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LANDKREIS KT
Stützen des Schulbetriebs
Diana Fuchs
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:10 Uhr

Spätestens im Winter geht's los. Husten, Schnupfen und Brechdurchfall machen vor Schulen nicht Halt. Die Bazillen erwischen natürlich auch Lehrer, die dann nicht zum Dienst kommen können. Wer vertritt die kranken Kollegen ab sofort?

Norbert Zwicker kennt solche Hilferufe. Beim Leiter des Kitzinger Schulamtes und seinem Team fragen die Grund- und Mittelschulen im Bedarfsfall an: „Wir brauchen Aushilfen. Habt Ihr jemanden für uns?“

Laut Gesetz steht allen Grund- und Mittelschulen eine bestimmte Stundenzahl für die „Mobilen“ zu. Die Menge richtet sich nach der Gesamtzahl der Lehrer. Für die Grundschulen im Schulamt KT gibt es derzeit zwölf „mobile“ Lehrer (226 Stunden), für die Mittelschulen sechs (142 Stunden) und für Förderunterricht drei (42 Stunden).

„Es kann schon mal eng werden“, sagt Zwicker, weißt aber Vorwürfe zurück, die Zahl der Vertretungsstunden sei generell zu niedrig. Im Raum Kitzingen sei man weit entfernt von einem Szenario wie kürzlich im oberfränkischen Bindlach, wo eine fünfte Klasse eine Woche lang daheimbleiben musste, weil kein Lehrer mehr für sie aufzutreiben war.

Das allerdings bezweifelt Gerhard Bleß stark. Der Vorsitzende des unterfränkischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes sagt: „Derzeit sind die Mobilen Reserven in ganz Unterfranken völlig aufgebraucht.“ Vor allem an kleinen Schulen mit wenig Lehrkräften komme es immer wieder vor, dass keine Aushilfen mehr greifbar sind „und Klassen zuhause bleiben“. Das sei dann mit allen Beteiligten, natürlich auch den Eltern, abgesprochen und gehe „ganz geräuschlos über die Bühne“. Im Prinzip sei das sogar besser, als Klassen zusammenzulegen, weil man mit 50 oder mehr Schülern keinen sinnvollen Unterricht machen könne.

Gerhard Bleß ist sicher: „Die Realität ist viel brisanter als nach außen hin erkennbar.“ Viele Schulleiter wüssten genau, dass keine Mobilen mehr frei sind und würden deshalb im Bedarfsfall gar nicht beim Schulamt anfragen.

Der Kitzinger Schulamtsleiter stellt unterdessen klar, dass sein Amt sich nach Kräften bemühe, die Ausfälle in den aktuell 144 Grundschul- und 74 Mittelschulklassen „so gering wie möglich“ zu halten. „Aber es ist klar, dass es nicht ganz ohne Ausfälle klappt.“ Außerdem sei es ohnehin nicht immer leicht, überhaupt Lehrer zu finden, die sich für die Mobile Reserve (MR) melden. „Nicht jeder macht das gerne.“

„Die Realität ist viel brisanter als nach außen hin erkennbar.“
Gerhard Bleß, BLLV-Vorsitzender Ufra

Katharina Huth schon. Die Grundschullehrerin, die derzeit an der St.-Hedwig-Schule Kitzingen eine Klasse nicht-deutschsprachiger Schüler mitbetreut, erinnert sich gut an das Schuljahr 2010/2011. Damals kam sie gerade aus dem Referendariat und wurde gleich als MR eingesetzt. Manche Kollegen hat sie nur einen Tag lang vertreten, andere bis zu sechs Wochen. Ihre Stammschule in Laufach bei Aschaffenburg sah sie manchmal wochenlang überhaupt nicht. „In dem einen Jahr, das ich mobil war, habe ich an weit über zehn Schulen unterrichtet.“ Bis an die hessische Grenze fuhr Huth zu ihren Einsatzorten. „Ich hab' mir deswegen extra ein Navi besorgt.“

Der Anruf „Du wirst gebraucht“ kann jederzeit kommen. „Manchmal muss man sich noch am selben Tag auf die Socken machen, oft aber erst am nächsten Tag“, schildert die 31-Jährige. „Man weiß nie, was kommt.“ Das Gute sei, dass sich sowohl die Schüler als auch das neue Lehrerkollegium meist sehr über die Aushilfe freuen. „Man bekommt viel Hilfe von allen Seiten.“

Katharina Huth ist froh über die Erfahrungen während ihres mobilen Jahres. „Man kriegt sehr viel mit, sieht, wie verschiedene Kollegen den Tag gestalten. Ich habe viele gute Tipps und Tricks mitgenommen.“

