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Marktsteft
Tattoofarben-Verbot ab Januar: "Die Leute werden in den Untergrund gehen"
Viele Inhaltsstoffe sind in Tätowierfarben bald verboten. Tätowierer Andy Engel sieht dafür keinen Grund und befürchtet, dass die neuen Regeln die Hygienestandards torpedieren.
Carolin Dell lässt sich von Tätowiererin Lisa Smith im Tattoo-Studio Andy Engel in Marksteft (Lkr. Kitzingen) ein Tattoo anfertigen.
Foto: Patty Varasano | Carolin Dell lässt sich von Tätowiererin Lisa Smith im Tattoo-Studio Andy Engel in Marksteft (Lkr. Kitzingen) ein Tattoo anfertigen.
Anna Kirschner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:15 Uhr

In Sachen Tätowierungen ist Carolin Dell Wiederholungstäterin: Schon mit 19 ließ sie sich von Andy Engel ihr erstes Tattoo stechen. Jetzt ist sie 38 Jahre alt und kommt immer noch in das Studio in Marktsteft (Lkr. Kitzingen) zurück. Durch Corona haben sich ihre Tattootermine verschoben, die finale Sitzung für das große Projekt an ihrem Bein soll im Dezember stattfinden. "Falls ich krank werde und den Termin nicht wahrnehmen kann, ist es schon blöd", sagt Dell. Denn ab Januar 2022 sind viele Tattoofarben in ihrer jetzigen Zusammensetzung verboten. Ob dann noch die gleichen Farben das Kunstwerk auf ihrem Bein vervollständigen können, ist unklar.

Neue REACH-Verordnung gilt ab 4. Januar

Hintergrund ist eine neue Fassung der sogenannten Reach-Verordnung, die vom 4. Januar 2022 an in der Europäischen Union gilt. Reach steht dabei für "Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien" – mit der Verordnung wird also der Umgang mit Chemikalien reguliert. Die Erneuerung der Verordnung betrifft dann vor allem Tätowierfarben. Außerdem werden zwei Pigmente für Tätowierfarben verboten, die schwer zu ersetzen sind und in vielen Farben enthalten sind: Blau 15:3 und Grün 7. Für sie gilt eine verlängerte Übergangsfrist bis Januar 2023.

Tätowierer fürchten, dass viele Tattoofarben künftig nicht mehr erhältlich sind.
Foto: Patty Varasano | Tätowierer fürchten, dass viele Tattoofarben künftig nicht mehr erhältlich sind.

Die Tätowierer sind davon alles andere als begeistert. Lloyd Grobbelaar eröffnete 2018 sein Studio Limpid Tattoo Art in Kitzingen. Er findet die Regelungen "ein wenig unfair. Verglichen mit Alkohol oder Tabak gibt es nicht genügend Daten oder Statistiken darüber, dass die Tattoofarbe schädlich ist." Und selbst wenn die Farben wirklich schädlich wären, sollte seiner Meinung nach die Entscheidung für oder gegen ein Tattoo den einzelnen Menschen überlassen bleiben – wie beim Umgang mit Tabak und Medikamenten. "Es fühlt sich nicht sehr demokratisch an, zu entscheiden, was Menschen mit ihren Körpern tun können", so Grobbelaar. Manche Tattootermine verschiebt er jetzt ins nächste Jahr, um neue Projekte erst dann zu beginnen – wenn hoffentlich klar ist, welche Farben zur Verfügung stehen.

Es wird weiterhin farbige Tattoos geben

Tätowierer Andy Engel erwartet: "Man kann weiterhin farbige Tattoos machen." Doch das große Spektrum von circa 280 Farbtönen werde unter der Regulierung leiden. Jetzt muss er abwarten, was ab Januar möglich ist. Die Farbhersteller hätten viel früher reagieren und Studien zur Unbedenklichkeit der Farben vorlegen müssen, findet Engel. Teil des Problems: "Die Tattooindustrie ist leider nicht so organisiert wie es in der Kosmetikindustrie der Fall ist, wir haben einfach diese Lobby nicht", so Engel. 

Auch er ist der Ansicht, dass es keine Problem mit seriösen Tattoofarben und keine Belege für deren Schädlichkeit gebe. "Ich tätowiere seit 27 Jahren", sagt der Tätowierer. Noch nie seien dabei Folgekrankheiten oder allergische Reaktionen aufgetreten. Die beim Tätowieren verwendete Farbmenge sei ohnehin verschwindend gering: "Wenn ein Mensch von oben bis unten vollflächig tätowiert wäre, hätte er bei einer normalen Größe hochgerechnet gerade mal 248 Milligramm Farbe im Körper", so Engel.

Carolin Dell auf dem Tätowierstuhl – mit der Nadel hantiert Tätowiererin Lisa Smith.
Foto: Patty Varasano | Carolin Dell auf dem Tätowierstuhl – mit der Nadel hantiert Tätowiererin Lisa Smith.

