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OBERVOLKACH
Vom Korn zum Brot: Müllerei-Fachtag
Vom Korn zum Brot: Müllermeister Karl Englert aus Obervolkach hat für Kollegen aus dem Bereich der Mühlenwirtschaft eine jährliche Tagung ins Leben gerufen. Heuer findet das Branchentreffen bereits zum 40. Mal statt. Der Beruf des Müllers wandelt sich.
Vom Korn zum Brot: Müllerei-Fachtag
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 27.04.2023 00:25 Uhr

Eingebettet in eine Landschaft aus weichen Hügeln und grünen Wiesen liegt die Gründleinsmühle am Ortsrand von Obervolkach (Lkr. Kitzingen). Dem schmucken Anwesen sieht man nicht an, dass hier seit über 100 Jahren Mehl gemahlen wird. Ein Mühlrad sucht man jedoch vergebens. Der Beruf des Müllers hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert und steht vor neuen Herausforderungen. Darüber soll auch bei der 40. Müllerei-Fachtagung, die vom 29. bis zum 31. Oktober in Volkach stattfindet, diskutiert werden.

Karl und Ilse Englert haben die Gründleinsmühle von 1981 bis 2008 geführt. Heute erinnert nur noch das Gebälk des vier Stockwerke hohen Mühlengebäudes an frühere Zeiten. Ein alter Mühlstein lässt erahnen, was in dem hoch gebauten Haus passiert. „Heute sind Mahlwalzen aus Stahl der Stand der Technik“, erklärt Seniorchefin Ilse Englert. Was früher schwere Handarbeit war, wird heute vor allem von computergesteuerten Maschinen erledigt. „Der Beruf des Müllers ist technischer und damit anspruchsvoller geworden“, bestätigt Josef Rampl, Geschäftsführer des Bayerischen Müllerbundes in München. Statt schwere Säcke zu schleppen, steuert der moderne Müller heute alles mit dem Computer.

Die Gründleinsmühle sowie eine weitere Getreidemühle, die Ohlmannsmühe in Oberlaimbach (Lkr. Neustadt an der Aisch), werden heute in der fünften Generation von Jürgen und Anja Englert geführt. Waren es in der Vergangenheit eher traditionsreiche alte Handwerksbetriebe, die Mühlen betrieben, so sind es heute überwiegend inhabergeführte Mittelstandsbetriebe. Sogar die Berufsbezeichnung wurde geändert: Aus dem Müller wurde der Müller/Verfahrenstechnologe in der Mühlen- und Futtermittelwirtschaft.

Der 2009 verstorbene Seniorchef Karl Englert hatte im Jahr 1975 die Idee, einen Müllerei-Fachtag zum Austausch für die Branche einzuführen. Zusammen mit dem Bayerischen Müllerbund richtete er die mehrtägige Tagung seither aus. Bei der viertägigen Veranstaltung geht es um Getreide, Strukturveränderungen in der Agrarbranche, Qualitätsbeurteilung, Technologie und Wirtschaft. Englerts Ehefrau Ilse führt diese Tradition nun weiter und freut sich auf die 40. Müllerei-Fachtagung, zu der mehr als 200 Müller aus dem In- und Ausland erwartet werden. „Für viele Müllermeister ist die Fachtagung der Jahresurlaub“, sagt Englert.

Traditionsreiches Handwerk: 150 Tonnen Mehl Tagesleistung erzielt die Familie Englert mit ihren beiden Mühlen.
Foto: Thomas Obermeier | Traditionsreiches Handwerk: 150 Tonnen Mehl Tagesleistung erzielt die Familie Englert mit ihren beiden Mühlen.

Die Mühlenwirtschaft wandelt sich: Gab es 1950 in Deutschland noch fast 19 000 Mühlen, waren es 1980 nur noch 2500. Heute sind in Deutschland noch 213 Getreidemühlen in Betrieb, davon 60 in Bayern. „Dabei konsumieren wir mehr Mehl als in früheren Jahrzehnten“, sagt Rampl. Im Jahr 1960 verspeisten die Deutschen acht Millionen Tonnen Mehl, 2014 waren es schon neun Millionen Tonnen Getreide, welches zu Mehl verarbeitet wurde. „Jeder kommt jeden Tag mit einem Produkt von uns Müllern in Berührung“, erklärt Rampl. Sei es mit Brot, Kuchen, Brötchen, Keksen oder Nudeln.

Schrote, Mehle und Spezialfutter werden heute in der Obervolkacher Mühle hergestellt. Früher wurde das Getreide befühlt und daran gerochen, um die Qualität zu prüfen. Heute gibt es in jeder Mühle ein kleines Labor, das Informationen über Mineralstoffe, Enzyme, Vitamine, Fallzahlen und möglichen Pilzbefall zutage bringt. „Ein Müller muss immer die Entwicklung an den internationalen Getreidemärkten im Blick haben“, verrät Ilse Englert. „Die größte Herausforderung ist es, das Getreide zum richtigen Zeitpunkt einzukaufen.“ In der Gründleinsmühle wird fast nur Getreide aus der Region vermahlen. Im Trend sind auch Spezialmehle aus Dinkel, Mais oder Buchweizen.