Andererseits gibt die gebürtige Würzburgerin zu bedenken: „In jahrgangsgemischten Klassen zu vertreten, ist heute sicher schon schwieriger.“ Und auch, wenn man selbst Kinder hat, könne das Mobilsein zum Balance-Akt werden: „Man muss schon sehr flexibel sein, auch zeitlich.“ Schade sei zudem, dass man keine so enge Bindung zu den Schülern aufbauen kann, wenn man immer wieder andere Klassen hat. Dennoch: „Für mich überwiegen eindeutig die positiven Erfahrungen“, stellt Katharina Huth fest. „Ich würde mich jederzeit wieder als Mobile Reserve zur Verfügung stellen.“

„Es reicht nur auf dem Papier“

Als „segensreiche Einrichtung“ bezeichnet Jörg Nellen von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die je nach Schulart unterschiedlichen Mobil-Modelle. In der Praxis werden die „Mobilen“ aber laut GEW-Pressesprecher oft nicht nur als kurzfristige Krankheitsvertreter eingesetzt, sondern um längerfristig Lücken zu füllen, die Schwangere oder Pensionäre reißen. „Auf dem Papier haben wir genug Ersatzlehrer, aber die Realität sieht anders aus: Das Pflaster bringt nicht die Besserung, die man sich von ihm verspricht.“

„Vorausschauende Planung fehlt“

Nellen sieht die Vertretungsproblematik als Folge genereller Fehler in der Schulpolitik. Es fehle eine vorausschauende, langfristige Planung. Künftige Schülerzahlen seien anhand der Geburten gut vorauszuberechnen, Ähnliches gelte für den Flüchtlingszuzug, für den es ebenfalls Quoten gibt. Anhand dieser Zahlen könnte der Lehrerbedarf viel besser prognostiziert werden. „Realität ist aber: Wir haben viele junge, hervorragend ausgebildete Kollegen, die mit Zeitverträgen vertröstet werden, statt eine Anstellung beim Staat zu bekommen.“ Der Staat orientiere sich hier nicht am Wohl der Schüler, sondern wolle schlicht und ergreifend sparen. „Auf Kosten der Schüler und der engagierten jungen Lehrer.“

Gerhard Bleß stimmt Nellen zu. Es sei höchste Zeit, dass das Kultusministerium endlich verantwortungsbewusst und frühzeitig plant „und nicht wartet, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist“.

Mobile Reserve

Was ist eine „Mobile Reserve“, kurz MR? „Das sind ganz normale Lehrer, die einer bestimmten Stammschule zugeteilt sind und dort nach einem festen Stundenplan differenzierten oder vertiefenden Unterricht geben – sofern sie eben keinen kranken Kollegen irgendwo im Schulbezirk vertreten“, erklärt Norbert Zwicker, der Leiter des Kitzinger Schulamtes, das für alle Grund- und Mittelschulen zuständig ist.

Regelung an weiterführenden Schulen: Gymnasien, Realschulen, Fach- und Berufsoberschulen sowie andere weiterführende Einrichtungen stellen eigene Vertretungskonzepte auf. Staatliche Schulen werden vom Ministerium kontrolliert.

Beispiel Armin-Knab-Gymnasium (AKG): „Bei uns am AKG werden bis zur 10. Klasse alle Stunden vertreten, – wenn möglich von Lehrern, die entweder das betreffende Fach oder in der jeweiligen Klasse unterrichten“, informiert Schulleiterin Margit Hofmann. Jeder Lehrer des Kitzinger Gymnasiums ist verpflichtet, bis zu vier Vertretungsstunden pro Monat zu halten. „Außerdem hat das Ministerium eine so genannte integrierte Lehrerreserve genehmigt: eine Lehrkraft, die speziell zur Vertretung da ist“, sagt Hofmann. „Das ist eine große Erleichterung.“ Bei längeren Ausfällen informiert Hofmann das Ministerium, das dann hoffentlich Aushilfsmittel genehmigt, damit das AKG sich Ersatzlehrer suchen kann.

Überall gern für die Schüler da: Katharina Huth würde jederzeit wieder als „Mobile Reserve“ arbeiten.
Foto: Diana Fuchs | Überall gern für die Schüler da: Katharina Huth würde jederzeit wieder als „Mobile Reserve“ arbeiten.
Überall gern für die Schüler da: Katharina Huth würde jederzeit wieder als „Mobile Reserve“ arbeiten.
Foto: Diana Fuchs | Überall gern für die Schüler da: Katharina Huth würde jederzeit wieder als „Mobile Reserve“ arbeiten.
Überall gern für die Schüler da: Katharina Huth würde jederzeit wieder als „Mobile Reserve“ arbeiten.
Foto: Diana Fuchs | Überall gern für die Schüler da: Katharina Huth würde jederzeit wieder als „Mobile Reserve“ arbeiten.
 
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