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IPHOFEN
Von der Kunst, eine Partei zu retten: Heubisch in Iphofen
Wirtschaft und Politik im Dialog: Der Unternehmer Baldwin Knauf (links) bespricht sich mit Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch.
Foto: Eike Lenz | Wirtschaft und Politik im Dialog: Der Unternehmer Baldwin Knauf (links) bespricht sich mit Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch.
Redaktion
 |  aktualisiert: 04.02.2016 18:08 Uhr
War noch was? Ach ja, die Krise der FDP. Mit keinem Wort hatte der prominente Gast der Iphöfer CSU die delikate Angelegenheit auch bloß gestreift. Weshalb hätte er sich – ausgerechnet in der Hochburg des politischen Gegners – auch selbst kasteien sollen? Ganz so frei war der Ober-Liberale Wolfgang Heubisch aus München dann doch nicht, als dass er im Schoß der Christsozialen über die Abgründe der eigenen Partei gebeichtet hätte.

Über „Kunst in Bayern“ sollte Heubisch am Freitagabend in der traditionellen Rentamtsrede der Iphöfer CSU sprechen. Und das fiel ihm, als quasi von der Muse geküsstem bayerischen Wissenschaftsminister, nicht schwer. Aber Heubisch sprengte von sich aus den thematischen Rahmen; er sprach über den Sinn von Studiengebühren, über die Notwendigkeit eines ausgeglichenen Staatshaushalts, und er bekannte sich ohne Not zu Landesvater Horst Seehofer und zum christlich-liberalen Bündnis in Bayern. „Ich bin ein Fan dieser Koalition.“

Er hätte das nicht sagen müssen. Niemand unter den etwa 70 Besuchern hatte ihn danach gefragt, es war ihm offenbar ein Bedürfnis.

Zum Zustand der FDP jedoch sagte er freiwillig nichts. Erst als CSU-Ortsvorsitzender Jörg Schanow am Ende des offiziellen Teils mehr als mit dem Zaunpfahl winkte („Die Situation der FDP macht uns Sorgen. Ich habe den Eindruck, die FDP löst sich auf“), sah Heubisch sich dazu gezwungen, über das Unangenehme zu sprechen – zunächst mit banalen, dann mit durchaus bemerkenswerten Worten, die so noch von keinem FDP-Prominenten offiziell zu hören waren.

Er gebe den Kampf noch nicht auf, „wir können das hinkriegen“, sagte er mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen, wo die FDP überall auf ein krachendes Fiasko zusteuert.

Dabei ließ den Versuchsballon der Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und Liberalen an der Saar nach Heubischs Verständnis die FDP platzen. „Da hat sich die FDP leider selbst hingerichtet“, sagte er. Umfragen sehen die Partei bei zwei Prozent. Kaum besser sieht es an Rhein und Ruhr sowie im hohen Norden aus. Wahlniederlagen dort, und die Tage von FDP-Chef Philipp Rösler sind nach Auffassung Heubischs gezählt. „Sollte es in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein schief gehen, werden wir einen neuen Bundesvorsitzenden haben.“

So forsch und direkt mochte sich am weiteren Abend in den Nachrichtensendungen kein anderer FDP-Grande einlassen.

Seitdem Heubisch 1988 in die liberale Partei eingetreten ist, hat man ihr oft das Totenglöcklein geläutet – und immer hat sie es irgendwie zurück ins Leben geschafft. Doch diesmal ist die Lage ernster denn je, und dass in dieser für die FDP so schicksalsschweren Stunde einer der führenden Liberalen Bayerns ausgerechnet auf Verhaltensmuster des gern aufs Korn genommenen politischen Rivalen verweist, ist durchaus erstaunlich.

„Was uns fehlt, ist, so mit dem Herzen zu motivieren, wie es Ihre Partei schafft; auf den Bürger zuzugehen, ihn einzubeziehen.“ Heubisch hat sich bei seinem Auftritt in Iphofen alle Mühe gegeben, diese Herzenswärme zu verkörpern und die Leute ein Stück auf seinem Weg mitzunehmen.

