellt Hüßner fest. In der Chronik des SV Wiesenbronn ist ein Foto abgedruckt, das mehrere Fußballer um 1920 zeigt. Zudem wird auf eine Spielgemeinschaft mit Großlangheim hingewiesen. Eine Nachfrage beim ehemaligen Vorsitzenden des FC Großlangheim, Norbert Troll, ergab, dass sich tatsächlich Protokollbücher aus dieser Zeit erhalten haben. Eine Einsicht ergab folgende Ergebnisse:
Aus Gegnern wird eine Spielvereinigung
Der FC Wiesenbronnn trat am 10. Oktober und am 28. November 1920 gegen Großlangheim an. Einmal gewann er 2:1, das zweite Spiel verlor er 1:5. Im Frühjahr 1921 gründete sich dann die Spielvereinigung Großlangheim-Wiesenbronn. Im Protokollbuch des Großlangheimer Vereins steht: "Mit genügenten Mitgliedern war es möglich, den Club am 12.1.1921 dem Süddeutschen Fußballverband anzumelden u. zugleich eine 1. Mannschaft für die Verbandsspiele aufzustellen. Um dem Interesse der 1. Mannschaft zu genügen wurde eine Spielvereinigung mit Wiesenbronn erzielt, die im Frühjahr 1921 gegründet und sich in 7 Verbandsspeilen (Iphofen, Dettelbach, Mainstockheim, Gerolzhofen, Gochsheim, Etwashausen, Wiesentheidt) im Jahre 1921/22 an vierter Stelle rang. In diesem Verbandsjahre spielten in der 1ten Mannschaft: Schwab, Ritz Alf. Hufnagel Ph., Schwarz Otto, Heinlein, Krämer Fritz, Riedel Hr., Fichtbauer Ph. und Siegfried, Zankel, Roth.“

Die Spieler der zweiten und der Jugendmannschaft sind leider nicht namentlich erfasst. Trotzdem kann aus weiteren Protokolleinträgen geschlossen werden, dass auch hier Wiesenbronner aktiv waren. Die offiziellen Verbandsspiele fanden in Großlangheim statt, die "Privatspiele", also die Freundschaftsspiele, in Wiesenbronn. Am 29. Juli 1923 kam es zum "Trennungsacte der Spielvereinigung". Die Gründe sind nicht mehr nachvollziehbar, musste Hüßner feststellen.
Auch der Fußballklub half den Brandopfern
Dass in Wiesenbronn tatsächlich ein organisierter Fußballverein mit Vorstand und eigenem Kassenwesen existierte, überliefert ein eher zufälliger Eintrag im "Amtsblatt des Bezirksamtes Kitzingen" vom 13. Januar 1922. Dort wird von einem Sammlungsergebnis zugunsten von mehreren Wiesenbronnern berichtet, die am 25. August 1921 von einer Brandkatastrophe heimgesucht wurden. In Wiesenbronn selbst ergab die Sammlung 3163 Mark ,"einschließlich 150 Mark vom Fußballklub".
In den 1920er Jahren fasste auch das organisierte Turnwesen Fuß in Wiesenbronn. Der Fußballhistoriker Udo Luy aus Kleinrinderfeld sieht darin auch den Grund für die Auflösung der Spielgemeinschaft mit Großlangheim. Denn auch innerhalb des Turnverbands gab es Fußballmannschaften, die eigene Wettkämpfe und Meisterschaften austrugen und nicht im offiziellen Fußballverband integriert waren. So ist es sehr wahrscheinlich, dass die Wiesenbronner Fußballer gemeinsam mit den Turnern den "Turn- und Sportverein Wiesenbronn" aus der Taufe hoben. Wären nur Turner dabei gewesen, hätte der Name "Turnverein Wiesenbronn" lauten müssen, meint Hüßner.
Nazis erzwingen die Gleichschaltung
Warum die bisher letzte bekannte Nachricht über den "Turn- und Sportverein Wiesenbronn" im Protokollbuch des Schützenvereins Wiesenbronn zu finden ist, bleibt schleierhaft. In einer Abschrift ist der "Auszug aus der Niederschrift über die am 1. Juni 1940 stattgefundene Mitgliederversammlung des Turn- und Sportvereins Wiesenbronn" erhalten. Darin ist vom Geschäftsbericht und von der Annahme der Einheitssatzung des Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen (NSRL) die Rede. Warum sich der Verein so lange der Gleichschaltung durch die Nazis entziehen konnte, bleibt ungeklärt.

Mit der "Direktive Nr. 23 vom 17. Dezember 1945 über die Beschränkung und Entmilitarisierung des Sportwesens" ließen die Allierten wieder lokale Sportorganisationen auf Kreisebene, die nach Kriegsende zunächst größtenteils verboten worden sind, wieder zu. Wenige Monate später folgte die Neugründung des "Sportvereins Wiesenbronn".
Als Volkssport konnte sich der Ende des 19. Jahrhunderts aus England kommende Fußball erst durch die Förderung im Militärwesen des Deutschen Kaiserreiches durchsetzen. Seit 1910 war der Ballsport Teil des Sports beim Militär, schreibt die Sporthistorikerin Christiane Eisenberg. Die Begeisterung für Fußball behielten sich viele ehemalige Soldaten. Dieser Zusammenhang kann laut Hüßner Forschungen auch in Wiesenbronn nachvollzogen werden. Zu den aktiven Spielern des Fußballklubs zählten die Weltkriegsteilnehmer Georg Fröhlich, Hans Hofmann, Fritz Krämer, Philipp und Siegfried Fichtbauer. Die drei Letztgenannten spielten in der ersten Mannschaft der Spielvereinigung Großlangheim-Wiesenbronn.
Aus dem Dorfsee wird ein Fußballplatz
Abschließend noch zur Frage und Lage des ersten Fußballplatzes in Wiesenbronn. Zu regulären Wettkampfspielen wurde ein Sportplatz gebraucht. Dieser fand sich auf dem Gelände des ehemaligen Dorfsees. Dieser wurde um 1895 trockengelegt und als Wiese angesät. Im Grundbuch wird das Grundstück ausdrücklich als "Fußballplatz" bezeichnet. Zwei Fotos aus den 1920er Jahren belegen, dass dort auch Turn- und Geräteübungen stattfanden.
Ab 1946 fanden die Fußballspiele des neu gegründeten Sportvereins auf einem behelfsmäßigen Spielfeld im Bereich des heutigen Sport- und Schützenheims statt. Das Gelände des ehemaligen Sees und alten Sportplatzes lädt heute als Grünanlage "Seegarten" zum Verweilen und zum Feste feiern ein, so Hüßner.