Gleich zwei Werke hat Regionalkantor Christian Stegmann zum Volkstrauertag auf das Programm gesetzt: Das "Requiem c-moll" von Michael Haydn, jüngerem Bruder von Joseph Haydn, und die Kantate "Ich hatte viel Bekümmernis" von Johann Sebastian Bach. Beides Werke, die durch ihre tiefe Beschäftigung mit menschlichem Leid und der Aussicht auf das Paradies Trost und Zuversicht spenden wollen.
Kennt man sonst eher die großen Requiems von Mozart, Brahms oder Verdi, hat Stegmann hier ein Werk ausgesucht, welches zu seiner Zeit sehr oft aufgeführt wurde, heute aber eher selten zu hören ist. Während Haydns Requiem recht plastisch und teils auftrumpfend daherkommt, zeigt sich Bachs Kantate eher verinnerlicht, mit differenzierten Betrachtungen zum Verhältnis zwischen der menschlichen Seele und Gott, besonders in den solistischen Teilen. Dementsprechend sind bei Haydn die Solisten meist in kurzen Passagen zwischen denen des Chores eingebunden, Bach hingegen gibt ihnen breiten Raum in eigenen Arien. Während man sich bei Bach als Zuhörer gut in die einzelnen, längeren Stücke hineinhören kann, gibt es in Bezug auf Haydns Requiem Werke, die besser ins Ohr gehen. Nichtsdestotrotz lohnen auch die kleineren Werke eine Aufführung und bergen Schätze.
Anna Feith gestaltet mit hellem, obertonreichem und schwebend in der Kirche tragendem Sopran ihre Partie. Besonders in Bachs Arie "Seufzer, Tränen, Kummer, Not" singt sie sich im einfühlsamem und sehr musikalischem Duett mit der Oboe von Flavia Käfer in die Herzen der Zuhörerinnen und Zuhörer. Barbara Buffy fügte sich mit ihrer warmen und beweglichen Altstimme gut in die Ensembles ein. Stefan Schneider, ein typischer Oratorientenor mit gut tragender Stimme, fühlt sich in den wirklich schwierigen Arien Bachs sehr wohl und interpretiert mit klarem und gut geführtem Tenor in großer Leichtigkeit auch vertrackte Koloraturen. Sebastian Klein verfügt über einen Bariton, dessen Farbe zum Ensemble passt und der sich im Duett zwischen Seele und Jesus, sehr typisch für den Barock, gut mit der Sopranistin ergänzt.
Ein Fundament, auf das man sich verlassen kann
Der Kirchenchor St. Johannes singt unter dem aufmerksamen und dezidierten Dirigat von Stegmann stets sauber und diszipliniert. Gleich im ersten, lebhaften Satz merkt man, dass die Sänger gut vorbereitet sind, man hat nur manchmal den Eindruck, sie könnten sich mehr von ihren Noten lösen. Der Chorklang ist homogen und ausgewogen, keine Stimme sticht hervor. Der Bass liefert ein Fundament, auf das man sich verlassen kann, der Sopran singt klar bis in die Höhen, Tenor und Alt füllen warm die Mittellage. Viel Mezzoforte wird verlangt, oft kommt das Werk etwas massig daher. Solisten und Chor wechseln sich ab, recht ungewöhnlich darf der Chor auch beim Benedictus einsteigen und singen die Solisten Teile des Osannas. Während anfangs das Orchester mit Trompeten und Pauken noch etwas hervorsticht, steigern sich im Agnus Dei am Schluss alle zu einem großen Forte, und die Blechbläser bringen noch einen besonderen Glanz dazu.
Ganz anders wirkt dann zunächst der Bach. Im Orchester zum Großteil viel filigraner angelegt, ist er wesentlich besser durchhörbar. Schon die beginnende Sinfonia musiziert das Orchester sehr schön schwebend, vorwärtsgehend und ausgeglichen. Die Arien werden von einer zuverlässigen Continuogruppe mit dem warmen Solocello von Yingzhe Zheng begleitet. Bei "Was betrübst du dich, meine Seele" singt der Chor schön differenziert, zeigt Piani und Steigerungen. "Sei nun wieder zufrieden" verströmt große Ruhe im Wechsel zwischen Chor und Solisten. Im prächtigen Schluss gehen alle aus sich heraus und setzen dem Regenwetter draußen die Glanzlichter auf. Die Zuschauerinnen und Zuschauer in der gut gefüllten Kirche danken es den Aufführenden mit teils stehendem, herzlichem Applaus.