
Der Kapitän schwärmt: "Es ist einfach wunderbar hier. Ich liebe den Main." Fest hat Bernhard Huth den Blick auf den Fluss gerichtet, eine Hand am Ruder und jeden Moment bereit, kräftig hinzulangen, um das ungewöhnliche Gefährt per Muskelkraft wieder auf Kurs zu bringen. Denn Huth, der braungebrannte ehemalige Wasserschutzpolizist, steht nicht auf der Brücke eines Schiffs. Sondern am Bug eines Floßes, das mit 70 Männern, Frauen und Kindern in bester Laune und mit Stimmungsmusik gerade gemächlich den Altmain hinunter schippert und sich seinen Weg vorbei an ungezählten Kajaks, Kanus, Luftmatratzen und Schwimmtieren bahnen muss. In Fließgeschwindigkeit geht es in dreieinhalb Stunden vorbei an Schmuckstücken der mainfränkischen Kulturlandschaft, an den Weinbergen unterhalb der Vogelsburg oder durch das Naturschutzgebiet Sommeracher Wald.
Entschleunigen, Natur genießen, sich treiben lassen – und dabei jede Menge Gaudi haben. Das ist das Motto auf dem Floß. Der "schwimmende Wein- und Biergarten" ist zu einer Attraktion auf dem Altmain zwischen Volkach und Sommerach geworden. Heute im Mittelpunkt: Michael Sauer, einer der Floßbesitzer. Barfuß, mit kurzer Hose und grünem T-Shirt, sorgt der Astheimer mit lustigen Anekdoten, vielen Informationen zu Fluss und Wein oder - wie er betont - "guten Witzen" für eine entspannt-lockere Atmosphäre an Bord.

Was die fröhlich auf dem 20 Meter langen, 7,5 Meter breiten Floß feiernden Passagiere nicht ahnen: welch logistischer Aufwand nötig ist, um die rund 100 Fahrten mit den zwei Flößen pro Saison reibungslos über die Bühne zu bringen. Denn bevor das Vergnügen an Bord starten kann, heißt es erst einmal alles perfekt zu planen und zu organisieren. Dafür ist der zweite Floßbesitzer, Wolfgang Barthel aus Bibergau mit seiner Familie zuständig. Barthels Frau Monika ist die Schwester von Michael Sauer, und das bedeutet: "Wir sind ein absoluter Familienbetrieb und ziehen alle an einem Strang!"
Oberstes Gebot: "Zufriedene Gäste", sagt Wolfgang Barthel. Die Passagiere werden nach der Floßfahrt zum Ausgangspunkt zurückgefahren, bei Hochwasser bewirten die Flößer sie in der Weintenne im Bibergauer Schloss und erfüllen schon mal ausgefallenere Wünsche wie - für eine Firma - ein Fünf-Gänge-Sterne-Menü. Nicht ganz so exquisit, aber beliebt ist das Spanferkelessen. "Einmal", so erinnert sich Barthel, "hatten wir 80 Portionen beim Metzger bestellt, aber der hat vergessen, sie in den Ofen zu schieben." Doch auch dieses Problem ließ sich lösen: das fertig gegarte Spanferkel wurde vom Metzger während der Fahrt per Boot nachgeliefert.

"Gut zwei Stunden vor der Abfahrt beginnen wir das Floß aufzurüsten", sagt Michael Sauer. In Nordheim, wo die beiden Flöße im Sommer vor Anker liegen, werden von Bäcker und Metzger Wurst und Brot für die deftige Häckerbrotzeit angeliefert und samt Bierfässern, Wasserkästen und Wein aus dem elterlichen Weingut der Lage Escherndorfer Lump in den selbst konstruierten Kühltruhen an Bord verstaut. "Das sind umgebaute alte Mehlkisten", sagt Sauer, der Mann für die Technik. Sie wurden gut isoliert, so dass die Fracht sechs bis sieben Stunden kühl bleibt – ohne Strom, der wäre an Bord nicht erlaubt.
Beim Stichwort "reibungslose Organisation" erzählt Wolfgang Barthel eine Geschichte, die ihm in Erinnerung blieb: Vor einigen Jahren kam während einer Fahrt wie aus dem Nichts ein Sturm auf, die Gäste mussten sofort von Bord gebracht werden. "Ein Anruf bei unseren Partnern aus Volkach hat genügt, und es standen innerhalb weniger Minuten zwei Busse da, um die Gäste in Sicherheit zu bringen", sagt Barthel. "Nach 25 Jahren Zusammenarbeit bedarf es keiner langen Erklärungen, da heißt es nur: Holt bitte sofort die Gäste und schon läuft das."

