Am Ende gehört Eva-Maria Deppisch zu den Verlierern, als Noch-Justizminister Heiko Maas das Ergebnis verkündet: 362 Genossen befürworten Gespräche, 279 lehnen sie ab, einer enthält sich. Denkbar knapp also – mit 56,4 Prozent – beschließt der SPD-Sonderparteitag am Sonntag in Bonn die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU.
Die 30-Jährige, eine von neun Delegierten aus Mainfranken, ist enttäuscht. Als „Mehrheitsbeschaffer“ der Union werde die SPD weiter an Profil verlieren, findet sie. Deppisch, die Stadträtin in Dettelbach (Lkr. Kitzingen) ist, wünscht sich den Gang in die Opposition, damit sich die Partei wieder auf ihre Grundwerte besinnen könne – als da wären die Solidarität mit den Schwachen in der Gesellschaft oder ein internationales, antirassistisches Europa.
„Ich war schon 2013 gegen die GroKo“
Martin Schulz hätte Deppisch mit seiner Rede nicht mehr überzeugen können. „Ich war schon 2013 gegen die GroKo.“ Die 30-jährige Jungsozialistin (Juso) sieht sich nach dem Auftritt ihres Parteichefs bestätigt. Erschöpft wirkt der Obergenosse, angeschlagen. Aber er wirbt dennoch unermüdlich weiter für den seiner Ansicht nach „mutigeren Weg“, nämlich mit der Union zu verhandeln.
Dass auch er seine Meinung geändert hat, erklärt Schulz mit der „fundamental veränderten Lage“ des Landes nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche. Dafür sei nicht die SPD verantwortlich.
Die Sondierungsergebnisse böten die Chance, die Lage vieler Menschen, etwa von Alleinerziehenden, jungen Familien und Rentnern, „spürbar“ zu verbessern. Um dies zu erreichen, mache er Politik. Konkret nennt Schulz die Parität in der Krankenversicherung, das Recht auf kostenlose Ganztagsbetreuung, die Erhöhung des Bafög, den sozialen Wohnungsbau und die Lebensleistungsrente. Auch eine Begrenzung von Rüstungsexporten und ein Aus für die Austeritätspolitik in Europa habe man durchsetzen können.
SPD-Verhandlungserfolge, die auch den Bundestagsabgeordneten Bernd Rützel überzeugen. „Ich bin Pragmatiker“, sagt der Chef der Unterfranken-SPD. Deshalb stimmt er an diesem Sonntag mit Ja. Dass nun noch einmal versucht werden soll, ein Verbot der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen durchzusetzen, findet der langjährige Gewerkschafter aus Gemünden (Lkr. Main-Spessart) „richtig gut“. Diese Forderung in Verhandlungen mit CDU und CSU doch noch zu realisieren, werde aber „ein hartes Stück Arbeit“.
Die AfD sollte nicht die größte Oppositionspartei sein, sagt sie
Eva-Maria Deppisch ist der Preis für die Kompromisse zu hoch. Wenn Parteien infolge großer Koalitionen nicht mehr unterscheidbar seien, nehme die Politikverdrossenheit zu, „dann stärken wir die politischen Ränder“. Schon jetzt säßen Rassisten im Parlament. Die Vorstellung, die AfD könne noch stärker werden, sei ihr „unerträglich“. Sich nicht an der Regierung zu beteiligen, damit die Rechtspopulisten nicht die größte Oppositionspartei sind, bleibe ein „sehr ehrenwertes Motiv“. Auch so könne man politische Verantwortung übernehmen – und auf Dauer wieder größere Zustimmung bei den Wählern gewinnen.
Angst vor Neuwahlen hat und hatte sie nicht. Besonders ärgert die 30-Jährige das Kapitel zur Flüchtlingspolitik am Sondierungspapier. Als ehrenamtliche Helferin habe sie lange gegen die Kasernierung von Flüchtlingen, die Residenzpflicht oder das Sachleistungsprinzip bei der Verpflegung gekämpft und dabei einige Verbesserungen für Asylbewerber in Mainfranken erreicht. Doch nun stünden genau diese Punkte wieder in der Vereinbarung drin. Auch die Regelungen zum Familiennachzug seien „mehr als mager“. Da könne sie weder als Christin noch als Sozialdemokratin zustimmen. „Nächstenliebe meint etwas anderes.“
Während Martin Schulz nach seiner 60-minütigen Rede eher zurückhaltend Applaus bekommt, erreicht Kevin Kühnert die Herzen der Delegierten. Nach seinem Auftritt tobt der Saal kurzfristig, auch weil der Juso-Chef differenziert argumentiert. Zwar plädiert er klar gegen eine GroKo („Die Gemeinsamkeiten sind aufgebraucht“), lobt aber auch die Diskussionskultur in der SPD. „Wie immer wir uns entscheiden, es wird wehtun“, sagt der 28-Jährige einmal mehr. Aber auch ein Nein sei nicht das „Ende der Geschichte und erst recht nicht das Ende der SPD“. Kühnert fordert die Delegierten zu mehr Selbstbewusstsein auf. Man solle heute ein „Zwerg“ sein, so der 30-Jährige in Anspielung an das Wort vom „Zwergenaufstand“, mit dem CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt die Juso-Kritik betitelt hatte, damit man „zukünftig wieder ein Riese sein“ könne.