Die Iphöfer Weinprinzessin Laura Seufert begrüßt er als „königliche Hoheit“, und auch sonst schmeichelt er den Gästen im alten Rentamt, indem er sich als einer von ihnen zu erkennen gibt – als Münchner Kindl zwar, aber eins mit unterfränkischen Wurzeln (seine Mutter stammt aus Erlenbach). Und weil der Wein in erster Linie Kunst sei, fühle er sich im bayerischen Kabinett als wahrer „Wein-Minister“. Ging er auch „sehr früh“ auf Weinfeste, so war ihm das Politische nicht in die Wiege gelegt.

Als er 2008 mit 62 Jahren für den Landtag kandidierte, atmete er zwar längst den liberalen Geist, aber sein Geld verdiente der dreifache Familienvater bis dahin als Zahnarzt. „Im Landtag sind kaum Freiberufler, zu wenige Leute aus der Praxis“, hat er seine Kandidatur einst begründet.

Der Kunst fühlte er sich schon vor seinem Dienstantritt als Minister verbunden, doch aus der Berufung wurde schließlich sein Beruf, den er mit professioneller Leidenschaft vertritt. Dies hört sich dann etwa so an: „Investitionen in Kultur sind alles andere als überflüssiger Luxus. Die kulturelle Attraktivität einer Region spielt eine wichtige Rolle bei der Standortwahl.“

Der 65-Jährige spricht von „kulturellen Leuchttürmen“ in den Metropolen, die übers ganze Land strahlten und auf die Bayern stolz sein könne. Dass die Nürnberger gerne etwas von der Strahlkraft des in München hängenden Selbstporträts von Dürer abbekommen hätten, kann Heubisch ja verstehen. Aber so sehr er sich für die Interessen Nürnbergs stark gemacht habe, das 500 Jahre alte Gemälde sei aus Expertensicht eben „nicht transportfähig“.

Dass auch abseits der Metropolen Kunst gedeihen könne, hat Heubisch bei einem Rundgang durch das neue Knauf-Museum erlebt. „Beeindruckt“ sei er vom modernen Baustil mitten in Iphofens historischer Altstadt. Genau dort gehöre Kunst auch hin, „wir dürfen Kunst nicht wegsperren, sondern müssen die Tore dafür weit aufmachen“, sagt der Minister, von dem bekannt ist, dass er sich für die Münchener Museumslandschaft manchmal mehr Mut der Architekten wünsche. „Unsere Zeit“, so sagt Heubisch, „muss Dokumente für die Nachwelt schaffen.“

Die Freiheit, die er als Liberaler für die Kunst fordert, verlangt er auch an den Hochschulen. Kein Bundesland habe seine Hochschulen so geöffnet wie Bayern. Doch der Minister muss sich auch vorhalten lassen, dass Bayern als eines der wenigen Bundesländer Studiengebühren verlange. Heubisch verteidigt die Beiträge, die immerhin 160 Millionen Euro jährlich in die Kassen brächten.

Geld, das dazu diene, die Studienbedingungen zu verbessern. „Ja, glauben Sie denn, der bayerische Finanzminister würde mir diese Summe so einfach rüberschieben?“ Ein Drittel der Studenten zahle aus sozialen Gründen überhaupt keine Gebühren, der Rest könne sie über ein Darlehen zurückerstatten. „3000 bis 5000 Euro für zehn Semester“, ein Medizin-Studienplatz koste den Staat mindestens 50 000 Euro, stellt Heubisch fest.

Wenn es um Bayerns Hochschulen geht, wird der Minister zum Kämpfer. Schließlich entscheide sich dort Bayerns Zukunft. Und so spürt man auch seinen Verdruss, als CSU-Mann Schanow die Hochschulen für mangelnde Praxisnähe geißelt und ihnen unterstellt, sie lebten in ihrer eigenen Welt. „Wir in den Unternehmen brauchen keine Berufswissenschaftler“, sagt er.

Heubisch kennt die Vorwürfe aus der Wirtschaft. „Die Unis werden das lernen. Aber wie soll ich das anweisen? Mittels Planwirtschaft? Lassen Sie ihnen etwas Zeit“, sagt er unwirsch. Es sind nur kleine Dissonanzen, die das harmonische Verhältnis nicht stören. Am Schluss sagt Schanow zu seinem Gast: „Sie passen wirklich gut zu uns. Schade, dass Sie in der falschen Partei sind.“
 
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