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KITZINGEN
Traditionsweingut Meuschel verkauft
Christian und Johannes Meuschel haben das Weingut Wilhelm Meuschel jr. nach 173 Jahren in Familienbesitz an eine Investorengruppe verkauft. Im Bild stoßen (von links) Christian Meuschel, der neue Betriebsleiter Lukas Herrmann und Johannes Meuschel an.
Foto: S. Sebelka | Christian und Johannes Meuschel haben das Weingut Wilhelm Meuschel jr. nach 173 Jahren in Familienbesitz an eine Investorengruppe verkauft.
Sigfried Sebelka
Siegfried Sebelka
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:10 Uhr

Das 1845 gegründete Kitzinger Traditionsweingut Wilhelm Meuschel jr. hat neue Besitzer. Die beiden Inhaber Christian und Johannes Meuschel haben das Weingut samt Kellerei, Weinbergen und Betriebsgebäuden an eine Investorengruppe verkauft. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.

Der Betrieb in der Inneren Sulzfelder Straße geht weiter. Die Investoren haben eine Betreibergesellschaft gegründet. „Aus der Wilhelm Meuschel jr. OHG ist die Wilhelm Meuschel jr. GmbH geworden“, sagte Christian Meuschel bei einem Pressegespräch. An der Spitze der GmbH stehen mit dem Geschäftsführer Markus Heid ein renommierter Winzer und Inhaber eines VDP-Weinguts aus Fellbach in Württemberg und mit dem Betriebsleiter Lukas Herrmann ein Kellermeister aus Heidelberg (Baden). Sie werden Weingut und Weinkellerei betreiben, neu ausrichten und komplett auf biologischen An- und Ausbau umstellen.

Tradition wird fortgeführt

„Frisches Blut aus Baden und Württemberg ins alte Weingut in Franken.“ So fassten die Meuschels das Ergebnis der schon länger laufenden Verkaufsverhandlungen zusammen. „Wir sind froh, dass wir jemanden gefunden haben, der die lange Tradition fortführen wird“, sagte Johannes Meuschel, der den Einstieg der erfahrenen Weinfachleute als „das schönste Geschenk“ bezeichnete. Das wissen inzwischen auch die Kunden.

In dem Schreiben gehen die Meuschels auf die Gründe für den Entschluss ein, die Familientradition nach 173 Jahren ausklingen zu lassen. Christian Meuschel, inzwischen 65 Jahre alt, und sein wenig jüngerer Bruder haben „keine Kinder, die das Zepter in die Hand nehmen könnten“.

Das Weingut haben die Beiden 1988 von ihrer Mutter Heidi übernommen. Diese hatte im Jahre 1974, nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes Gerhard Meuschel, von heute auf morgen den Betrieb übernehmen müssen. Johannes war 1976 im Betrieb eingestiegen und später als Kellermeister für alles rund um den Wein und seinen Ausbau zuständig. Kurz danach hatte Christian den kaufmännischen Bereich übernommen.

Mehr als 40 Jahre später stellte sich jetzt die Frage, wie es mit dem Betrieb weitergehen soll. Zusammen mit einem Immobilienmakler haben sich die Meuschels auf die Suche nach einem Kaufinteressenten gemacht und sind relativ schnell fündig geworden. Das Verkaufsexposé über den „Königlich-bayerischen Hof- und Weinlieferanten aus Franken“ stieß auf Interesse einer Gruppe von Investoren, darunter Fachleute aus der Immobilienbranche. „Wir haben offenbar einen günstigen Zeitpunkt erwischt“, sagte Johannes Meuschel mit Blick auf Niedrigzinsen und den Trend, in landwirtschaftliche Unternehmen zu investieren.

Vertrag unter Dach und Fach

Die Investoren, die im Hintergrund bleiben wollen, haben sich umgeschaut und das Potenzial des Traditionsbetriebs gesehen, sagen die Meuschels.

Der Vertrag war schnell unter Dach und Fach. Er beinhaltet den Verkauf des gesamten Weinguts, samt Weinkellerei und Weinbergen. Dazu gehört das 1906 fertiggestellte Hauptgebäude in der Inneren Sulzfelder Straße mit seinen beiden Stockwerken und dem zweigeschossigen Tonnengewölbekeller mit alten Holzfässern und modernen Edelstahltanks, das Kunden schon mal als „Jugendstilfabrik“ bezeichnet haben. Das Kutschergebäude und die Scheune sind ebenso verkauft wie die Weinberge in der Lage Kitzinger Wilhelmsbühl samt Weinberghäuschen unterhalb der Klinik Kitzinger Land.