„Kevin wird der neue SPD-Vorsitzende“, glaubt Bernd Rützel
Bernd Rützel ist begeistert. Er sei zwar nicht Kühnerts Meinung, aber sicher: „Kevin wird der neue SPD-Vorsitzende. Nicht heute oder morgen, aber irgendwann.“ Eva-Maria Deppisch hat kurzfristig Hoffnung, der Auftritt des 28-Jährigen könne die Delegierten doch noch zu einem Nein bewegen.
Am Ende aber reicht es nicht, auch weil sich die Partei-Promis immer wieder engagiert einmischen, um die offenkundig knappe Zustimmung für eine GroKo zu retten. Es könne nicht sein, dass die SPD nur noch mitregiere, wenn sie absolute Mehrheiten habe oder in einem „derzeit illusorischen“ Linksbündnis regiere, sagt Andrea Nahles, die Fraktionschefin im Bundestag. „Das ist Blödsinn, verdammt noch mal.“ Wie die Wähler auf ein SPD-Nein zum Regieren reagieren würden, ist für sie klar: „Die zeigen uns den Vogel. Das einzige, was ich Euch versprechen kann, dass wir verhandeln werden, bis es quietscht. Wir werden weitere gute Sachen herausholen und dafür lohnt es sich, Ja zu sagen.“ Für ihre Brandrede bekommt Nahles mit Abstand den größten Applaus.
Auf die Streitkultur der SPD ist die Dettelbacherin stolz
Die emotionsgeladene, dreistündige Debatte zeigt, wie zerrissen die Partei ist. „Ist das schlimm?“, fragt die Unterfränkin Deppisch rhetorisch. Sie empfinde jedenfalls Stolz auf die SPD, auf die lebendige Streitkultur, die auch kritische Positionen jederzeit erlaube. „Deshalb bin ich 2009 in die Partei eingetreten.“ Aufgrund dieser Erfahrungen glaube sie auch nicht, dass sich die SPD nach dem knappen Abstimmungsergebnis vom Sonntag zerfleischen werde, sagt Deppisch. Der Respekt vor den Andersdenkenden sei auf beiden Seiten groß. Auch eine Personaldebatte um Martin Schulz braucht es ihrer Meinung nach nicht. „Wir streiten um Inhalte, nicht um Personen.“ Bernd Rützel stimmt ihr da zu, auch wenn er den Parteichef durch den Parteitag „zumindest nicht gestärkt“ sieht.
Eva-Maria Deppisch bleibt derweil eine Hoffnung. Am Ende der Verhandlungen dürfen die 440 000 Mitglieder der SPD über einen Koalitionsvertrag abstimmen. Die Dettelbacherin ist entschlossen: „Die NoGroKo-Kampagne geht weiter.“
Profil schärfen.
Und das geht mMn auch, wenn man Koalitionspartner ist.
Allerdings wäre es dazu nötig, sich darüber klar zu werden, was die Leute wirklich umtreibt. Beispiele gefällig? Los gehts!
- Zügige Angleichung der Erfassung von Neuankömmlingen in allen Bundesländern. Es kann nicht sein, dass jemand sich mit verschiedenen Identitäten mehrfach anmelden kann.
- Zügige Abarbeitung der Asylverfahren, konsequente Umsetzung des Ergebnisses. Gleichzeitig: durchgreifende Maßnahmen als Anreiz zum Verbleib in der Heimatregion w. z. B. Initiieren von Vor-Ort-Mikrokrediten an Einzelpersonen (à la Grameen-Bank)!
- Gleiche Bildungssysteme (und -chancen!) in allen Bundesländern.
- Und noch einen: Sicherheit für alle(!) in Sachen Rente. Dazu könnte die SPD visionär für ein bedingungsloses Grundeinkommen als Antwort auf Industrie 4.0 werben. Denn dass die kommt, ist nur noch eine Frage der Zeit, und es gilt, sich sozial verträglich darauf einzustellen.
Sie übersehen außerdem daß das Grundgesetz keine Koalitionen vorsieht - das Wort "Koalition" ist verfassungsrechtlich nicht existent und kommt im GG nicht vor. Eine Minderheitsregierung wäre die korrekte Lösung gewesen.
Übrigens: Es ist ein Mangel in unserem Grundgesetz daß es keine Frist für die Kanzlerwahl gibt. Der Bundestag muß spätestens am 30. Tag nach seiner Wahl zusammen treten (Art. 39 GG). Die Kanzlerwahl und Regierungsbildung kann hingegen beliebig verzögert werden, da sie vom Bundespräsidenten angestoßen wird (Art. 63 GG), welcher - salopp gesagt - momentan ohne Not herumtrödelt.
In kürze fällt die GROKO auseinander, das ist der absolute Untergang der SPD, ihr werden weitere ungläubige Parteien folgen wie CDU/CSU, die Grünen, die FDP! Die CSU bekommt im Herbst die erste Ohrfeige für ihren Schlingerkurs! Dann folgt auch ihr Abstieg ins jenseits der Republik. Die Geschichte wiederholt sich! Wenn die unglaubwürdigen das Politfeld geräumt haben, wird Deutschland daraus wieder gestärkt hervorgehen! „Germany First!“