Außerdem befürchtet Engel: Wer nicht auf die gewünschte Farbvielfalt zurückgreifen kann, bestellt womöglich ungeprüfte, unregulierte Farben aus dem EU-Ausland. "Die Leute, die tätowieren, werden nicht aufhören zu tätowieren", so der Studiobetreiber. "Die Leute werden in den Untergrund gehen, wie es früher war. Dann rutscht der Qualitäts- und Hygienestandard in den Keller." Wenn es mit Tattoos Probleme gibt, sagt Engel, seien das meistens Tattoos, die daheim im Wohnzimmer entstanden sind.

Neue Grenzwerte für über 4000 Stoffe

Doch die Regulierung der Chemikalien hat ihren Grund. "Die Beschränkung verbietet Stoffe mit nachgewiesenen gesundheitsschädigenden Wirkungen", sagt Michael Giulbudagian. Er ist Chemiker am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und beschäftigt sich mit der Sicherheit von Tätowierfarben. Die neue Verordnung legt für über 4000 einzelne Stoffe Grenzwerte für die Verwendung in Tätowierfarben fest. Der Grund laut Giulbudagian: Diese Stoffe sind nachgewiesenermaßen krebserzeugend, erbgutschädigend, entwicklungstoxisch, augenreizend, hautreizend oder allergieauslösend. Außerdem werden Stoffe eingeschränkt, die bereits in kosmetischen Mitteln verboten sind.

Es gibt aber noch Unsicherheiten bei der Bewertung der Farben: Die Langzeitwirkungen von Tätowierungen seien nicht ausreichend bekannt, sagt Giulbudagian. Über den Verbleib und die Wirkung von Pigmenten aus Tattoofarben im menschlichen Körper ist laut BfR nur sehr wenig bekannt. Das BfR empfiehlt in einer Stellungnahme, die Datenlage zu verbessern, sieht aber bisher nur eine geringe Toxizität der Pigmente und keinen akuten Handlungsbedarf. Giulbudagian berichtet, dass bei der Entfernung von Tattoopigmenten durch Laser oder unter Sonneneinwirkung schädliche Abbauprodukte entstehen können. Doch auch hier sind die genauen Zusammenhänge nicht in allen Fällen erforscht.

Der Tattooszene reicht das nicht: Unter dem Motto "Save the Pigments" (deutsch: Rettet die Pigmente) soll eine Petition dafür sorgen, dass die Pigmente weiterhin verwendet werden dürfen. Weitere Informationen: www.savethepigments.com.

 
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  • C. H.
    ich sehe sie schon, die durch Tätowierte überbelegten Intensivstationen...

    Ich kenne viele stark tätowierte Menschen. Von denen ist keiner davon je krank geworden.
    Durch Alkohol und Tabak allerdings schon viele Menschen die ich kenne bzw. kannte.
    Leberzirrhose, Lungenkrebs, Raucherbein, Herzinfarkte...

    Die größte Gefahr für die Bürger geht mittlerweile vom EU-Parlament aus, so scheint es....
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  • L. W.
    @ chrihand

    Also ich kenne schon Menschen, die unter Langzeitfolgen von Tätowierungen leiden.

    Aber ich kenne keine, die unter den Folgen von Impfungen leiden.
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  • H. S.
    Wenn selbst ein renommiertes Tattoo-Studio da dementiert, sagt mir das nur: Die wissen definitiv mehr!
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  • S. S.
    Klingt mir ein bisschen nach dem französischen Schildbürgerstreich zum Verbot der Brennnesseljauche.
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  • A. F.
    Ich verstehe sowieso nicht, wie man sich (freiwillig) so verunstalten lassen kann.
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  • P. B.
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  • S. K.
    gibt es eigentlich Langzeit Studien
    was diese Farben im Körper anrichten können...

    ich kenne einige Nichtgeimpfte
    die sind angemalt wie ein Denkmal..

    also für mich schaut das nicht gesund aus.
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  • L. W.
    Die Ungeimpften @ MeineZeitung

    verhalten sich eh nicht rational.

    Nicht nur diese Tinten der Tätowierungen auch viele industriellen Nahrungsmittel sind weniger auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit untersucht als die Impfungen.

    Wenn die Impfverweigerer nach rationalen Gesichtspunkten handeln würden, dann wäre Nestlé mit seinen ganzen Markenportfolio schon pleite.
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  • R. B.
    Wie lange wollen sich die Menschen noch von der idiotischen EU gängeln lassen? Warum werden eigentlich Zigaretten und Alkohol nicht verboten? Richtig, weil der Staat hier kräftig mit kassiert, nämlich sage und schreibe rund 18 Mrd. Euro. Was für eine Doppelmoral. Ich bin keine Freund von Tattoos, aber das ist auch völlig wurscht. Jeder soll sich verwirklichen wonach ihm ist. Und was Frau Engel völlig richtig beurteilt, die Menschen werden sich die Dinge illegal besorgen.
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