Denn es gibt immer mehr Menschen, die sich als Gluten-Sensitive oder Weizen-Sensitive einstufen. Forschungen deuten darauf hin, dass die als natürliche Insektenabwehrstoffe bekannten alpha-Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI) eine Hauptrolle im Entstehungsprozess der Weizensensitivität spielen. „Wissenschaftlich konnte bisher nicht genau belegt werden, woher der Ausgangspunkt dieses Trends stammt“, sagt Rampl vom Müllerbund. „Krankheiten wie Glutenunverträglichkeit oder Zöliakie nehmen wir sehr ernst“, so Rampl weiter. Gesundheitsaspekte heutiger Weizensorten sind daher auch Thema bei der Fachtagung.

Die Gründleinsmühle setzt seit vielen Jahren auf Roggenmehle aus Roggen-Urkorn-Sorten und auf Vollkornmehle. „Der Trend geht hin zu dunklen Mehlsorten und Vollkornmehlen“, sagt Müllermeister Jürgen Englert. „Unsere Mehle sind ohne jegliche Zusätze“, betont er. Manchen Mehlen werde Ascorbinsäure oder Malz zugesetzt, um die Backeigenschaften zu verbessern oder das Mehl haltbarer zu machen. „Die Haltbarkeit eines Mehles wird durch seinen Fettgehalt bestimmt“, sagt Rampl. Da Fett vor allem im Keim und im Mehlkörper des Getreidekorns vorkommt, sind insbesondere Vollkornmehle von einer schnelleren Alterung betroffen.

Bevor das Mahlen beginnt, wird das Korn gereinigt. Ein Gebläse pustet Stroh, Sand oder Staub aus dem Getreide. Magnete ziehen Metallstücke heraus. „Eine Digitalkamera beobachtet alles und meldet, wenn etwas die falsche Farbe oder das falsche Format hat“, erklärt Englert. Das Mehlmahlen beginnt mit dem Schroten. Dabei werden die Körner zwischen zwei sich drehenden Metallwalzen aufgebrochen. Mit Luft werden diese Flocken in großen Rohren nach oben gepustet. Nun läuft das Getreide über mehrere Walzenstühle, die es immer feiner zerkleinern. Dann wird das Mahlgut auf einen Plansichter gesiebt. Das Mehl wird abgesiebt und der Schrot wieder vermahlen, bis alles Mehl herausgelöst wurde.

150 Tonnen Mehl Tagesleistung erzielen die Englerts mit ihren Mühlen. Als weiteres Standbein produzieren sie seit über 30 Jahren Pferde- und Fischfutter – zumeist in Bioqualität. „Somit werden die Synergieeffekte optimal genutzt“, erklärt Anja Englert. Auch das Tierfutter bestehe zum größten Teil aus Rohstoffen aus der Region. Als Futtermittelhersteller beliefern die Englerts den Großraum Würzburg, von Aschaffenburg bis Nürnberg.

In Deutschland werden pro Jahr 100 Müllerlehrlinge ausgebildet. Wichtig sei neben dem technischen Know-how ein Gespür für die Natur und den Rohstoff. „Gutes Getreide kann nur mit gutem Saatgut erzeugt werden, deshalb sind wir schon bei der Sortenwahl im Gespräch mit den Landwirten“, erläutert Rampl vom Müllerbund. So beeinflussen bereits Einstellungen am Mähdrescher den Reinigungsgrad und den Bruchkornanteil.

Genauso wichtig wie die Zusammenarbeit mit den Bauern sei die Kommunikation mit den Bäckereien vor Ort. „Wir liefern jedem Bäcker das Mehl, das er braucht. Das sind oft ganz besondere Mischungen“, erklärt Müllermeister Englert. „Viele Verbraucher wünschen sich Anbau und Verarbeitung im Einklang mit Natur und Umwelt.“


Mühlen in Deutschland

Die deutschen Mühlen vermahlen Jahr für Jahr gut neun Millionen Tonnen Getreide. Davon allein entfallen 7,8 Millionen Tonnen auf die Brotgetreide Weizen und Roggen. Aus diesen Vermahlungskapazitäten resultieren rund 5,7 Millionen Tonnen Weizenmehl, rund 650 000 Tonnen Roggenmehl sowie 300 000 Tonnen Mahlerzeugnisse aus Hartweizen.

Der Schwerpunkt der Betriebe liegt in Süddeutschland, Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland). Im Gebiet Süd versorgt eine Mühle rund 173 637 Einwohner mit Mehl, im Norden (Niedersachsen, Bremen, Schleswig-Holstein, Hamburg) hingegen 551 155 Einwohner. Bundesweit gesehen versorgt eine Mühle durchschnittlich ca. 400 000 Einwohner mit Mehl und anderen Mahlerzeugnissen. Im Durchschnitt vermahlt eine Mühle etwa 40 000 Tonnen Brotgetreide pro Jahr.

Während der Getreideverzehr weiter leicht steigt, nimmt die Anzahl der Mühlen weiter ab: Gab es 1950 in Deutschland noch fast 19 000 Mühlen, sind es heute noch 550. Von diesen vermahlen 213 mehr als 1000 Tonnen im Jahr und werden in der amtlichen Statistik erfasst.

Es gibt in Deutschland aber immer noch eine große Zahl von Mühlen mit unterschiedlichen erfolgreichen Konzepten, die kleine Bäckereien, große Backbetriebe oder die Lebensmittelindustrie mit vielfältigen Mahlerzeugnissen beliefern oder einen Mühlenladen mit einem großen Angebot für den Verbraucher führen.

In Rothenburg startet der Taubermühlenwanderweg. Über 50 Mühlen unterschiedlichster Bauart reihen sich wie an einer Perlenschnur im Taubertal auf. Mehr Infos: www.taubermuehlenweg.de Quelle: Mühlen in Deutschland

 
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