Nicht nur Gruppen, Firmen, Vereine und Einzelpersonen buchen die in Unterfranken einmaligen Floßfahrten. Auch Promis und Politiker waren schon Bord: der Comedian Ingolf Lück und Schwimmweltmeister Thomas Lurz etwa oder die CSU-Politiker Michael Klos, Peter Ramsauer und Günther Beckstein. Auch bei der TV-Sendung "Straße der Lieder" mit Gotthilf Fischer und beim Franken-Tatort hat das Floß mitgewirkt. Stofferl Well fuhr in seiner Musiksendung "Strawanzen in Bayern" sogar mit seinem Motorrad samt Beiwagen auf dem Floss mit.
"Zu Beginn wurden wir stark belächelt", erinnert sich Wolfgang Barthel an die Anfangszeit. Schwiegervater Paul Sauer aus Escherndorf, ein umtriebiger Rentner, hatte 1995 die Idee gehabt, Gäste mit einem Floß auf dem Main zu chauffieren, waren doch Jahrhunderte lang Flößer auf der Wasserstraße unterwegs, die Holzstämme aus dem Fichtelgebirge zum Teil bis nach Rotterdam brachten. So ein Floß sollte es werden. Doch daraus wurde nichts, auch nicht aus der Idee, es den Isarflößern gleich zu tun. Denn im Gegensatz zur Isar ist der Main eine Binnenschifffahrtsstraße, es gilt strenge Auflagen zu erfüllen.

So wurde aus Mainz ein Havariekommissar geholt, der alles genau berechnete. Das Floß muss Wind und Strömung standhalten und darf auf keinen Fall kippen. "Wir sind Statik-geprüft wie die Titanic", sagt Sauer mit Grinsen. Auch wenn sie selbst keine Fachleute waren, machten sich die Familien Sauer und Barthel ans Werk. Es wurde getüftelt und ausprobiert, nach geeignetem Sonnenschutz und passenden Holz gefahndet, an Details gefeilt. Etliche Flöße zimmerten sie so im Laufe der Jahre schon zusammen.
"Ich kenne hier vom Main jeden Quadratzentimeter", ist sich Sauer sicher. Und schätzt, dass er auf der 9,5 Kilometer langen Strecke zwischen Astheim und Gerlachshausen "schon Tausende Fahrten" absolviert hat. "In der ersten Saison 1995 hatten wir viele Probeläufe, aber nur zwei Fahrten mit Gästen." Inzwischen kommen die Floß-Passagiere aus ganz Deutschland, aus Italien, der Schweiz oder Dubai. "Nur die Japaner fehlen uns noch", sagt Barthel lachend. Reisen einzelne Gäste zu spät an, werden sie per Boot an Bord nachgeholt. Nur manchmal klappt das nicht ganz: Einmal stand ein Bus mit Gästen zwar in Astheim bereit. Aber in Astheim bei Rüdesheim am Rhein. Und auch Nordheim vor der Rhön wurde von einem fehlgeleiteten Busfahrer schon angesteuert.
Ein besonderer Spaß ist das auf halber Strecke ausgetragene Wettrudern zwischen Männern und Frauen. Dabei geht es darum, das Floß um seine eigene Achse zu drehen. Wer geschickter rudert, gewinnt. "Ich sorge schon dafür, dass die Frauen die Nase vorn haben", lacht Barthel. Einmal allerdings sei er selbst ins Staunen gekommen, als Mitglieder der deutschen Damen-Rudernationalmannschaft an Bord waren und ihr Können zeigten. "Da konnten selbst wir noch was lernen", gestehen die beiden Flößer.
Stolz sind Wolfgang Barthel und Michael Sauer, dass viele Mitarbeiter schon sehr lang im Team sind. Von Anfang an dabei: Kapitän Erich Maiberger und Hermann Schmidt, der bereits bei der allerersten Fahrt am Ruder war. Pro Tour sind sechs bis acht Leute als Besatzung nötig: je zwei Mann vorn und hinten an den Rudern, dazu die Bedienungen für die Gäste. Inzwischen arbeiten auch schon die Kinder mit, so dass drei Generationen an Bord sind.
Auch kleinere Flöße sind auf dem Main unterwegs:
