Er ist einfach zum Knutschen. Schwarze Knopfaugen, seidig-weißes Fell, tapsige Pfoten: Lou ist der Inbegriff eines knuffigen Labrador-Welpen. Der kleine Kerl lebt seit Anfang September bei Jochen Neubert und seiner Familie in Kaltensondheim nahe Kitzingen. Er steckt seine Nase überall hinein. Am liebsten in trüffelhaltigen Boden.
„Er ist anscheinend ein Naturtalent“, sagt Jochen Neubert lachend, während er dem schwanzwedelnden Lou lobend den Kopf tätschelt. „Wir hätten ja nie gedacht, dass da draußen schon was gewachsen ist.“ Mit „da draußen“ meint der 32-jährige Landbautechniker ein Feld auf einer Anhöhe hinter Kaltensondheim, auf dem junge Bäume gerade ihre letzten, braun-gelb gefärbten Blätter verlieren. Unscheinbar wirken die kleinen Haselnussbäumchen, unter die sich einige Hainbuchen und Eichen gemischt haben. Doch es geht auch gar nicht um das, was man sieht. Objekt der Begierde ist das, was unterirdisch wächst, an den Wurzeln der Bäume.
Vor fünf Jahren hatte Katharina Apfelbacher aus Erlach, eine Bekannte von Jochen Neubert und seiner Partnerin Caro Spiegel, in der fränkischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim ein Seminar besucht, in dem es um eine relativ unbekannte Sonderkultur ging: Trüffel. Die Landwirtin war schnell Feuer und Flamme. „Der Anbau der Edelpilze klang spannend und schien gut in mein Portfolio zu passen“, erklärt die 37-jährige Chefin des Ströhlerhofs. „Aber natürlich ist so ein Anbau-Versuch schon ein finanzielles Risiko. Deshalb dachte ich, ein Team zu sein, wäre gut.“
Katharina Apfelbacher, die sich mit dem Anbau von Safran einen Namen gemacht hat, erzählte guten Bekannten von ihrer Idee: Jochen Neubert und seiner Caro vom Spargel- und Beerenhof Neubert, und Christoph Sterk, Landwirtschaftsmeister aus Großlangheim, der unter dem Namen „Heimathungrig“ Aronia-Beeren und Mini-Kiwi vermarktet.
Wie Apfelbacher, die früher Krankenpflegerin war, sind Neubert als gelernter Koch, Spiegel als gelernte zahnmedizinische Fachangestellte und der einstige Informatiker Sterk als Quereinsteiger zur Landwirtschaft gekommen. Sie alle vereint die Innovationslust. Und die Leidenschaft für das, was sie tun. Kurz darauf war es beschlossene Sache: „Wir wagen uns zusammen an die Trüffel!“
Noch im gleichen Jahr kauften „die Trüffelbauern“ ihre Trüffelbäume. „Durch die Sammelbestellung haben wir einen besseren Preis bekommen als wenn jeder einzeln geordert hätte“, erklärt Katharina Apfelbacher. Sie pflanzte 1.200 Bäumchen auf Feldern in Erlach, Christoph Sterk 2000 Bäumchen in Großlangheim und Familie Neubert/Spiegel 700 bei Kaltensondheim. „Jeder Stecken hat 15 Euro gekostet“, erinnert sich Jochen Neubert. Stecken? Er lacht: „Ja, mehr waren die Bäumchen nicht – nur kleine, fingerdicke Setzlinge.“ Allerdings war jede Wurzel „geimpft“ – mit Trüffelsporen.
Trüffel sind nichts anderes als die Fruchtkörper bestimmter Pilze, die im Boden wachsen. Diese Pilze gehen eine Symbiose mit jungen Bäumen ein, sie bilden ein feines Netzwerk im Boden, das es den Bäumen erleichtert, an Nährstoffe und Wasser zu kommen. Gleichzeitig versorgt es die Pilze mit Kohlenhydraten, welche die Bäume durch Fotosynthese bilden.
Doch bis es zu so einer Win-win-Situation kommt, muss vieles stimmen: Trüffelkulturen benötigen kalkhaltigen Boden mit einem ph-Wert von mehr als 7, zudem muss er locker und gut belüftet sein. Zu nass darf er nicht werden, denn Staunässe vertragen die Edelpilze nicht, Trockenheit mögen sie aber ebenso wenig.
„Die Trüffelbauer“ müssen sich also ein Händchen für die Diva im Boden aneignen. „Jeder pflegt seine Flächen nach seiner eigenen Philosophie“, sagt Neubert. Außerdem ist Geduld gefragt. „Es hieß, dass wir frühestens nach sieben Jahren mit dem ersten Ertrag rechnen könnten.“ Doch wie findet man die Trüffel überhaupt, wenn es so weit ist?
Am besten setzt man zur Suche ein Trüffelschwein oder einen Trüffelhund ein. Beide erschnüffeln die unterirdischen Knollen mit ihrer Nase. „Unabhängig voneinander haben wir uns alle für einen Hund entschieden“, erzählt Christoph Sterk. Ebenfalls Zufall war es, dass innerhalb weniger Wochen vor kurzem drei Welpen Einzug hielten: Lou in Kaltensondheim, der kleine Balu, ein schwarzer Labrador, in Großlangheim und Bijela, eine istrische Trüffelhündin mit weiß-braunen Locken, in Erlach.
Die stolzen Hundebesitzer wollten ihre neuen Familienmitglieder im Lauf der nächsten Jahre ganz gemütlich auf ihre Such-Aufgabe vorbereiten. Doch es kam anders. Als Caro Spiegel und Jochen Neubert vor einigen Tagen mit ihrem Lou den Trüffelhain inspizierten, schlug der Welpe an. „Unter einem Haselbaum hat er angefangen, wie wild zu graben“, erzählt Caro Spiegel. Da sie erst kurz zuvor begonnen hatte, mit Lou ganz spielerisch das Suchen zu üben, dachte die 29-Jährige sich zunächst nichts. Doch als Lou nicht aufhörte zu buddeln, schauten sie und ihr Mann doch genauer hin. In der Erde zeichnete sich eine pockige dunkle Kugel ab: die erste Trüffel!
Außen schwarz, innen golden gemasert: Nach dem Erstling, der 36 Gramm wog, fand Lou eine weitere Trüffel, 164 Gramm schwer. Und auch in Großlangheim kam kurz darauf der erste Fund ans Licht. „Wir freuen uns riesig“, fasst Katharina Apfelbacher die Gefühle der „Trüffelbauer“ in Worte. „Wir wissen jetzt: Da wächst wirklich was, es funktioniert!“
Als Koch oblag Jochen Neubert die große Aufgabe, die erste Trüffel zuzubereiten. „Es gab Bandnudeln mit Sahnesauce und fein gehobeltem Trüffel“, berichtet Caro Spiegel. „Sogar unsere Kinder, fünf und zwei Jahre, haben ?mehr!? gefordert!“ Na dann: Bühne frei für ein neues fränkisches Premiumprodukt.