Kein gewöhnlicher Schultag
So auch bei den Realschülern im Franken-Landschulheim Schloss Gaibach. Dass der bevorstehende Schultag kein gewöhnlicher sein wird, wird den 32 Jugendlichen schnell klar. Gleich zu Beginn werden Tische und Stühle an die Wand geschoben. „Das ist das erste, was wir machen – quasi als Morgensport“, sagt Steigerwald und schmunzelt. Frontalunterricht? Fehlanzeige. Auf die Vorstellungsrunde folgen die ersten Spiele. Die Schüler stellen sich im Kreis auf, werfen sich mehrere Bälle und ein Ei zu. Die Aufgabe: Das Ei muss unversehrt bleiben. Nach einiger Zeit fallen die Bälle zu Boden, alle konzentrieren sich auf das Ei. So lernen die Jugendlichen, was es bedeutet, süchtig zu sein. Die Sucht steht im Mittelpunkt.
Die Sozialpädagogen arbeiten bestimmte Eckpunkte ab wie die Merkmale einer Sucht. Der Rest ist ein offenes Konzept. „Man ist nur frei, wenn man Bescheid weiß“, erläutert Steigerwald das Programm. Sie und ihr Kollege wollen den Achtklässlern beibringen, auch mal „Nein“ zu sagen.
Mit Konfrontation arbeiten Steigerwald und Hupfer nicht
Wer mit Bildern von Drogentoten, oder Horrorgeschichten rechnet, wartet vergeblich. Hupfer hält mehr davon, auf die Schüler empathisch zuzugehen: „Konfrontation bringt die Kinder in die Opposition.“ Steigerwald stimmt ihm zu: „Mit erhobenem Zeigefinger kommen wir nicht weit. Wir müssen die Kinder da abholen, wo sie sind.“ Das Wissensgefälle sei oft sehr groß. Deshalb setze das Programm in der 8. Klasse an, denn zwischen 13 und 16 Jahren hätten einige Jugendliche das erste Mal Kontakt mit Suchtmitteln. Drogen allein stehen nicht im Zentrum. „Alles im Übermaß kann zur Sucht werden“, erklärt Hupfer.
Pro Schuljahr halten Alexandra Steigerwald und Tom Hupfer etwa 17 Unterrichtseinheiten im Landkreis. Daneben sind sie unter anderem freiberuflich im Jugendamt Kitzingen in der ambulanten Jugendhilfe tätig. Seit drei Jahren arbeiten sie für die Caritas-Suchtberatungsstelle. Das Angebot an Schulen gibt es schon seit 1998. Finanziert wird es ausschließlich durch Spenden.
Fragen über Essstörungen haben Schüler immer wieder
Dass die Schüler jetzt mehr von Drogenerfahrungen berichten als noch vor drei Jahren, erleben die Sozialpädagogen hingegen nicht. Fragen zu Essstörungen begegnen ihnen dafür immer wieder. Mehr Suchtprobleme als an anderen Schulen gebe es an der Realschule Gaibach zwar nicht, so Gisbert Wagner, Schulbeauftragter für Suchtprävention. „Aber wir gehen das Thema offen an. Totschweigen bringt nichts!“ Der Meinung sind auch andere Einrichtungen. In diesem Schuljahr haben bisher fünf Schulen an dem Projekt teilgenommen. An der Realschule Gaibach werden die Aktionstage seit über zehn Jahren durchgeführt, erinnert sich Wagner. „So ein Programm könnten wir auch selbst machen, jedoch können die Schüler die Themen so viel offener ansprechen."
„Man kann Sachen erzählen, die man einem Lehrer nicht erzählen kann“, sagt einer der Realschüler. „Lehrer sieht man viel öfter, da fällt es schwer, sich zu öffnen“, stimmt ihm ein Klassenkamerad zu. Auch die Gestaltung des Tags kam bei den Achtklässlern gut an. „Es wurde nicht nur geredet, wir durften auch mitmachen“, lobt ein Mädchen. Der Rest der Klasse ist ebenfalls sichtlich begeistert. Doch was für die Schüler noch besser ist als so ein Unterrichtstag: Der Schlussgong der Schulglocke.
Anmeldung für das Suchtpräventionsprogramm bei der Caritas-Beratungsstelle, Schrannenstraße 10, Tel. (0 93 21) 2 20 40.
Suchtberatung für Privatpersonen neben der Caritas-Stelle auch beim Gesundheitsamt, Alte Poststraße 6B, Tel. (0 93 21) 92 80.