Mit dem Schlüssel werden Ende des Jahres die Restbestände an Wein und Sekt an die neuen Inhaber übergeben. Und die wollen die Potenziale des Weinguts nutzen, aber es vor allem auch neu ausrichten. Lukas Herrmann ist überzeugt, dass man so viel Historie und Tradition deutschlandweit selten findet.

Neuer Auftritt

„Das ist eine große Chance“, sagte Herrmann. Auf der anderen Seite wollen die Neuen den Betrieb modernisieren. Das fängt in den (mit Pachtflächen) gut fünf Hektar Weinbergen an, die komplett auf biologische Bewirtschaftung umgestellt werden sollen. „Die Erträge runterfahren und die Qualität erhöhen“, bezeichnet Herrmann als ein Ziel. Die Kellerei soll so umgebaut und erneuert werden, dass die Qualität aus den Weinbergen schonend weiterentwickelt werden kann. „Das wird alles Meuschel bleiben“, sagte Herrmann. Allerdings wird es in Sachen Marketing einen neuen Auftritt geben. Der Kellermeister ist seit einem halben Jahr im Betrieb und hat den Herbst mitgemacht und „einzelne Weichen gestellt“.

Die Meuschels sehen das alles positiv. „Frisches Blut kann nur gut sein“, sagte Johannes. Und Christian ist überzeugt: „Die historische Substanz, die wir übergeben, verträgt auch eine Auffrischung.“ Für die Kunden ändert sich erst mal nichts. Der Verkauf läuft ganz normal weiter. Ob es im nächsten Jahr wieder eine Heckenwirtschaft in der Sulzfelder Straße geben wird, ist laut Herrmann noch nicht entschieden. Das neue Marketing wird gerade entwickelt.

Das Weingut Meuschel – Kurzer Blick in die Geschichte

1845: Johann Wilhelm Meuschel gründet die Weinkellerei Wilhelm Meuschel jr. in Buchbrunn.

1878: Umzug der Kellerei und des Weingroßhandels, der neben deutschen auch mit französischen Weinen handelte, nach Kitzingen. Das Betriebsgebäude in der Inneren Sulzfelder Straße wurde 1906 fertig gestellt.

1890: Ernennung zum herzoglich-sächsischen Hoflieferanten.

1903: Prinzregent Luitpold von Bayern macht den Betrieb zum Königlich-bayerischen Hoflieferanten. Die Ernennung hängt in der guten Stube der Weinkellerei.

7. Juni 1909: Prinz Ludwig von Bayern (als Ludwig III. ab 1913 der letzte bayerische König) besucht die Meuschelsche Kellerei – mit rund 300 Menschen im Gefolge und zeigt sich beeindruckt von dem 20 000-Liter-Hoflieferanten-Fass im Kellergeschoss. Es zeigt die Köpfe der vier Generationen des Herrscherhauses.

Kunden: Neben den Bundeskanzlern Konrad Adenauer und Ludwig Erhard gehörte auch Fürst Otto von Bismarck zu den Meuschel-Kunden.

Der Eingang zum Weingut und zum Betriebsgebäude in der Inneren Sulzfelder Straße in Kitzingen.
Foto: Sebelka | Der Eingang zum Weingut und zum Betriebsgebäude in der Inneren Sulzfelder Straße in Kitzingen.
Das Weingut Meuschel hat viele Bezüge zur Stadtgeschichte und spielte auch in der dunkelsten Stunde der Stadt eine Rolle, wie ein Bombensplitter am Treppenaufgang zeigt. In den Kellern des Weinguts suchten viele Kitzinger Zuflucht beim Bombenangriff vom 23. Februar 1945.
Foto: Sebelka | Das Weingut Meuschel hat viele Bezüge zur Stadtgeschichte und spielte auch in der dunkelsten Stunde der Stadt eine Rolle, wie ein Bombensplitter am Treppenaufgang zeigt.
Nur ein Teil der Historie des Weinguts Meuschel: Am 7. Juni 1909 besuchte Prinz Ludwig von Bayern, der spätere König Ludwig III., die Meuschelsche Kellerei – mit rund 300 Menschen im Gefolge.
Foto: Archiv Meuschel | Nur ein Teil der Historie des Weinguts Meuschel: Am 7. Juni 1909 besuchte Prinz Ludwig von Bayern, der spätere König Ludwig III., die Meuschelsche Kellerei – mit rund 300 Menschen im Gefolge.
 
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    Da hat man in der Zeit des Nationalsozialismus arisierte jüdische Weinhandlungen erworben. Ein Fall ist zumindest nachgewiesen, allerdings nicht in Kitzingen.
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